Logo-Alarm
Wenn die Lektüre für Nichtleser irgendetwas ganz dringend braucht, dann ganz sicher kein Logo.
Entsprechend gedämpft war die Stimmung im Team, als Grabowski die Weisung ausgab, gefälligst
umgehend ein Logo zu entwickeln. Er meinte eben, daß ein Logo ein wichtiger Schritt auf dem Weg
zur gesteigerten Bestsellertauglichkeit des Projekts wäre, und ließ sich in seinem Elan nicht bremsen.
Nicht einmal dadurch, daß Charming Heinz ihn an einen lange zurückliegenden, aber immer noch
nicht verwundenen Logo-Vorfall erinnerte.
Vor Jahrzehnten nämlich hatte Grabowski als Logo für irgendeine Unternehmung den Umriß einer
angebissenen Birne konzipiert. Diese, wie er meinte, brillante Idee hatte er damals bei mehreren
Firmen präsentiert, unter anderem bei einer jungen, amerikanischen Computer-Firma. Die waren von
seinem Entwurf sehr begeistert. Leider hörte er nichts mehr von der Computer-Firma, sondern mußte
zu seinem Entsetzen wenig später feststellen, daß die Firma seine Idee in adaptierter Form - nämlich
als angebissenen Apfel - heimtückisch abgekupfert, ja gestohlen hatte. Bei der Erinnerung an diesen
Vorfall durchzuckte Grabowki auch nach Jahrzehnten noch ein stechender Schmerz, als würde eine
alte Kriegsverletzung wieder aufbrechen.
Trotzdem bestand er auf einem Logo für die Lektüre für Nichtleser und Long Dong Copy, der gerade
heftig protestieren wollte, da er ja schließlich Texter war und sich mit Pixeln nicht so auskannte,
machte sich Gedanken darüber, wie man eigentlich ein Logo textet. Leider hatte er schon eine Idee,
gegen die er sich nicht mehr rechtzeitig wehren konnte: Ohne wertvolle Zeit zu verlieren, präsentierte
er sie den Kollegen (siehe Abb.) - und mit Erfolg.
Abbildung: Auf Weisung von Grabowski konzipierter Logo-Entwurf aus der Feder von Long Dong
Copy. Da Charming Heinz die Gestaltung auf Anhieb "super, weil voll tuntig auf ne Art" fand, war
Grabowski spontan begeistert und die Sache war beschlossen. Auch in der "Yin-Yang"-Assoziation
sah Grabowski keinen Hinderungsgrund, denn wenn ein amerikanischer Computer-Konzern aus
meiner Birne einen Apfel macht, dann kann ich mich ja wohl auch in Asien bedienen, meinte er. Voll
logisch, seine Argumentation, möchte man meinen.
Zur werbliche Kommunikation
Kürzlich saßen Grabowski und Long Dong Copy beim Follow-up-Meeting in ihrer
Werberstammkneipe "Zur werbliche Kommunikation". Das verlief mäßig kreativ.
Long Dong Copy: Herr Ober, da ist ein Pixel in meiner Buchstabensuppe. Das ist ein Skandal!
Grabowski: Hör auf zu headlinen, wir haben zu tun.
Long Dong Copy: Ehrlich, guck selbst: P, I, X, hier schwimmt das E und hier ein L. Ich hasse Pixel!
Grabowski: Du bist mir echt ein Typo.
Long Dong Copy: Und die Schriftgröße erst mal, das ist ja nicht mal eine 12.
Grabowski: Aufhören.
Long Dong Copy: Herr Ober!
Kellner: Kriegen Sie's hier gewuppt oder was?
Long Dong Copy: Vorsehen, Freundchen, die Tonality macht immer noch die Musik.
Kellner: Quatschen Sie mich gefälligst nicht in dieser ordinären Helvetica an, Sie ...
Grabowski: Ich glaub, ich bin im falschen Meeting.
Long Dong Copy: Sie ham ja wohl ne Farbabweichung im Gebälk, ich bin hier immer noch Kunde.
Kellner: Ach, ein Kunde! Na da müssen wir das Süppchen wohl noch mal nachpräsentieren. Gegen
ein gesalzenes Präsentationshonorar, versteht sich.
Grabowski: Ist mir schlecht.
Guerilla-Marketing
Grabowski ist auf dem Weg zur Montagskonferenz der Agentur und trifft auf Eisi Verspeisi.
Grabowski: Guten Morgen, Eisi, kommst Du zur Montagskonferenz?
Eisi Verspeisi: Guten Morgen, Chef. Fällt Dir denn gar nichts auf?
Grabowski: Hm. Neue Frisur?
Eisi Verspeisi: Nein, nicht ganz. Ich sitze mit Handschellen in einem Polizeiwagen.
Grabowski: Ah, aus konzeptionellen Gründen? Schön. Aber ich fänd's gut, wenn Du zur
Montagskonferenz kommst. Wir wollten doch unsere Guerilla-Aktion planen.
Eisi Verspeisi: Schätze, ich bin schon ein bißchen über die Planungsphase hinaus. Aber ich will
versuchen, es zu schaffen.
Grabowski: Ok, bis denne.
Wenig später in der Agentur.
Grabowski: Moin, Männer, habe gerade auf der Straße um die Ecke unseren Praktikanten getroffen.
Er weiß noch nicht, ob er es zu unserer Montagskonferenz schafft.
Long Dong Copy: ähm, ist Dir nichts aufgefallen an ihm?
Grabowski: Nicht die Frisur, oder?
Long Dong Copy: Nein, die Polizei hat ihn festgenommen.
Grabowski: Stimmt, er hat so etwas angedeutet. Also, dann fangen wir mal mit unserer
Montagskonferenz an.
Long Dong Copy: Willst Du nicht wissen, warum Eisi von der Polizei festgenommen wurde?
Grabowski: Ach ja. Warum denn?
Pistolen-Pete: Wegen unserer Anführungszeichen-Guerilla-Aktion, die wir neulich abends beim Bier
ausbaldowert hatten.
Grabowski: Was!? Habt Ihr das etwas durchgezogen? Das war doch ein Witz, den wir als PR-Story
inszenieren wollten.
Long Dong Copy: Echt? Wir fanden das so lustig, daß wir dachten, das wäre unser Ernst.
Grabowski: Und, wie ist's gelaufen?
Pistolen-Pete: Anfangs ganz gut. Wir sind heute Morgen um fünf Uhr früh losgezogen, nachdem wir
uns vorher mit An- und Abführungszeichen in verschiedenen Farben, Schriftgrößen und Schriftarten
auf Klebefolie ausgerüstet hatten.
Long Dong Copy: Ja, dann haben wir einfach losgelegt. Als erstes bei einer Filiale der Dresdner
Bank, bei der wir die Anführungszeichen in das "Berater" des Slogans "die Beraterbank" gesetzt
haben.
Pistolen-Pete: Dann haben wir noch bei einer T-Com-Filiale alles "Services" in Anführungszeichen
gesetzt.
Long Dong Copy: Und dann waren wir irgendwie so in Fahrt, daß wir auf einem Polizeiwagen das
"Dein Freund und Helfer" markiert haben. Dumm war nur, daß in dem geparkten Wagen Polizisten
saßen, worauf wir gar nicht geachtet hatten.
Grabowski: Wirklich dumm von Euch, die Polizei war doch gar nicht als Zielgruppe unserer Aktion
vorgesehen.
Pistolen-Pete: Ja, stimmt schon, hatten wir vergessen.
Long Dong Copy: Na ja, und dann stürmten die Polizisten heraus und schnappten sich Eisi. Wir
beiden konnten türmen.
Grabowski: Dann hoffen wir mal, daß Eisi dicht hält.
Eine halbe Stunde später Es klingelt an der Tür bei Auweier, Unhold & Partner. Zwei Polizisten
liefern den Chefpraktikanten Eisi Verspeisi ab und stellen auch die übrigen Agenturmitglieder zur
Rede. Die Polizisten lassen es diesmal noch auf einer Ermahnung beruhen. Nicht aber, ohne beim
Verlassen der Agentur draußen an der Hausfassade das Schild der Agentur mit den konfiszierten
Aktionsmaterialien etwas zu verändern. Statt Werbeagentur steht dort "Werbeagentur". Und das tut
es heute noch, weil keinem der Mitarbeiter bis jetzt die Anführungszeichen aufgefallen sind.
Über die Lektüre für Nichtleser
Seit 2005 erscheint halbjährlich ein gedruckter Band der Lektüre für Nichtleser mit 128 Seiten im
praktischen DIN A6-Format. Die Hefte sind seitdem keinesfalls im Buchhandel, sondern nur im
Internet und bei wenigen ausgewählten Locations in Berlin erhältlich: zum Beispiel beim Bio-
Fleischer, in der Gaststätte St. Oberholz und anderen Cafés oder auch mal in Schuhläden. Trotz
massiver und flächendeckender Unterlassung jeglicher Marketing- oder Presse-Aktionen finden die
Bücher ein stetig wachsendes Publikum. Seit dem Jahr 2009 erscheint die Lektüre für Nichtleser in
der St. Oberholz Verlagsanstalt (sanktoberholz.de) und voraussichtlich im Juni 2009 erscheint
Nichtleser 1 für iPhone / iPod Touch im App Store.
Der Autor
Michael Bukowski kommt aus und lebt in Berlin. Seine Reputation, sein Musikgeschmack und sein
Schnauzbart sind in jeder Hinsicht als vorbildlich zu bezeichnen. Davon abgesehen arbeitet er als
freier Texter in den Bereichen Werbung, Wirtschaft und Politik; fällt ansonsten aber nicht weiter
störend auf.
In Buchform bisher erschienen
Band 1: "Brain up, Deutschland!", Oktober 2005
Band 2: "Frau Glaube versetzt Herrn Berge", Januar 2006
Band 3: Ohne Titel, Juni 2006
Band 4: "Andere haben's auch nicht leicht", Dezember 2006
Band 5: "Rolle vorwärts Sport", Juni 2007
Band 6: "Irgendwie schon auf ne Art", Dezember 2007
Band 7: "Allein unter Umständen", Juli 2008
Band 8: "So wird's ein Bestseller", folgt im Juni 2009
Erhältlich bei
Die Lektüre für Nichtleser ist bundesweit nicht erhältlich außer im Internet bei www.lektuere-fuernichtleser.de und im gut sortierten Berliner Fachhandel bei:
Ausberlin, am Alexanderplatz, 10178 Berlin-Mitte
Karl-Liebknecht-Straße 17
Gaststätte Sankt Oberholz, 10119 Berlin-Mitte
Rosenthaler Platz
Luxus International, Berlin-Prenzlauerberg
Kastanienallee 101
Oxford & Co, 10823 Berlin-Schöneberg
Akazienstraße 18
Supalife Kiosk, 10437 Berlin-Prenzlauerberg
Raumerstraße 40