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Design Magazin


Berliner Philharmoniker - Interview mit Erik Spiekermann

Klassische Musik hat für die Youtube und MySpace-Generation eher etwas mit Vergangenheit zu tun. Das neue CD setzt aber genau dort an und fragt sich, wie die Zukunft klassischer Musik und damit der Berliner Philharmoniker aussehen kann. Das ist mit der sehr modernen Website, die gerade mit dem Webby-Award ausgezeichnet wurde, hervorragend gelungen. Warum sind digitale Medien (wie es in modernen Musikrichtungen schon lange der Fall ist) auch für dieses Medium so wichtig?

Weil mit der Digital Concert Hall weltweit jeder zuhören kann. Der Saal ist immer ausverkauft, wie sonst kämen neue Leute zum Orchester?

Außerdem erhält man jetzt besseren und leichteren Zugang zum Gebäude und zum Orchester.


Die Zielgruppe der Berliner Philharmoniker ist wahrscheinlich in der Generation 45plus zu finden, die klassische Musik zu schätzen weiß. Wurde darauf in der Gestaltung Rücksicht genommen, was Schriftgrößen, -arten etc. betrifft? Was ist das Besondere an der exklusiv für die Philharmoniker entworfenen Schrift?

Es gibt leider keine exklusive Schrift, aber eine klassische Antiqua (Minion) anstelle der Akzidenz Grotesk (die auch von 1898 ist).
Die Antiqua-Schriftfamilie bietet einerseits stärkere Möglichkeiten der Auszeichnung und Hierarchisierung (richtige Kursive, Kapitälchen etc.), andererseits brauchen wir den Kontrast zwischen modernen Bildern und klassischer Typografie. Auf jeden Fall sind alle Drucksachen jetzt erheblich lesbarer, weil stärker gegliedert und kontrastreicher gestaltet. Leider sind unsere Bildideen noch nicht umgesetzt, weil noch Motive eingesetzt werden, die schon im vorigen Jahr angekauft wurden.


Wie waren die Reaktionen der Website-Nutzer auf das neue Design? Wie wurde das neue CD allgemein aufgenommen?

Ich weiß nur, dass die Website emsig benutzt wird und es jetzt viel einfacher ist ein Konzert zu finden, Karten zu kaufen und sich über den Ort und das Orchester zu informieren. Die Philharmoniker haben eine eigene Abteilung für die Umsetzung von Website und Drucksachen, die eher wie eine Abteilung im öffentlichen Dienst arbeitet, also nicht sehr risikofreudig und mitteilsam. Das bedeutet, dass wir wenig über die Reaktionen erfahren.


Was ratet Ihr Studenten und jungen Kreativen, die sich mit CI beschäftigen? Gibt es ein paar Grundregeln, die man beachten kann oder vielleicht sogar so etwas wie ein Rezept für eine gute Corporate Identity?

Das sind alles Allgemeinplätze: es muss zum Auftraggeber passen, echt sein. Wenn dann aber die Umsetzung nicht den Zielsetzungen und Erwartungen der eigentlichen Auftraggeber entspricht, weil die internen Leute nicht so weit springen wollen, wie das Konzept angedacht war, hilft auch die tollste Gestaltung nicht. Wir müssen trotzdem soweit zielen wie möglich und hoffen, dass die Kultur beim Auftraggeber ankommt.

Wenn der Unterschied zwischen Anspruch und Wirklichkeit zu groß wird (wie bei vielen bekannten Marken), dann geht ein anspruchsvoller Auftritt nach hinten los und verspielt Vertrauen. Dazu fällt mir immer die Telekom ein, die ein tolles CD hat, das weit entfernt ist von der Leistung im Alltag. Eine gute Agentur kann jeder nehmen, aber die eigene Kultur zu ändern ist schwieriger.