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Lektüre für Nichtleser PDF

Von Michael Bukowski

Anwendungsgebiete

Zum Lesen in Meetings, in Bahnen, Bussen, Flugzeugen, auf dem Klo, im Bett, in der Warteschlange, bei langweiligem Sex, auf der Tanzfläche, anstelle von Smalltalks ... Lesen Sie hier Auszüge aus Band 8 und 9 der Lektüre für Nichtleser.

Die Hauptdarsteller


Grabowski:
Der Mann, der länger am Tresen sitzt, als dieser lang ist; leidet unter der manisch Zwangsvorstellung, daß er für diese Publikation hier verantwortlich wäre.
Long Dong Copy:
Werbetexter, um dessen Slogan-Länge sich Gerüchte ranken.
Charming Heinz:
Fachwirt für schlechte Laune, Mitglied im Verband der deutschen Fachwirte fürschlechte Laune e.V. und seit Band 5 Grimm-Preisträger.
Pistolen-Pete:
Der Typ mit den zwei Handys am Gürtel.
Eisi Verspeisi:
Chefpraktikantin mit erheblichem Appetit auf Speiseeis.

Die Agentur

Auweier Unhold & Partner Werbeagentur

Ausgerechnet der Texter

Zur Abwechslung sitzen alle mal entspannt beisammen (bis auf Eisi, die muß Ablage machen), ohne sich groß um das Prosperieren der Werbeagentur Auweier Unhold & Partner zu kümmern. Long Dong Copy erzählt eine pikante Geschichte, die er kürzlich mit Eisi Verspeisi erlebt hat.

Long Dong Copy:
Na ja, und ick dann so ...
Grabowski:
Echt!?
Long Dong Copy:
Genau. Und dann sie so ...
Charming Heinz:
Hammer! Mit Licht an?
Long Dong Copy:
Na klar. Und dann icke so ...
Pistolen-Pete:
Und dann?
Long Dong Copy:
öhm ...
Charming Heinz:
Ja, was war denn dann? Mach's doch nicht so spannend!
Long Dong Copy:
Oha, auweia!
Grabowski:
Jetzt sag schon. Wir wollen das wissen.
Long Dong Copy:
Verdammt. Ich hab meinen Text vergessen!
Pistolen-Pete:
Text vergessen?
Charming Heinz:
Ausgerechnet unser Texter vergißt seinen Text. Na toll!
Pistolen-Pete:
Gibt's das denn überhaupt in Büchern? Ich dachte immer, das passiert nur, wenn Filme gedreht werden am Set und so, oder im Theater.
Grabowski:
Passiert anscheinend auch in Büchern. Jedenfalls in diesem hier.
Long Dong Copy:
Tut mir Leid, Leute.
Grabowski:
Schon peinlich auf ne Art.

Wie, Zahlen?

Long Dong Copy ging eines Tages mal à la Grabowski in ein Café, um das eine oder andere Getränk zu trinken. Das war ganz nett. Eigenartig wurde es nur, als er wieder gehen wollte. Plötzlich war seitens des Kellners entschieden von "Zahlen" die Rede. Long Dong Copy hielt eine kurze Klärung für angeraten:

Long Dong Copy:
Sorry, aber Zahlen kann ich nicht. Ich kann nur Buchstaben. Bin Texter.

Deutschlands ungeliebte Klimaschützer

Eines anderen Tages betrieb Grabowski ein wenig Mediennutzung in Form von Zeitungslektüre, während der er eine interessante Entdeckung entdeckte, wie er fand. Er betrachtete eineWerbeanzeige vom "Informationskreis KernEnergie", auf der eine idyllische Wald-, Wiesen- undSeenlandschaft mit einem Atomkraftwerk im Hintergrund abgebildet war. Darüber war alsüberschrift zu lesen: "Deutschlands ungeliebte Klimaschützer". Und in den Zeilen unter derüberschrift erfuhr man dann: "Kernkraftwerk Isar. Jahreserzeugung: 19 Mrd. kWh. CO2Ausstoß: Null." Grabowski war begeistert. Müßte man doch gleich mal einen satten Sonderetat akquirieren, dachte er. Dafür hatte er nämlich im Moment die passende Idee, die er kurz konzeptionellkurzerhand rund klopfte und dann mit Long Dong Copy besprach.

Den Kern seiner Idee beschrieb Grabowski ungefähr so: Was die Atom-Lobby kann, kann ichschon lange. Bzw. in diesem Fall die Automobil-Industrie, die ich für meine Idee begeisternmöchte. Im Mittelpunkt steht dabei nämlich ein Anzeigenmotiv, das ein Auto in eineridyllischen Landschaft zeigt. In der überschrift steht geschrieben: "Deutschlands ungeliebteKlimaschützer". Und darunter steht dann der Text: "Automobiler Individualverkehr: 19 Mrd. Kilometer pro Jahr. Radioaktiver Atommüllausstoß: Null."

Long Dong Copy war schwer angetan von der Idee und nicht zuletzt von der Länge der über- undUnterüberschriften. Er wollte das umgehend austexten, so daß man mit der Akquise beim "Informations KreisAuto" vorstellig werden oder diesen gleich gründen könnte, falls es ihnnoch nicht geben sollte. Und selbst wenn das nicht fruchten sollte: Die Logik der Anzeigenidee ist so bestechend, daßman sie auch noch für ganz andere Bereiche anwenden kann.

Texten üben

Long Dong Copy unterrichtet Eisi Verspeisi neuerdings im Werbetexten. Sie üben gerade fleißig.

Long Dong Copy:
Also, Eisi, wichtig ist, daß Slogans, Claims und Headlines möglichst lang sein müssen. Du wirst Dich vielleicht wundern, daß alle das Gegenteil behaupten. Werbetexte sollen immer so kurz wie möglich sein, sagen die Leute. Aber das ist natürlich nichts als unprofessioneller Mainstream.

Wenig später sitzt Eisi Verspeisi zuhause in der Badewanne, läßt Wasser einlaufen und beobachtet dabei den sich drehenden Zeiger auf der Wasseruhr. Spannend! Im Hinterkopf läßt sie die Unterrichtseinheiten im Werbetext mit Long Dong Copy Revue passieren. Dabei hat sie plötzlich eine Headline-Idee, die sie wenig später ihrem Lehrmeister präsentiert.

Eisi Verspeisi:
Ich glaub, ich hab einen, Chef: "Ihr Partner, wo der Hase im Pfeffer liegt."
Long Dong Copy:
Hm ja, noch etwas kurz, aber schon recht kreativ. Nicht schlecht, Eisi. Ich glaube, Du hast Talent.

Hanni & Nanni

Grabowski hat Long Dong Copy und Charming Heinz zum Benchmark-Kick-Off-Meeting geladen - und zwar genregerecht, bzw. milieugemäß im Café Wirelässig. Charming Heinz kommt zu spät, aber er kommt:

Charming Heinz:
Oh je, habe mein Mac-Notebook vergessen. Aber ich sehe, Ihr habt ja fünf Stück davon vor Euch auf dem Tisch. Kann ich eins abhaben?
Long Dong Copy:
Nee, sorry, die brauchen wir echt.
Grabowski:
So ein Macbookvergesser! Aber warte, ich hab noch zwei in Reserve dabei, hier nimm die ruhig.
Long Dong Copy:
Drei Leute mit sieben Apple-Klapprechnern im Café Wirelässig ... ist aber auch Unterkante, oder? Also weniger dürften es nicht sein, stimmt's?
Grabowski:
Genau, aber paßt schon. Und jetzt entschuldigt mich bitte einen Moment. Muß mal eben kurz ein Projekt konzipieren gehen.
Long Dong Copy:
Ist schon klar nach den vielen Latte Macciatos. Habe übrigens neulich einen Altwerber kennengelernt, der einen "Latte Mazziato" bestellen wollte. Hat die Kellnerin nicht verstanden.
Charming Heinz:
Wow, Wording noch von vor'm Mauerfall. Was für ein Späti! Aber wie gesagt, jetzt entschuldigte sich Grabowski, da er mal eben ein "Projekt ankonzipieren" mußte, wie er das nannte.
Long Dong Copy:
Machst Du das bitte mit Händewaschen? Danke.

Na wie auch immer. Das geht normalerweise recht fix. Heute aber war Grabowski nach zwanzig Minuten noch nicht wieder zurück. Charming Heinz und Long Dong Copy zogen schon in Erwägung, die Polizei zu rufen. Bevor sie das taten, kam einer der beiden auf die Idee, einfach mal nachzuschauen, was da wohl los war auf dem Klo. Prompt taten sie genau dies und die Lösung war simpel: Auf der Toilette im Café Wirelässig lief ein Hörbuch von Hanni & Nanni.

Headline von Long Dong?

Aber zu diesem Zeitpunkt hingen Grabowski und Long Dong Copy längst in der U-Bahn ab. Grabowski fällt ein Werbe-Plakat ins Auge mit der Überschrift "Artik Kaçirmak Yok!".

Grabowski:
Wow, geile Headline. Ist die von Dir, Long Dong?
Long Dong Copy:
Leider nicht.
Grabowski:
Logisch, wäre ja auch etwas kurz für Deine Verhältnisse. Aber sauber auf'n Punkt getextet.
Long Dong Copy:
Finde ich auch.

Noch ein wenig spätiger in der U-Bahn. Grabowski liest im "Berliner Fenster"-U-Bahn- Fernsehen: "Bei der Explosion eines Rentners in Rudow starb ein Mietshaus."

Grabowski:
Schon wieder eine schicke Headline. Diesmal von Dir, Long Dong?
Long Dong Copy:
Leider auch nicht.
Grabowski:
Was textest Du eigentlich den ganzen Tag, wenn die Headlines hier alle nicht von Dir sind?
Long Dong Copy:
Na andere Headlines, nicht irgendwelche halt. Also solche, die eben nicht überall in der Gegend rumstehen und für alle und jeden zu sehen sind.
Grabowski:
Verstehe.

Und so verging dann der Abend recht kurzweilig ...

... bis Grabowski plötzlich eine Frau sah, die ihm gefiel. Aber daraus konnte leider nichts werden; aus einem einfachen Grund, den er der Frau auch ohne Umschweife übermittelte.

Grabowski:
Sorry, aber zu mir geht echt nicht. Ist mir peinlich, aber meine Wohnung ist gerade total sauber und aufgeräumt. Ich möchte nicht, daß Du einen falschen Eindruck von mir bekommst.

Dafür hatte die Frau natürlich vollstes Verständnis und sie ließ sich davon abbringen, mit nach Hause zu Grabowski zu gehen.

Das kleine Texter-Latinum

Long Dong Copy und seine Auszubildende Eisi Verspeisi sitzen in der Gaststätte Oberholz. Sieüben gerade das kleine Texter-ABC.

Über die Lektüre für Nichtleser

Seit 2005 erscheint halbjährlich ein gedruckter Band der Lektüre für Nichtleser im praktischenDIN A6-Format. Die Hefte sind seitdem keinesfalls im Buchhandel, sondern nur im Internet und bei wenigen ausgewählten Locations in Berlin erhältlich: zum Beispiel beim Bio-Fleischer, inder Gaststätte St. Oberholz und anderen Cafés oder auch mal in Schuhläden. Trotz massiver und flächendeckender Unterlassung jeglicher Marketing- oder Presse-Aktionen finden die Bücher ein stetig wachsendes Publikum. Seit dem Jahr 2009 erscheint die Lektüre für Nichtleser in der St. Oberholz Verlagsanstalt (sanktoberholz.de).

Mobiles Nichtlesen mit iPhone / iPod Touch

Bereits im Sommer 2006 publizierte Michael Bukowski als Deutschlands erster Handybuchautordie Lektüre für Handys. Das hat nicht funktioniert: Die Bildschirme der damaligen Geräte warenzu klein und der Download-Prozess erwies sich als zu kompliziert. Mit iPhone / iPod Touchsteht jetzt die perfekte Umgebung zur Verfügung. Und umgekehrt stellt die Lektüre für Nichtleser mit ihren Super-Kurz-Geschichten das ideale Format für's Lesevergnügen mit demiPhone / iPod Touch. "Nichtleser 1" ist jetzt im App Store erhältlich.

Der Autor

Michael Bukowski kommt aus und lebt in Berlin. Seine Reputation, sein Musikgeschmack und seinSchnauzbart sind in jeder Hinsicht als vorbildlichzu bezeichnen. Davon abgesehen arbeitet er alsfreier Texter in den Bereichen Werbung, Wirtschaft und Politik; fällt ansonsten aber nicht weiter störend auf.

Erhältlich bei lektuere-fuer-nichtleser.de

Die Lektüre für Nichtleser ist bundesweit nicht erhältlich außer im Internet bei www.lektuere-fuer-nichtleser.de oder im gut sortierten Berliner und demnächst auch Hamburger Fachhandel (sieheWebsite).

In Buchform bisher erschienen