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What The Hell Are Converging Technologies?

Ausschnitte aus der Diplomarbeit von Bernadette Boebel

Genetische Diagnostik, Synthetische Biologie und Nanomaterialien lösen kontroverse Diskussionen aus. Kritiker monieren, der Mensch spiele Gott und schöpfe nach seinen Möglichkeiten ohne Rücksicht auf Verluste eigens kreierte und manipulierte Organismen aus dem riesigen Pool der Wissenschaft. Befürworter sehen in diesen Technologien einen Weg zu einem angenehmeren, erfüllteren Leben, bei dem bisherige Einschränkungen durch unausgewogene Ernährung, Krankheit oder einen frühen Tod wegoptimiert werden. Das Gesamtbild bleibt ambivalent, schürt Ängste und Hoffnungen gleichermaßen.

Tatsächlich sind die vergangenen beiden Jahrzehnte durch die beschleunigte Verbreitung wissenschaftlicher Erkenntnisse gekennzeichnet, befeuert durch die flächendeckenden Kommunikationsmöglichkeiten von Internet und Mobilfunk — und deren Ausdehnung auf neue Anwendungsgebiete. Diese Vernetzung ermöglichte in verschiedenen Gebieten grundlegende Fortschritte, die zuvor nicht denkbar gewesen wären.

Die Entwicklung wird in den einzelnen Bereichen von Spezialisten vorangetrieben, die ehemals getrennte Disziplinen wie Physik, Chemie, Biologie und Medizin in neuartigen Technologien zusammenführen. Man spricht dabei von konvergenten Technologien (engl. »converging technologies«). Dazu zählt unter anderem die zunehmende Technisierung der Lebenswelt mit fortschrittlichen Diagnosemethoden und neuen Kombinationen von belebter und unbelebter Materie, von organischen und anorganischen Materialien: Etwa künstliche Organismen, synthetische Implantate, intelligente Prothesen oder Bakterien als Datenträger für Informationstechnologien. Ein technischer Laie fühlt sich normalerweise überfordert, er verliert den Überblick und ist nicht mehr in der Lage, die Zusammenhänge zu verstehen.
Neue Technologien werden dann akzeptiert, wenn sie menschliche Bedürfnisse befriedigen und von individuellem Nutzen im alltäglichen Gebrauch erscheinen (Kommunikations- und Unterhaltungselektronik) oder dem persönlichen Wohlbefinden (gesunde Ernährung, Kosmetik, Fitness und Wellness) und der Behandlung von Krankheiten dienen. Andere Technologien werden dagegen aus Furcht vor tatsächlichen oder vermeintlichen Gefahren abgelehnt.
Im Folgenden befasse ich mich mit Aspekten neuer Technologien aus den Bereichen Genetischer Diagnostik, Tissue Engeneering, Synthetischer Biologie, Nanotechnik und der Anthropomatik. Als thematischen Einstieg habe ich die Eröffnungsrede des Kongresses »Size Matters« zur Nanotechnologie, der 2011 in Saarbrücken stattfand, ausgewählt.
Anschließend stelle ich verschiedene fiktive Objekte aus den genannten Bereichen vor, die teilweise bereits bestehende Anwendungen aufgreifen, allerdings rein spekulative Science Fiction darstellen. Experten aus den Gebieten Philosophie, Theologie, Biologie, Medizin und Technik habe ich in Interviews um Stellungnahme zu meinen Objekten gebeten, die in einem eigenen Kapitel wiedergegeben werden.

1. Objekt
Fiktives Objekt – Prebirth Life Preview

Selfness — Wellness im erweiterten Sinn

Unzählige Produkte bieten Verbesserungen für Körper und Geist. Die neusten Errungenschaften der Zivilisation sollen nun auch der Seele zugute kommen.
 Die Prebirth Life Preview verhilft werdenden Eltern einen Einblick in das zukünftige Leben ihres noch ungeborenen Kindes zu be­ kommen. Das Gerät sagt Geschlecht, Aussehen, Krankheiten, Suchtpotential und Lebenserwartung des Ungeborenen voraus. Die zuverlässige Diagnostik bietet dem Paar eine fundierte Entscheidungsgrundlage für den weiteren Verlauf der Schwangerschaft. So bleiben den potenziellen Eltern spätere Belastungen, Enttäuschungen und unnötige Stresssituationen erspart. Das verbessert die Lebensqualität maßgeblich und ermöglicht ein sorgenfreies Leben.

Schon wenige Tage nach der Befruchtung befindet sich DNA des Feten in ausreichender Menge im Mutterblut und kann von der Prebirth Life Preview herausgefiltert werden. Zur Blutentnahme legt die Schwangere einen Finger auf ein Soft­Pad am äußeren Rand. Der Impuls aktiviert eine feine Nadel, die nun kaum spürbar die erforderliche Menge Blut entnimmt. Anschließend beginnt der integrierte Mikrochip mit der Analyse und dekodiert in wenigen Sekunden die Erbmoleküle des ungeborenen Kindes. Mit einer Wahrscheinlichkeit von nahezu 100 Prozent wird die Vorhersage berechnet und auf dem Display angezeigt. Das Ergebnis lässt sich speichern und wiederholt abrufen. Auch ein Upload auf gängige Social­Network­Platformen ist möglich.

Reale Grundlagen

Pränatale Diagnostik 2.0

Ein neu entwickelter nicht­invasiver Diagnostiktest weist bei Föten noch vor der 15.Schwangerschaftswoche zuverlässig eine Trisomie 21 (Down Syndrom) nach. Er basiert auf der Analyse zellfreier fetaler DNA, die aus dem mütterlichen Blut gewonnen wird. Zukünftig sollen auch andere Trisomien, etwa die Trisomie 13 und 18, diagnostiziert werden können.
 Der Test nutzt die Tatsache, dass sich genetische Informationen über das Ungeborene bereits wenige Wochen nach der Befruch­tung im Blutkreislauf der Mutter befinden. Aktuelle Dechiffriermaschinen können darin das zerstückelte Erbmaterial, das in vielen kleinen Fragmenten im Mutterblut schwimmt, ausfindig machen und verarbeiten. Für die Untersuchung sind ca.10 ml Blut der Mutter nötig. Die Auswertung der Analyse benötigt drei Tage.

Wie werde ich aussehen?

Verschiedene Computerprogramme berechnen anhand des Fotos einer Person, wie sich deren Physiognomie im weiteren Leben ändern wird. Auch eine mögliche Gewichtszunahme lässt sich dabei simulieren. Einige Programme zeigen auch, wie stark sich Rauchen oder intensive Sonnenstrahlung auf die Alterung der Haut auswirken. Zum Vergleich können diese Faktoren bei der Berechnung wahlweise ein­ und ausgeschaltet werden.

2. Objekt
Fiktives Objekt – Homegrowing Meat

Selfmade — natürlich Selbstgemacht

Gesunde umweltbewusste Ernährung gilt jedem als erstrebenswert. Das langsame Wachsen und Reifen des In­Vitro­Fleischs garantiert dabei höchsten Genuss. Mit dem Homegrowing Meat kann bekömmliches Muskelfleisch ganz leicht selbst kultiviert werden.

Die Grundausstattung für die Zucht zu Hause besteht aus Pflanzschale mit Wachstum förderndem Lamellen­Skelett, steriler Abdeckung gegen Schmutz und Ungeziefer, universeller Nährlösung, Muskel­Stimulations­Stick zur individuellen Regulation der Muskelfestigkeit sowie je einem Päckchen Stammzellen für Rind­, Lamm­ und Schweinefleisch.

Reale Grundlagen

Künstliches Fleisch

Weltweit wird in Labors an In­Vitro­Fleisch geforscht. Niederländischen Forschern ist es 2010 gelungen, aus Stammzellen eine größere Menge Muskelgewebe zu züchten; noch sind die Lagen sehr dünn und benötigen ein Gerüst, an dem sie wachsen. Den Wissenschaftlern ist es auch gelungen, die Nährlösung für das künstliche Muskelfleisch aus genetisch veränderten Pflanzen zu gewinnen, die tierische Proteine produzieren — das wäre auch mit Algen realisierbar. Die Verfahren zur Herstellung des In­Vitro­Fleischs sind allerdings noch aufwändig und teuer.
Nach aktuellem Stand der Technik muss In­Vitro­Fleisch bei 37,5 Grad in Quarantäne gedeihen. Bestimmte Katalysatoren ermöglichen, den Ablauf der entsprechenden Reaktionen allerdings auch bei Umgebungstemperatur.

Organe aus dem Labor

Stammzellen sind Körperzellen, die sich in verschiedene Zelltypen ausdifferenzieren können. Sie enthalten prinzipiell alle notwedigen Informationen, um ein Organ auszubilden. Das umliegende Gewebe, die Haut und Knochen helfen den Zellen, sich zu orientieren. Werden Gewebe im Labor gezüchtet gibt es diese Umgebung nicht.
Japanischen Forschern gelang es mittlerweile, Stammzellen von Mäusen selbsttätig im Bioreaktor zu einem sehfähigen Augenbecher heranwachsen zu lassen. Dazu legten sie ihre Stammzellkulturen in eine Flüssigkeit aus Mehrfachzuckern und Proteinen. Im Körper kommt eine ähnliche Substanz ebenfalls vor; die Interzellularsubstanz. Sie sorgt dafür, dass die Zellen in drei Dimensionen wachsen.

Haut­Farm

Die Haut ist das erste Organ, das erfolgreich mit den Methoden des Tissue Engineering im Labor gezüchtet wird. Anfang 2011 wurde die erste vollautomatische Produktionsanlage für menschliches Gewebe in Betrieb genommen. Sie ermöglicht die serielle Züchtung standardisierter Hautmodelle. Pro Monat können ungefähr 5000 briefmarkengroße Hautmodelle kultiviert werden, für unter 50 Euro pro Stück. Die so gewonnenen Gewebe sind für realitätsnahe Verträglichkeitstests von Kosmetika und zum Testen der Toxizität von Chemikalien geeignet. Auch bei Hauttransplantationen eröffnen sich neue Perspektiven. In Zukunft soll laut dem Fraunhofer Institut nicht nur Haut, sondern auch andere Gewebe wie Knorpel in großer Produktion hergestellt werden.

3. Objekt
Fiktives Objekt – Smart Apple

Brain Booster — be smart, eat smarter

Eine Gesellschaft, die absolute Leistung verlangt und Fehler nur schwer verzeiht, fördert und fordert Menschen, die ihr Bestes geben wollen und können. Wer weniger leistet, verliert schnell den Anschluss. Was bisher nur durch Smart Drugs möglich war, lässt sich nun auf ganz natürlichem Wege erreichen.
Der genetisch modifizierte Smart Apple produ­ziert während der Wachstumsphase Modafinil, eine konzentrationsfördernde Substanz, die die Leistungsfähigkeit des Gehirns steigert. Der regelmäßige Genuss verhilft zu bislang ungeahnter geistiger Potenz: Schneller und effektiver lernen, erfolgreicher sein im Beruf, geringeres Schlafbedürfnis, erhöhte Konzentrationsfähigkeit, mehr Ausdauer und dazu noch gut gelaunt!

Reale Grundlagen

Molecular Farming

Mit Hilfe molekularbiologischer Methoden lassen sich Pflanzen so verändern, dass sie Wirkstoffe für Medizin und Forschung produzieren. Die gentechnische Veränderung erfolgt mit Hilfe von Keimen, die über Wundstellen in die Pflanze eindringen. Dabei bringen die Keime Moleküle mit genetischen Informationen in die Zellen ein. Diese regen die Pflanze zur Produktion der erwünschten Stoffe an. Gentechnisch veränderte Pflanzen werden seit 1983 erzeugt. Aus den pflanzlichen Bioreaktoren stammen Substanzen wie beispielsweise der Blutfarbstoff Hämoglobin oder das Medikament Erythropoetin zur Behandlung fortgeschrittener Nierenerkrankungen.

Brainbooster

Es gibt viele Wege um die mentale Leistungsfähigkeit zu erhöhen: Manche Menschen trainieren ihr Gehirn mit Meditation und Gehirnjogging, andere konsumieren Tee, Kaffee, Energy­Drinks oder Koffeintabletten, um die geistige Leistung zu steigern. Inzwischen wird von Menschen mit gleicher Zielsetzung auch eine neue Kategorie zur Leistungssteigerung eingesetzt: »Brainboos­ter«, auch bekannt als Neuro­Enhancer oder smart drugs, sind Medikamente, Nahrungsergänzungsmittel und Stimulanzien, die ohne medizinische Notwendigkeit eingenommen werden, um mentale Leistungen wie Kombinationsfähigkeit, Motivation, Gedächtnis, Aufmerksamkeit und Konzentration vermeintlich oder tatsächlich zu steigern. Zu diesen Mitteln gehören zum Beispiel Ritalin, Modafinil und Donepezil, die eigentlich Medikamente gegen Krankheiten wie ADHS, Narkolepsie oder Alzheimer sind.

Wer nimmt‘s?

In einer Studie an amerikanischen Universitäten aus dem Jahr 2001, die mehr als 10.000 Studierende zu ihrem Konsumverhalten von Neuro­Enhancern befragte, gaben rund sieben Prozent an, schon einmal leistungssteigernde Mittel ohne medizinische Notwendigkeit genommen zu haben.
Im April 2008 veröffentlichte das Fachmagazin »Nature« die Ergebnisse einer Leser­Umfrage zum Thema »Gehirn­Doping«: 20 Prozent der 1.400 Befragten gaben an, schon einmal verschreibungspflichtige Medikamente zur Verbesserung der geistigen Leistung eingenommen zu haben.
2009 ergab eine Umfrage der DAK in Deutschland einen geringen Anteil von 1−1,9 Prozent der erwerbstätigen 20 bis 50 Jährigen, die gezielt aktives Brain­Enhancement betreiben.

4. Objekt
Fiktives Objekt – Spoken Words Spray

Spoken Words Spray — verlorene Kommunikation

Auf der Familienfeier mal wieder gnadenlos ins Fettnäpfchen getreten oder im falschen Moment den Chef verflucht? Unbedacht Sprüche loslassen kann ganz schön daneben gehen und manchmal sogar den Job kosten.
Wem Worte unkontrolliert entweichen, der hat ein ernstes Problem. Das Spoken Words Spray hilft, die Kontrolle über Gespräche zurück zu gewinnen: In heiklen Situationen einfach den Gegenüber mit dem Spray ansprühen und weiter gehts in der Kommunikation, als ob nichts gewesen wäre.

Anwendung: Den Sprühkopf direkt auf den Gesprächspartner richten und in Nasenhöhe aktivieren. Das Spray gelangt über die Nasen­ schleimhäute direkt in das Gehirn. Nanopartikel passieren ungehindert die Blut­Hirnschranke. Im Kurzzeitgedächtnis blockieren sie in Sekundenschnelle die Bildung der für die Erinnerungsspeicherung notwendigen Proteine. Der Gesprächspartner kann sich nun nicht mehr an die letzten 30 Sekunden erinnern.

Reale Grundlagen

Gelöschte Erinnerungen

Neurowissenschaftler beobachten, dass sich bei der Bildung von Langzeiterinnerungen Proteine zwischen den Hirnzellen bilden.
Laut den Forschern besteht darin auch der Unterschied zwischen Langzeit­ und Kurzzeiterinnerungen. Um eine Erinnerung dauerhaft festzuhalten, müssen Proteine synthetisiert werden.
Die erinnerungsbildenden Eiweiße werden vom Protein CBP aktiviert. Wird CBP an der Produktion gehindert oder eine Blockade der synthetisierten Proteine herbeigeführt, wird die Gedächtnisleistung verringert, es entsteht gar Gedächtnisverlust.
Studien an Mäusen zeigen eine Möglichkeit, Proteine, die bei schmerzvollen Erinnerungen gebildet werden, nachträglich wieder zu löschen. Den Versuchsmäusen wurde durch Elektroschock die Furcht vor einem Ton konditioniert. Der Ton veranlasste die Bildung von bestimmten Proteinen im Hirn, die ein bis zwei Tage in der Amygdala, eine für das emotionale Erleben wichtige Hirnregion, aktiv waren. In diesem Zeitfenster konnten die Proteine durch ein Medikament wieder entfernt werden. Die Wissenschaftler suchen nun nach Möglichkeiten, den Zugang zu diesen Erinnerungen zu einem späteren Zeitpunkt erneut zu öffnen, um die entsprechenden Proteine unabhängig der Zeitspanne wieder zu entfernen.

Nanopartikel

Die Nanotechnologie beschäftigt sich mit Strukturen und Objekten unter 100 Nanometer.darunter befinden sich auch Moleküle und Atome. Die Nanotechnologie lässt sich mit einem Werkzeug vergleichen, das in verschiedenen Forschungsbereichen eingesetzt werden kann. Im Nanobereich verändert Materie teilweise ihr Verhalten, so dass neuartige Eigenschaften beobachtet werden können. Das eröffnet neue, noch unvorhersehbare Anwendungsfelder: In der Medizin etwa können Stoffe entwickelt werden, die die Blut­Hirn­ Schranke passieren. Auch miniaturisierte Körperimplantate und Neuroprothesen sind vorstellbar.

5. Objekt
Fiktives Objekt – My Mee

Zeitreise — Die Welt mit meinen Augen sehen

Was früher nur wenigen vergönnt war, ist heute keine Seltenheit mehr. Nahezu jeder Mensch kann ein hohes Lebensalter erreichen. Jedoch werden auch etwa 50 Prozent dieser Menschen an einer Demenz erkranken.
Mit fortschreitender Krankheit verliert der Betroffene Stück für Stück, in chronologisch umgekehrter Reihenfolge, die Erinnerungen an sein Leben, bis nur noch Kindheit, Jugend und stark emotional geprägte Ereignisse in der Erinnerung übrig bleiben. Bekannte Personen und Umgebungen verblassen. Wenn Ehepartner und Kinder nicht mehr erkannt werden, ist das für alle Betroffenen belastend. Dann ist es besonders wichtig, dem Erkrankten in einer ihm völlig fremd gewordenen Welt ein Gefühl der Geborgenheit und Vertrautheit zurück zu geben. My Mee besteht aus einem Mikrochip, der in einer ambulanten Operation unter die Haut gebracht wird und zwei sensorischen Display­Linsen. My Mee speichert mit positiven Emotionen besetzte Lebensereignisse auf dem implantierten Mikrochip. Von klein auf entsteht so eine persönliche Datenbank, die Bezugspersonen, gemeinsame Aktivitäten und individuelle Erlebnisse speichert.
Die Linse überblendet unbekannt gewordene Gesichter mit Gesichtern der entsprechenden Person aus früheren Jahren und kann so die Kommunikation mit den Mitmenschen erleichtern. Auch wenn der Erkrankte aus der gewohnten Umgebung etwa in eine Pflegeeinrichtung zieht, überlagert My Mee via Objekterkennung fremde Möbel, Bilderrahmen und Fensterausblicke mit entsprechenden Gegenstücken aus der persönlichen Datenbank.
Die hochsensible Sensorik der Linse misst anhand der Hormonkonzentraion im Auge den emotionalen Erregungszustand der Person und stellt fest, ob die eingeblendeten Erinnerungen dem aktuellen Krankheitsstadium entsprechen. Ist keine Beruhigung bei der Person zu beobachten, greift die Software auf Erinnerungen aus einer früheren Lebensphase zurück. Auf Schwankungen im Krankheitsverlauf kann so in Echtzeit reagiert werden. Die Abgleichungsprozesse werden behutsam ausgeführt und kaum bis gar nicht vom Erkrankten bemerkt.

Reale Grundlagen

Herausforderung Demenz

Die Lebenserwartung in Industrienationen steigt stetig dank Verbesserungen etwa im Gesundheitswesen und der Nahrungsversorgung. Mit zunehmendem Alter erhöht sich auch die Wahrscheinlichkeit, an Demenz zu erkranken. Bis zum Jahr 2022 steigt die Zahl der über 80jährigen laut Hochrechnungen auf über 5,1 Millionen, bis 2050 auf acht Millionen. Die Hälfte wird pflegebedürftig sein, ein Drittel dement.

Bei der Betreuung pflegebedürftiger Demenz­Patienten ist die Freundlichkeit der pflegenden Personen wichtig, ihr Interesse an der Vergangenheit der ihnen anvertrauten Person und das Bestreben, ein Gefühl von Vertrautheit und heimeliger Atmosphäre zu schaffen. Dazu trägt alles bei, was vorher auch in der gewohnten Umgebung vorhanden war: Gerüche, Geräusche, Rituale und Bewegungsmuster, Temperaturen, Lichtstimmungen, Mobiliar,…
Die meisten Demenzkranken leben bei ihren Angehörigen zu Hause. Der erlebte Prozess, wie sich der vertraute Mensch immer mehr in seiner Persönlichkeit verändert, ist für viele nur schwer zu ertragen. Belastender noch als die zunehmenden Gedächtnislücken sind für viele Angehörige die unberechenbaren Verhaltensänderungen wie Unruhe, Aggressivität, Feindseligkeit und insbesondere das Nichterkennen der eigenen Kinder.

Implantate für die Sinne

Das Cochlea­Implantat ist eine Hörprothese für Gehörlose. Sie ermöglicht die teilweise oder vollständige Wiederherstellung oder sogar den Erwerb der Hörfähigkeit, indem sie die Haarsinneszellen ersetzt. Das Gerät besteht aus einem im Innenohr platzierten Implantat und einem Sprachprozessor außerhalb des Körpers. Die Energieversorgung erfolgt über eine hinter dem Ohr getragene Stromquelle. Der Schall wird von außen in das Ohr geleitet. Dort reizt das Implantat die anschließenden Nervenenden durch elektri­ sche Impulse. Die Signale gehen weiter zum Gehirn und lassen einen Höreindruck entstehen.

Ein Retina­Implantat kann bei Blinden, deren Sehnerven und dazugehörige Hirnregionen noch intakt sind, Sehvermögen wieder herstellen. Das Netzhautimplantat befindet sich momentan noch in der klinschen Erprobungsphase. Zentrales Element des Implan­ tats ist ein Mikrochip mit 3 mm Durchmesser und über 1500 Pixelfeldern. Er wird an der Stelle im Auge angebracht, an der sich bei gesunden Menschen die lichtempfindlichen Sinneszellen befinden. Von dort sendet der Chip elektrische Impulse an die Nervenzellen der Netzhaut, die diese dann zu einem Seheindruck verarbeiten.

Von den Augen ablesen

Mit Hilfe einer Einmal-Kontaktlinse ist es möglich, Schwankungen des Augeninnendrucks über einen längeren Zeitraum zu beobachten. In der technisch hochgerüsteten Silikon-Linse befindet sich ein Sensor, der die Dehnung des Auges bei ansteigendem Augendruck registriert. Die gewonnenen Informationen werden über ein externes Gerät aufgezeichnet Die kontinuierliche Aufzeichnung kann anschließend ausgewertet werden.
Auch der Insulinspiegel soll bei Diabetes-Patienten in ferner Zukunft per Linse kontrollierbar werden, indem ein elektro-chemischer Sensor die Blutzuckerwerte misst.
Ebenfalls in Arbeit ist eine Linse mit integriertem Display. Bisher gelang die Integration einer LED, also eines Bildpunktes, der über Radiowellen an- und ausgeschaltet werden kann. Viele kleinere Linsen werden auf der eigentlichenKontaktlinse nötig sein, um neben einer scharfen Sicht auf die Umwelt auch ein scharfes Displaybild vor dem Auge zu erzeugen.
Die genannten Anwendungen dienen der Diagnostik. Zur Behandlung von »Grauem Star« sind künstliche Linsen seit mehreren Jahren gang und gäbe. Dafür wird die Linse aus dem Auge entfernt und durch eine Kunststofflinse ersetzt, mit der gleichzeitig auch eine vorhandene Fehlsichtigkeit korrigiert werden kann. Alleine in Deutschland werden jährlich etwa 600.000 Patienten wegen eines Grauen Stars operiert.

Moore ́sches Gesetz

Die Rechenleistung heutiger Computersysteme hängt von den verbauten Computerchips ab: Die Verarbeitungsgeschwindigkeit eines Systems wird schneller, je mehr Schaltelemente auf diesem Chip vorhanden sind. Dem »Moore ́schen Gesetz« nach verdop- pelt sich die Anzahl der Transistoren pro Fläche alle 18 bis 24 Monate. Technische Geräte werden so immer leistungsfähiger und kompakter.
Die Möglichkeit, Nanostrukturen im Bereich der Mikroelektronik einzusetzen, wird in wenigen Jahren an die physikalischen Grenzen der herkömmlichen Hardware stoßen. An Lösungen auf organischer oder quantenphysikalischer Ebene wird intensiv geforscht, um weitere Leistungssteigerungen zu ermöglichen.
Das »Moore ́schen Gesetz« geht auf Intel-Mitbegründer Gordon Moore zurück, der in den sechziger Jahren prognostizierte, dass sich die Anzahl der Transistoren von integrierten Schaltungen jährlich verdoppelt. Seine Aussage korrigierte er 1975 auf etwa alle zwei Jahre. Kritiker monieren, die Faustregel könnte aufgrund steigender Produktionskosten der Chips ihre Gültigkeit verlieren. Die Produktion in noch kleineren Verfahren sei dann zwar weiterhin möglich, jedoch nicht mehr in der Geschwindigkeit, wie sie das »Moore ́schen Gesetz« voraussieht.

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