Lektüre für Nichtleser
Von Michael Bukowski
Anwendungsgebiete
Zum Lesen in Meetings, in Bahnen, Bussen, Flugzeugen, auf dem Klo, im Bett, in der Warteschlange, bei langweiligem Sex, auf der Tanzfläche, anstelle von Smalltalks ... Lesen Sie
hier Auszüge aus Band 8 und 9 der Lektüre für Nichtleser.
Die Hauptdarsteller
Die Agentur
Auweier Unhold & Partner Werbeagentur
Ausgerechnet der Texter
Zur Abwechslung sitzen alle mal entspannt beisammen (bis auf Eisi, die muß Ablage machen),
ohne sich groß um das Prosperieren der Werbeagentur Auweier Unhold & Partner zu kümmern.
Long Dong Copy erzählt eine pikante Geschichte, die er kürzlich mit Eisi Verspeisi erlebt hat.
Wie, Zahlen?
Long Dong Copy ging eines Tages mal à la Grabowski in ein Café, um das eine oder andere
Getränk zu trinken. Das war ganz nett. Eigenartig wurde es nur, als er wieder gehen wollte.
Plötzlich war seitens des Kellners entschieden von "Zahlen" die Rede. Long Dong Copy hielt
eine kurze Klärung für angeraten:
Deutschlands ungeliebte Klimaschützer
Eines anderen Tages betrieb Grabowski ein wenig Mediennutzung in Form von Zeitungslektüre,
während der er eine interessante Entdeckung entdeckte, wie er fand. Er betrachtete eineWerbeanzeige vom "Informationskreis KernEnergie", auf der eine idyllische Wald-, Wiesen- undSeenlandschaft mit einem Atomkraftwerk im Hintergrund abgebildet war. Darüber war alsüberschrift zu lesen: "Deutschlands ungeliebte Klimaschützer". Und in den Zeilen unter derüberschrift erfuhr man dann: "Kernkraftwerk Isar. Jahreserzeugung: 19 Mrd. kWh. CO2Ausstoß:
Null." Grabowski war begeistert. Müßte man doch gleich mal einen satten Sonderetat akquirieren,
dachte er. Dafür hatte er nämlich im Moment die passende Idee, die er kurz konzeptionellkurzerhand rund klopfte und dann mit Long Dong Copy besprach.
Den Kern seiner Idee beschrieb Grabowski ungefähr so: Was die Atom-Lobby kann, kann ichschon lange. Bzw. in diesem Fall die Automobil-Industrie, die ich für meine Idee begeisternmöchte. Im Mittelpunkt steht dabei nämlich ein Anzeigenmotiv, das ein Auto in eineridyllischen Landschaft zeigt. In der überschrift steht geschrieben: "Deutschlands ungeliebteKlimaschützer". Und darunter steht dann der Text: "Automobiler Individualverkehr: 19 Mrd. Kilometer pro Jahr. Radioaktiver Atommüllausstoß: Null."
Long Dong Copy war schwer angetan von der Idee und nicht zuletzt von der Länge der über- undUnterüberschriften. Er wollte das umgehend austexten, so daß man mit der Akquise beim
"Informations KreisAuto" vorstellig werden oder diesen gleich gründen könnte, falls es ihnnoch nicht geben sollte. Und selbst wenn das nicht fruchten sollte: Die Logik der Anzeigenidee ist so bestechend, daßman sie auch noch für ganz andere Bereiche anwenden kann.
Texten üben
Long Dong Copy unterrichtet Eisi Verspeisi neuerdings im Werbetexten. Sie üben gerade fleißig.
Wenig später sitzt Eisi Verspeisi zuhause in der Badewanne, läßt Wasser einlaufen und
beobachtet dabei den sich drehenden Zeiger auf der Wasseruhr. Spannend!
Im Hinterkopf läßt sie die Unterrichtseinheiten im Werbetext mit Long Dong Copy Revue
passieren. Dabei hat sie plötzlich eine Headline-Idee, die sie wenig später ihrem Lehrmeister
präsentiert.
Hanni & Nanni
Grabowski hat Long Dong Copy und Charming Heinz zum Benchmark-Kick-Off-Meeting
geladen - und zwar genregerecht, bzw. milieugemäß im Café Wirelässig. Charming Heinz kommt zu spät, aber er kommt:
Na wie auch immer. Das geht normalerweise recht fix. Heute aber war Grabowski nach zwanzig
Minuten noch nicht wieder zurück. Charming Heinz und Long Dong Copy zogen schon in
Erwägung, die Polizei zu rufen. Bevor sie das taten, kam einer der beiden auf die Idee, einfach
mal nachzuschauen, was da wohl los war auf dem Klo. Prompt taten sie genau dies und die
Lösung war simpel: Auf der Toilette im Café Wirelässig lief ein Hörbuch von Hanni & Nanni.
Headline von Long Dong?
Aber zu diesem Zeitpunkt hingen Grabowski und Long Dong Copy längst in der U-Bahn ab.
Grabowski fällt ein Werbe-Plakat ins Auge mit der Überschrift "Artik Kaçirmak Yok!".
Noch ein wenig spätiger in der U-Bahn. Grabowski liest im "Berliner Fenster"-U-Bahn-
Fernsehen: "Bei der Explosion eines Rentners in Rudow starb ein Mietshaus."
Und so verging dann der Abend recht kurzweilig ...
... bis Grabowski plötzlich eine Frau sah, die ihm gefiel. Aber daraus konnte leider nichts werden;
aus einem einfachen Grund, den er der Frau auch ohne Umschweife übermittelte.
Dafür hatte die Frau natürlich vollstes Verständnis und sie ließ sich davon abbringen, mit nach Hause zu Grabowski zu gehen.
Das kleine Texter-Latinum
Long Dong Copy und seine Auszubildende Eisi Verspeisi sitzen in der Gaststätte Oberholz. Sieüben gerade das kleine Texter-ABC.
- Also, Eisi. Wichtig sind - abgesehen von schön langen Headlines und möglichst unklaren Botschaften - Aussagen, die wir Werbeprofis und alte Texterhäschen "aktivierend" nennen. Um
so richtig schön zu aktivieren, gehen wir jetzt noch mal ganz aktiv die Imperative durch.
- Menno, die hatten wir doch gestern schon.
- Ja, aber die sitzen noch nicht richtig. Das klingt mir alles noch zu passiv bei Dir. Dennbedenke, junger Padawan, den Spruch der alten Meister, der da lautet: "Dezenz ist Schwäche".
- Ich mag die Imperative aber nicht, Meister.
- Wird Sie jetzt wohl sofort hinne machen, junge Frau!
- Du kannst aber aktivierend reden, Meister!
- Genau. Und jetzt los: Also "Ergatter ...".
- Ergatter Dir! Hol Dir! Besorg Dir!
- Sehr schön. Und gleich weiter mit den magischen Spar-Sprüchen.
- Och nee, die nicht auch noch.
- Wirst Du wohl!
- Sparen Sie jetzt bis zu x%! Sparen Sie doppelt und dreifach! Sparen Sie sich ... ähm ... denSchrott?
- Na, letzteres wohl kaum, Madame.
- Sparen Sie sich ... dumm und dusselig?
- Es geht doch!
- Krieg ich jetzt ein Eis.
- Na klar, ergatter Dir eins!
Und nach einer kleinen Pause mit lecker Eis begann auch schon der zweite Teil der heutigenUnterrichtseinheit. Als Hausaufgabe hatte sich Eisi eine Headline zur Bewerbung einesDuftbäumchen auszudenken gehabt geworden gewesen oder so ... Sie wissen schon.
- So, Eisi. Was hast Du Dir für unseren Duftbäumchenanbieter ausgedacht?
- "Einfach erfrischend".
- Viel zu kurz, aber schön. Und wie schreibst Du "erfrischend"?
- Hä? Na, wie soll ich das denn wohl schreiben? Also "E, R, F ..."
- Falsch! Ganz falsch! Meine Güte. Wir haben doch das kleine Wortspiel-Latein oft genug geübt,
Eisi. "Erfrischend" mit E,R ... das ist altdeutsches Literatur-Wording, aber nicht Werbetext. Wirhatten doch zig Mal die Werbeklassiker durchgekaut.
- Ach ja, die Klassiker, ich vergaß. Sorry, Chef.
- Also, wie schreiben wir das jetzt?
- A, I, R und so weiter, also "airfrischend".
- Richtig. Und jetzt gleich noch mal die heiligen drei Erlebnis-Versprechen! Entde ...
- Entdecke! Erlebe! Genieße!
- Na geht doch. Das reicht für heute. Jetzt muß ich mich erst mal airfrischen, am besten frisch ranan die Tastatur und lecker was wegtexten, hurra!
- Toll, wie motiviert Sie sind, Meister!
- Genau. Aber nun ist's genug für heute. Nächste Woche pauken wir das Gewinnspiel-Phrasen-
ABC.
- Auweia.
Über die Lektüre für Nichtleser
Seit 2005 erscheint halbjährlich ein gedruckter Band der Lektüre für Nichtleser im praktischenDIN A6-Format. Die Hefte sind seitdem keinesfalls im Buchhandel, sondern nur im Internet und bei wenigen ausgewählten Locations in Berlin erhältlich: zum Beispiel beim Bio-Fleischer, inder Gaststätte St. Oberholz und anderen Cafés oder auch mal in Schuhläden. Trotz massiver und flächendeckender Unterlassung jeglicher Marketing- oder Presse-Aktionen finden die Bücher ein stetig wachsendes Publikum. Seit dem Jahr 2009 erscheint die Lektüre für Nichtleser in der St. Oberholz Verlagsanstalt (sanktoberholz.de).
Mobiles Nichtlesen mit iPhone / iPod Touch
Bereits im Sommer 2006 publizierte Michael Bukowski als Deutschlands erster Handybuchautordie Lektüre für Handys. Das hat nicht funktioniert: Die Bildschirme der damaligen Geräte warenzu klein und der Download-Prozess erwies sich als zu kompliziert. Mit iPhone / iPod Touchsteht jetzt die perfekte Umgebung zur Verfügung. Und umgekehrt stellt die Lektüre für Nichtleser mit ihren Super-Kurz-Geschichten das ideale Format für's Lesevergnügen mit demiPhone / iPod Touch. "Nichtleser 1" ist jetzt im App Store erhältlich.
Der Autor
Michael Bukowski kommt aus und lebt in Berlin. Seine Reputation, sein Musikgeschmack und seinSchnauzbart sind in jeder Hinsicht als vorbildlichzu bezeichnen. Davon abgesehen arbeitet er alsfreier Texter in den Bereichen Werbung, Wirtschaft und Politik; fällt ansonsten aber nicht weiter
störend auf.
Erhältlich bei lektuere-fuer-nichtleser.de
Die Lektüre für Nichtleser ist bundesweit nicht erhältlich außer im Internet bei www.lektuere-fuer-nichtleser.de oder im gut sortierten Berliner und demnächst auch Hamburger Fachhandel (sieheWebsite).
In Buchform bisher erschienen
- Band 1: "Brain up, Deutschland!", Oktober 2005
- Band 2: "Frau Glaube versetzt Herrn Berge", Januar 2006
- Band 3: Ohne Titel, Juni 2006
- Band 4: "Andere haben's auch nicht leicht", Dezember 2006
- Band 5: "Rolle vorwärts Sport", Juni 2007
- Band 6: "Irgendwie schon auf ne Art", Dezember 2007
- Band 7: "Allein unter Umständen", Juli 2008
- Band 8: "So wird's ein Bestseller", folgt im Juni 2009