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Fragen an Illustratoren: André Gottschalk

Wie war dein Einstieg in die Branche und was war dein erster Job?

Eigentlich bin ich gar kein Illustrator, jedenfalls kein gelernter, sondern habe Grafikdesign in Dessau studiert. Als Grafiker habe ich in verschiedenen Büros gearbeitet, allerdings nur für kurze Zeit, da ich sehr schnell gemerkt habe, dass meine Leidenschaft woanders liegt. Vor etwa zwei Jahren habe ich mich dann endgültig dafür entschieden, auf eigene Faust zu arbeiten und mich völlig auf Illustration zu konzentrieren. Im Konkreten hieß das für mich, mein bisheriges Berufsfeld in dem ich bis zu diesem Zeitpunkt gearbeitet hatte, hinter mir zu lassen und mich in ein für mich unerforschtes Gebiet zu begeben.

Mein erster richtiger Illustrationsjob war eine Strecke für das 11 Freunde Magazin, mit denen ich nach wie vor zusammenarbeite. Als ich dann das gedruckte Magazin in den Händen hielt, war das ein großartiges Gefühl. Dieser unmittelbare Prozess, etwas zu zeichnen und es dann wenig später als abgeschlossenes Projekt gedruckt in einem echten Magazin zu sehen, war sehr cool und völlig anders, als die langwierigen Prozesse in Designbüros und Agenturen. Ich muss aber auch dazu sagen, dass ich sehr ungeduldig bin.

Arbeitest du hauptsächlich als Illustrator oder hast du noch andere Schwerpunkte und falls ja, welche?

Mittlerweile bin ich definitiv Illustrator. Wenn sich früher jemand nach meinem Broterwerb erkundigte, habe ich noch bis vor einem Jahr gesagt, ich sei Grafikdesigner. Das trifft es aber einfach nicht mehr. Andere Schwerpunkte gibt es für mich nicht mehr. Allerdings habe ich mich nie auf rein figürliche Illustration festgelegt, sondern von Anfang an typografische Elemente als wichtigen Bestandteil der Illustrationen gesehen. Meine Affinität zur handgemachten Charaktertypo ist mit Sicherheit meinem Graffiti-Background zuzuschreiben, und das versuche ich so oft es geht mit einzubringen.

Auf welchen Themenbereich hast du dich spezialisiert? Wie würdest du deinen Stil beschreiben? Mit welchen Techniken arbeitest du?

Es gibt kaum Themen, für die ich mich nicht begeistern kann. Meistens sind es figürliche Motive, sehr oft Portraits. Ich mag einen gewissen Bildwitz, aber versuche es zu vermeiden, bewusst witzig zu sein. Mit Karikaturen oder den Zeitungscartoons zum aktuellen Politgeschehen kann ich nicht sehr viel anfangen. Oft versuche ich, den Stil an das jeweilige Thema anzupassen, glücklicherweise habe ich meistens genügend Spielraum vom Kunden und eine stilistische Bandbreite. Die Kombination aus realistischen und freien, abstrakten Elementen mag ich sehr – fein ausgearbeitete Gesichter, Strukturen etc. und dazu kontrastreiche, grobe Flächen oder Linien. Wenn dann noch völlig überzeichnete Größenverhältnisse, falsche Perspektiven und die Kombination von unmöglichen Dingen zusammenkommen, finde ich das toll. Eine Illustration technisch perfekt von oben nach unten durch zu arbeiten, ohne Schwerpunkte und Kontraste, finde ich wenig reizvoll. Es muss nicht jede Linie exakt sitzen, gerade bei analog erstellten Illustrationen darf es auch gerne mal rumpeln und kratzen und Dinge können unausgearbeitet bleiben.

Digital oder Analog?

Mein Hauptwerkzeug ist der Bleistift. Dieser bietet mir alle Möglichkeiten, den Zeichnungen den gewünschten Ausdruck und maximale Kontraste zu geben. Da ich beim Arbeiten recht rabiat mit den Materialien umgehe, ist der Bleistift das Werkzeug, das mir dieses am ehesten verzeiht, wohingegen Fineliner und Filzstifte bei mir oft nur eine kurze Lebensdauer haben. In Kombination dazu nutze ich oft Tusche, Pinsel oder eine Sprühdose, unterm Strich aber immer analoge Werkzeuge. Wenn ich einmal richtig viel Zeit habe und eigene Projekte realisieren kann, gehe ich auch sehr gerne in die Siebdruckwerkstatt.

Ganz ohne Rechner komme ich aber trotzdem nicht aus, mal abgesehen davon, dass die Illus ohnehin gescannt werden müssen. Wenn ich an einer komplexeren Illu arbeite, scanne ich meistens die Einzelelemente der Illustration ein und füge sie am Rechner zusammen oder färbe sie nachträglich digital ein. Für meine Arbeitsweise ist das wichtig, da ich zwar wenig Geduld, aber viel Perfektionismus an den Tag lege. So kann ich mit relativ wenig Zeitaufwand das Motiv grundlegend verändern, ohne alles neu zu zeichnen oder aber die Farbigkeit einzelner Elemente solange justieren, bis ich zufrieden bin.

Gibt es ein Objekt, ein Thema, das für dich besonders schwer zu zeichnen ist?

Bis jetzt habe ich mit keinem Thema grundlegende Probleme gehabt, es zeichnerisch umzusetzen. Es gibt ja immer die Möglichkeit, die gewünschte Illu an seine eigenen Fähigkeiten anzupassen. Wenn man beispielsweise ungern Gesichter frontal zeichnet, wählt man einfach eine andere Perspektive, die einem leichter fällt. Als Illustrator hat man viele Möglichkeiten, zum Ziel zu kommen. Der Kunde sieht nicht, wie das Ergebnis entstanden ist und welche Umwege man dafür genommen hat. Aber von den rein formalen Hürden abgesehen habe ich natürlich hin und wieder Probleme, mich inhaltlich, oder viel mehr ideologisch auf ein Thema einzulassen, was auch schon dazu geführt hat, dass die Zusammenarbeit nicht zustande kam.

Wie ist dein Arbeitsprozess für eine Illustration?

Bevor ich mit einer Illustration richtig beginne, muss sie in meinem Kopf vollständig visualisiert sein. Wenn das nicht der Fall ist, brauche ich gar nicht erst anzufangen, das wird sonst nur Murks. Daher lasse ich mich zum jeweiligen Thema auf alle erdenkliche Weise inspirieren. Musik, assoziative Bildersuche im Netz oder wildes Buchdurchstöbern. Wenn ich genügend Ideen gesammelt habe, entscheide ich mich für genau eine einzige Lösung und setze diese dann um. Ich gehe nie den Weg von »Try and Error«, da dieses Verfahren nicht dem Ergebnis zuträglich ist, jedenfalls nicht bei mir. Daher nimmt die Vorarbeit im Vergleich zur eigentlichen Umsetzung einen wahrscheinlich unüblich großen Stellenwert ein. Diese Arbeitsweise hat sich für mich als effektiv bewährt, gerade, da oft sehr wenig Zeit für die Realisation zur Verfügung steht.

Die Angst, sich für die falsche Umsetzung zu entscheiden, ist aber trotzdem da. Wenn man schon bei der Ideenfindung zu keiner guten Lösung kommt, hat man ein Problem. Da hilft meist nur, sich abzulenken und den Kopf zu leeren, um mal auf andere Gedanken zu kommen. In meinem Fall geht das super mit einer Folge einer sinnfreien, amerikanischen Sitcom. Beim Zeichnen selbst höre ich dann sehr oft Hörbücher, für mich der beste Weg, die Nächte durchzuarbeiten und meditativ den Bleistift zu schwingen.

Was passiert, wenn einem Kunden deine Illustration überhaupt nicht gefällt?

Das ist glücklicherweise noch nie passiert. Ein Kunde weiß aber vorher, was er in etwa erwarten kann und welchen Stil der Illustrator hat. Viele Kunden bestehen auch auf Vorabskizzen, sodass das Risiko eines Totalausfalls sehr niedrig gehalten wird. Auf Seiten des Kunden läuft es oft so ab, dass einfach ältere Illus oder deren Fragmente von meiner Webseite in die Vorablayouts gesetzt werden um mir das Wunschergebnis weitestgehend zu visualisieren und um sicher zu gehen, dass ich nicht in eine völlig falsche Richtung arbeite. Gerade bei Illustrationen mit knapp bemessenem Zeitrahmen, meistens Tages- oder Wochenzeitschriften, wäre ein verfehltes Thema oder ein Nichtgefallen fatal.

Welche Tipps kannst du jemandem geben der Illustrator werden möchte?

Echte Geheimtipps habe ich nicht wirklich. Wenn jemand seine Leidenschaft zum Beruf machen will, sind die Schritte dahin meistens intuitiv. Während und nach den Lehrjahren lernt man meist ganz automatisch Gleichgesinnte kennen, und schon ist man mittendrin. In Städten wie Berlin oder Hamburg passiert das wahrscheinlich noch schneller, jedenfalls wird es einem dort nicht gerade schwer gemacht, sich auszutoben. Jeder Illustrator weiß ja, wie wichtig ein gut funktionierendes Netzwerk und kreativer Input ist. Aber gerade als Illustrator ist es auch möglich, von jedem beliebigen Ort aus zu arbeiten – hoch lebe das Internet – denn selten trifft man die Kunden noch persönlich.

Wie gewinnt man als Illustrator Kunden?

Ich habe die Erfahrung gemacht, dass die meisten Kunden meine Webseite wahrnehmen. Sicher muss man sich an geeigneter Stelle gezielt bewerben, vorstellen und sich ins Gespräch bringen aber so schwer ist das nicht.

Anfangs habe ich viele Projekte auch kostenlos oder für ein sehr geringes Honorar realisiert, um auf ein sehenswertes Portfolio zu kommen. Um für tolle Klienten zu arbeiten musste ich mich machmal leider versklaven. Finanziell war das nicht immer einfach aber langfristig hat es sich dann ausgezahlt.

Die Verlage und Kunden müssen erkennen können, wie sie deine Illus einsetzen sollen. So ganz ohne Portfolio stelle ich mir die Kundengewinnung sehr schwer vor… Blödes Wort: »Kunde«, das suggeriert mir irgendwie so ein unterkühltes, unpersönliches Verhältnis von Agentur zum Großkunden. Glücklicherweise ist es in Wahrheit alles viel angenehmer!

Wie siehst du den Stand der Illustration in Deutschland?

Ich schaue natürlich nach links und rechts, aber habe absolut kein Gesamtbild der hiesigen Illustrationsszene vor Augen. Einiges gefällt mir, vieles auch nicht. Was ich festgestellt habe ist, dass die Menge an Illustration in deutschen Magazinen und in der Werbung immer mehr zunimmt. Illustration ist mittlerweile massentauglich geworden und wird dadurch leider auch inflationär eingesetzt, sodass man sie schon kaum noch wahrnimmt. Es ist auf jeden Fall schwerer geworden, in der großen Masse an Illustratoren mit seinem eigenen Stil wahrgenommen zu werden. Daher ist es um so wichtiger, sich zu positionieren.

Wo ist für dich der Unterschied zwischen Kunst und Illustration?

Ich glaube, man muss hierfür Illustration unterteilen in zum einen angewandte, zuarbeitende Illustration, welche redaktionelle Beitrage, Bücher oder Kampagnen bebildert und zum zweiten in eigenständige, künstlerische Zeichnung, zeitgenössische Illustration ohne Bindung an Vorgaben. Die erste kann zwar mit künstlerischem Anspruch realisiert werden, ist aber meiner Meinung nach keine Kunst, sondern Handwerk. Die freie Illustration kann Kunst sein, liegt aber im Auge des Betrachters.

Was Kunst aber wirklich ausmacht und ob Illustration in den Kunstbereich tendiert, kann ich beim besten Willen nicht sagen. Für mich hat Kunst immer etwas mit Zeitgeist, neuen Betrachtungsweisen und ungewöhnlichen Umsetzungen zu tun. Also kann bestimmt auch Illustration zur Kunst werden. Ich sehe mich jedenfalls nicht als Künstler.

André Gottschalk
http://www.andregottschalk.com

Interviewserie mit Fragen von Nadine Roßa und Patrick Marc Sommer

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