Design made in Germany
Design Magazin


Theater Bielefeld - Interview mit Hans Dirk Schellnack

Die Gestaltung bedient sich verschiedener Elemente, von Handmade bist digitale Illustrationen ist alles dabei. Wie und wieso kam es zu dieser Stilmischung im Bildkonzept?

Das ergibt sich durch die Einreichungen. Ganz viele Leute haben uns Scans geschickt, eigene grobe Zeichnungen, alte Photos, Kistenweise Objekte, die wir abphotographiert haben. Dazu kommen aus Zeitgründen leider einige wenige Stockphotos, wie etwa das Karopapier, einfach weil wir aufgrund der langen Vorproduktion für das finale Layout nur drei Tage hatten und viele Entscheidungen sehr sehr schnell fielen. Daraus ergab sich natürlich haben einen ziemlich wilden Stilmix. passt ja aber auch ausgezeichnet zu der Idee eines Sammel- und Sudelbuches, wo Sachen an den Rand gekrakelt sind, eingeklebte Photos, alles etwas unfertig. Ich hätte noch viel mehr davon gewollt, aber Anne und Michael hatten das sehr richtige Argument, dass ich so ja schon ein FERTIGES, volles Buch mache, was die Leute dann davon abhält, selbst noch reinzuschreiben und zu malen. Wir haben dann einiges wieder herausgenommen und entzerrt, was das Buch visuell etwas ruhiger macht, aber eben dem Nutzer Raum gibt, sich selbst auszutoben. Wir sind uns alle einig, dass dabei nicht jede Seite wirklich gut geworden ist, mir gefallen ganz andere Seiten als Mitarbeitern hier im Büro und wieder andere kamen im Theater gut oder schlecht an - aber gerade das finde ich ja irgendwie richtig, es ist eben ein wilder Mix, der sich einen Dreck darum schert, was schön oder hässlich ist. Die Frage war weniger, ob es nun schickes Design ist, sondern vor allem, ob es den Leuten Spaß macht.


Wer hat die Illustrationen erstellt?

Die kommen aus den verschiedensten Quellen. Manche sind einfach historisch alt - etwa die Anziehpuppen, manche sind uns zugeschickt worden. Die Bastelanleitung für das Himmel- und Höllespiel hat Stefanie bei uns im Büro gemacht (schön scheiße mit der Comic-Sans), der Papierflieger stammt aus einem ganz alten Pitch von Björn Grosch und ist einfach zweitverwertet. Die Matroschkas habe ich im letzten Jahr für ein eigenes Plakat gebaut. Mir gefiel die Idee, durch unser Archiv zu gehen und viele Sachen - auch private Photos, etwa das bei "Photographiere einen Fremden" - zu nehmen, die Skizzen waren oder B-Varianten oder Reste.Das Bild bei Händewaschennichtvergessen ist ein altes Handyphoto von einem Seifenspender in einer Disco. Das Ding mit Blume und Biene ist mein eigenes Meisterwerk - vor zig Jahren mal aus Daffke in Freehand gemacht - und zeigt, wieso ich vielleicht nie Illustrator werden sollte :-D. Jan und Yvonne, unsere Praktikanten, haben ganz viel Handschiften beigesteuert. Irgendwo ist eine Skizze, die unser alter Freund Rain Siepmann mal für das Mozart-Saisonheft der Philharmoniker gemacht hatte, noch komplett mit völlig falschen Rasterpunkten und allem. Du siehst, ein einziges wildes Sammelsurium. Wie man es in einem Skizzenbuch ja auch hätte - bits and pieces, der ganze Kram, der sich ansammelt. Vielleicht war es auch nur die Not, Seiten zu füllen, aber ich fand die Idee, hier mit eigenen alten Sachen zu arbeiten, sehr spannend, gemischt mit den ganzen Photos aus Bielefeld und den Objekten.


Was war euch bei der Wahl der Typografie wichtig?

Die Hauptschrift - Galaxie Polaris von Village - stand ohnehin fest, denn auf ihr basiert unser altes Corporate Design für das Theater Bielefeld. Da das Heftformat bei nicht deutlich gekürztem Inhalt aber aus Kostengründen (und für bessere Handlichkeit) kleiner wurde, hatten wir plötzlich ein Problem, recht viel Text sehr effizient unterzubringen. Wir haben also den letzten Millimeter aus dem Layout gequetscht - im Wortsinn, Schriftgrößen und Durchschuß sind nicht wie sonst in Punkt gesetzt, sondern in Millimeter, um das vorgegebene Format ideal zu nutzen und möglichst viele Textzeilen unterzubringen. Ein Problem dabei war, dass wir die Headlines komplett ohne Durchschuss gesetzt haben, um sie möglichst groß, aber dennoch platzsparend zu nutzen. Problem dabei waren natürlich, wie immer bei kompress durchgeschossenen Versalien, die Umlaute. Und auf eine OE/AE/UE-Lösung wollte sich das Theater - verständlicherweise - nicht einlassen :-D. Die Rettung war da, dass Chester Jenkins von vllg.com gerade eine frische neue 2.0-Fassung der Galaxie Polaris herausgebracht hatte, die günstig als Upgrade zu erwerben war, sogar zusammen mit der sehr schönen Galaxie Polaris Condensed. Abgesehen davon, dass eine solche Upgrade-Idee ohnehin absolut genial ist, hat Chester die Polaris extrem ausgebaut, und neben kyrillischen und anderen Sonderzeichen eben auch alternative öä und ü eingebaut, die ohne Durchschuss funktionieren. Das war ein echter Lebensretter, die Tatsache, dass ich hier endlich mit echten Kapitälchen arbeiten konnte, war da fast nur noch ein Bonus. Die zweite Schrift im Buch, die für die gelben Text-"Sticker" sollte möglichst unscheinbar sein, irgendwie unsichtbar, nicht gegen die Hauptschrift anstinken wollen. So hatte ich endlich eine Ausrede, mit die CourierSans von Lineto zu kaufen, die technisch zwar nicht sehr up to date ist (noch Type1, kein OTF), aber die sehr schön ist und deren Pfeile dann auch sehr schön zu den Pfeilen in der Galaxie passten, die wir überall im Buch verwendet haben, um in den Fließtexten zu markieren, wo eigentlich mal Absätze waren, die wir alle herausgenommen hatten, um Platz zu sparen.


Was rätst Du Studenten und jungen Kreativen?

Studiert was anderes :-D. Ganz ernsthaft - es gibt sehr sehr viele Designstudenten, gott weiß warum. Es ist ein Job, der ziemlich tough sein kann, dessen Alltag den in den Unis gepflegten Ansatzes des "kreativen Austobens" nicht gerecht wird, in Wirklichkeit ist es ein hartes Handwerk, das präzises Wissen, Kreativität und auch noch ein solides Wissen von BWL und Soziologie verlangt und gnadenlos auf lebenslanges Lernen, extreme Arbeitszeiten und - so sehe ich das zumindest - eine Karriere, in deren Verlauf man immer wieder vor Jurys stehen muss, hinausläuft. Es ist nicht Kunst, es ist nicht soft, es ist nicht dankbar, es ist keine Weltverbesserungssache. Ich liebe diesen Job, aber ich habs auch nie studiert, er ist einfach so zu mir gekommen und weigert sich, wegzugehen :-D. Tatsache ist, Designer zu sein ist ein toller Job, aber wie so viele Studenten in anderen Bereichen werden die Leute kaum auf die Realität vorbereitet. Ich meine, ein Beispiel: An den Unis lernt man immer noch Plakatdesign.

Bei 100 beste Plakate hast du doch inzwischen fast nur noch Plakate, die aus den Unis kommen, im weiteren Sinne. Sollte einem das nicht zu denken geben, wenn so ein Medium anscheinend kaum noch in der Realität genutzt wird? in 50 Jahren wird es Plakate nicht mehr geben, von anderen Printmedien ganz zu schweigen. Wer heute von der Uni geht, hat noch 40 oder 50 Jahre im Beruf vor sich - und das ist heute doch ewig lange. Print wie wir es heute kennen, Web wie wir es heute kennen, wird es nicht mehr geben. Design müsste von den Studenten und ihren Professoren komplett umgedacht werden, redefiniert, mutiger gemacht werden.

Denn die Aussicht, dass die Jobs in unserem Metier weniger und weniger bezahlt werden, kann ja auch sehr befreiend sein. Vor dem Hintergrund, dass demnächst pro Semester zighunderte Bachelors auf den Markt drängen und "Kommunikationsdesigner" sind - nach sechs Semestern, also gerade mal einer Art Ausbildung - mag ich über den Konkurrenzdruck und Preiskrieg gar nicht nachdenken. Wer in Zukunft Design studiert, sollte verdammt entschlossen sein, verdammt gut, verdammt brennen für das was er tut. Ansonsten: Landschaftsgärtnerei oder Sozialpädagogik anstreben. Wenn Studenten im 5. Semester RGB und CMYK nicht unterscheiden können oder ihre Ideen bei FFFFound kopieren - was soll das? Wieso Designer werden, wenn du doch nichts zu sagen hast? So viele Leute machen heute nur Oberfläche, Styling, nette Visuals, aber im Grunde haben sie keine Story zu erzählen. Das ist wie diese Hollywood-Blockbuster, kein Plot, aber jede Menge Explosionen. Positiv ausgedrückt: Der Designmarkt wird in Zukunft härter, aber auch bunter, offener, vielleicht auch mal wieder kreativer, wer weiß. Es wird eher sein, als wärst du ein Autor oder ein Sänger (oder eine Band). Mehr wie die Pomusik-Branche. Auch die Vorstellung von Musikkonsumenten, dass Musik gefälligst gratis sein sollte, passt dazu... das denken unsere Designkunden langsam ja auch, wenn ich mir das so ansehe :D. Für Studenten heißt das: Nur noch einer von 1000 wird ein Star, macht Geld, der Rest geht sowieso unter. Und wie in der Musik bedeutet das: Mehr brennen, mehr in den Proberaum, besser werden, und vor allem: Songs schreiben, die für immer und ewig sind, kein One-Hit-Wonder sein. Design sollte man also nur studieren, wenn man nicht anders kann, wenn etwas in dir geil darauf ist, das zu machen. Wenn du dich in die Vorlesungen schleppen musst, wenn du über Aufgaben stöhnst, die dir nicht in den Kram passen, wenn du arrogant wirst, wenn sich eine Sache klein anfühlt, wenn du zickig wirst, wenn eine Sache sich schwierig anfühlt und plötzlich nicht Sesamstraße, sondern Arbeit wird... wenn du also nur Designer spielen willst bist - get out while you can. Und das mein ich gar nicht böse. Aber Design ist - ich glaub, es liegt an GZSZ oder so - so ein Traumberuf, den viele studieren, um Designer zu sein, nicht um wirklich zu gestalten. Das endet mit bösen Enttäuschungen. Man sollte sich da, wie vor jedem Studium, einfach mal ein bisschen in die Uni setzen und sich ausprobieren. Aber wenn du für Design brennst und deine eigene Stimme hast, wenn du deinen Song hast - grandios. Dann kann dich eh nichts stoppen und du kannst deine Professoren herausfordern, kannst arbeiten, kannst dich austoben und wirst deine Umwelt in Brand setzen. Und so solls ja sein. Dazu gehört natürlich auch, dass die FHs mehr Leute aus der Praxis in die Professorensessel setzen, mehr experimentieren, viel viel härter benoten, den BA/MA bitte wieder abschaffen, und die Dozenten bitte endlos gelangweilt und böse werden, wenn Studenten Jahr um Jahr im Grunde die gleichen Diplome abzuliefern scheinen - die FHs müssen härter werden, fordernder, spannender. Da passieren viele extrem gute Dinge - vor allem auch direkt von den engagierten und oft ja großartigen Studenten ausgehend, die selbst die Sache in die Hand nehmen (wie sich das gehört) -, aber ich glaube mehr und mehr, dass nicht die FH oder das Studium dich zu einem Menschen machen, der eben auch ein guter Designer ist, das warst du in der Regel einfach schon vorher. Wie bei allen Dingen im Leben: Mach das, was du liebst, mit voller Leidenschaft, und dann wird das schon rocken. Ah, das klingt jetzt aber arg nach Klischee, oder? Aber so sieht die Sache aus. Design ist ein Job, für Leute, die was geben wollen. Aber zur Not kann man ja auch immer noch in die Werbung gehen :-D.