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»Liebes Unternehmen X, da mache ich nicht mit!« – Interview mit Mirko Kaminski

Gestern erhielt ein Video, das wir im Netz gefunden und mit euch hier geteilt haben sehr großen Zuspruch: »Liebes Unternehmen X, da mache ich nicht mit!«. Mirko Kaminski – Inhaber der Hamburger Agentur »Achtung!« erzählt dort in einem kurzen Video von einer Agentur-internen Pitch-Erfahrung, die offenbar so alltäglich ist, dass die meisten unter euch kopfnickend (auf digitalem Weg, also in Form von Likes und Retweets versteht sich) zugestimmt haben. Wir haben Mirko Kaminski um ein paar Hintergrundinformationen zu diesem Video gebeten.

Hallo Herr Kaminski, stellen Sie sich doch bitte ganz kurz vor.

Ich bin Inhaber und einer von zwei Geschäftsführern von achtung!. Wir sind 100 Leute in Hamburg und München. Unsere Agentur feiert dieses Jahr ihren zehnten Geburtstag, ich meinen vierzigsten. Ich habe Familie, bin in der Woche in Hamburg und am Wochenende meist auf Fehmarn, meiner Heimatinsel. Neben Kommunikation erfüllt mich mit Leidenschaft: das Angeln. Wann immer es geht, fahre ich daher vor der Küste Fehmarns zum Fischen raus.

Wie und warum ist das Video »Liebes Unternehmen X – da mache ich nicht mit?« entstanden? Einige unserer Leser vermuten eine virale Recruitingkampagne dahinter…

Ich habe vor kurzem damit begonnen, regelmäßig »Auf ein Wort vorm Regal« aufzunehmen. Dafür stelle ich mein iPhone ins Büroregal, nehme ein Video auf und spreche darin über Dinge, die mich gerade bewegen. Das Video veröffentliche ich dann auf Facebook, Google+, Youtube. Und dieses Mal hat mich eben diese Pitcheinladung bewegt, ja aufgeregt.

Dabei geht es gar nicht so sehr um diesen Einzelfall. Und es geht auch nicht allein – das ist etwas missverstanden worden – um fehlende Pitchhonorare. Ich finde es schädlich, wenn Unternehmen mit minimalem Aufwand bei Agenturen maximale Leistung abfordern wollen. Da wird ein zweiseitiges, dürftiges Briefing getippt, an 5, 10 oder 15 Agenturen geschickt, die dann nur ein oder zwei Wochen Zeit haben, ein umfassendes Konzept zu liefern. Und das alles eben ohne Aufwandsentschädigung. Rebriefing, Schulterblick, intensives Mitwirken durch das Unternehmen? Pustekuchen. Ich hätte wirklich nicht gedacht, dass das Video derart hohe Wellen schlägt. Zwischen Idee und Einstellen auf Youtube lagen nur exakt 40 Minuten.

Sie klingen leicht zynisch und verärgert, erhalten Sie solche Anfragen als Agentur oft?

Zynisch möchte ich nicht klingen. Das ist nicht meine Art. Aber ich ärgere mich eben. Denn ein solches Pitchsetting bedeutet viel, viel Aufwand für Agentur und Mitarbeiter, während das Risiko groß ist, aufgrund des mageren Briefings daneben zu liegen. Für Mitarbeiter heißt es schließlich viel Mehraufwand und Stress, denn gleichzeitig sind ja Bestandskunden zu betreuen. Neben den Mitarbeitern könnten also auch Kunden darunter leiden. Und beide sind uns dafür zu wichtig. Leider gibt es derartige Anfragen immer öfter.

Ich habe die Erfahrung gemacht, dass, je größer das Unternehmen, desto selbstverständlicher wird erwartet, dass Agenturen gratis an Pitches teilnehmen. Können Sie das bestätigen?

Der Gratispitch ist nicht das Kernproblem. Wir nehmen immer wieder auch an unbezahlten Pitches teil. Aber dann stimmt eben das Gesamtsetting. Das Briefing ist sehr gut, es gibt auf dem Weg bis zur eigentlichen Präsentation zwei, drei oder mehr Abstimmungstermine, der Kunde wirkt aktiv mit, nur drei, maximal 5 Agenturen nehmen teil und der Pitchprozess ist von Anfang an klar und transparent. Eine solche Professionalität gibt es in kleinen Unternehmen und in Konzernen.

Ohne zu sehr ins Detail gehen zu wollen: Ist »Agentur X« eine große Firma, vielleicht ein Konzern? Und hat die Firma das Video gesehen und falls ja, wie hat sie reagiert?

Das werde ich für mich behalten. Ich weiß, es gibt immer ein großes Interesse an dem Individualfall. Aber um den geht es gar nicht so sehr. Er ist hier nur Auslöser gewesen oder der besagte Tropfen, der das Fass zum Überlaufen gebracht hat.

Verstehen Sie das Video auch als Aufruf an Ihre Kollegen diese Gratis-Pitchkultur zu hinterfragen?

Ich wiederhole mich vorsichtshalber: Das fehlende Pitchhonorar ist lediglich eine von vielen Facetten des Themas. Am Ende geht es darum, dass wirklich Großes nur entstehen kann, wenn beide Partner aktiv und bemüht mitarbeiten. Daher favorisieren wir auch die agile Konzeptentwicklung. Bei Pitches, bei denen allerhand Agenturen oberflächlich gebrieft werden, kurze Zeit im stillen Kämmerlein sitzen, um dann zu zeigen, was sie ausgebrütet haben, gewinnt zumeist der Einäugige unter den Blinden. Fast schon bestimmt der Zufall, wer den Pitch gewinnt. Die große, die wertschöpfende Idee kann bei einem solchen Setting kaum geboren werden.

Vielen Dank für das Interview!

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