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22 Quadrat

Interview von Rosy Rück mit 22 Quadrat

Download – Gestaltet von Rosy Rück

Was zeichnet Eurer Meinung nach gutes Design aus?

Einfachheit.

Hängt mit dem Ansatz gutes Design zu sehen und entstehen zu lassen auch eure Agenturgründung zusammen?

Wir wollten immer von dem, was wir sind und was uns Spaß macht leben können. Jedes Buch, das wir lesen, jede Scheibe, die wir hören, jeder Film, den wir sehen, fließt in unsere Arbeit mit ein – jeder von uns ist somit 24 Stunden am Tag 22quadrat.

Erzählt uns bitte etwas zu aktuellen Projekten an denen Ihr gerade arbeitet. (soweit möglich)

Momentan arbeiten wir an verschiedenen Projekten und Studien. Zum einen haben wir gerade unsere Bewerbung für das “Generalkommissariat für den deutschen Beitrag auf der 12. Architekturbiennale 2010 in Venedig” eingereicht. Dabei geht es um einen sehr minimalistischen, funktionalen Ansatz eines Ausstellungskonzeptes für den deutschen Pavillon. Die Thematik, die wir gemeinsam mit dem Architekturbüro FloSundK architektur+urbanistik aus Saarbrücken erarbeitet haben, trägt den Titel “Devided Spaces United Spaces” und thematisiert die geteilten und wiedervereinigten deutschen “Räume”, die Frage wie sich Räume im Lauf der Zeit verändern…

Daneben entwickeln wir gemeinsam mit dem Architekturbüro Denzer + Poensgen für einen privaten Bauherren skulpturale und landschaftliche Interventionen. Parallel betreuen wir diverse Projekte im deutschsprachigen Raum, u.a. unterstützen wir eine junge gastronomische Franchise-Kette aus dem süddeutschen Raum bei der Findung einer baulichen CI.

Ein Langzeitprojekt sind Untersuchungen und Studien unter dem Titel “Suburban Tuning”. Dabei geht es einfach gesagt, um die Gestaltung von Fassaden zur Aufwertung ganzer Stadtteile, die mehrheitlich mit sozialem Wohnungsbau bestückt sind, und sowohl mit sozialen Misständen als auch Klischees zu kämpfen haben.

Außerdem beschäftigen wir uns sehr intensiv mit der Thematik des Orientierungssystems. Wir arbeiten hier momentan unseren Mehrwert, bedingt durch unseren freien und künstlerischen Ansatz weiter heraus. Somit bieten wir individuellen, designorientierten Bauherren und Architekten eine zusätzliche Komponente zur informativen Grafik.
Ausstellungs-/ Messe- und Showroomgestaltung sind in dem Zusammenhang ebenfalls zu nennen. Wir arbeiten auf vielen Baustellen.

Worin besteht hier eine besondere Herausforderung?

Wir schrauben jedes Projekt auf Null zurück und addieren nur solange, bis wir sagen, jetzt reicht es! Die Stärke einer guten Arbeit liegt in ihrer Einfachheit. Den ganzen Materialhype machen wir nicht mit.
Grundsätzlich sind wir offen für alles was kommt – wir haben keine Berührungsängste mit unterschiedlichen Diszipininen. Wichtig ist uns nur, dass wir uns immer treu bleiben und Arbeiten abliefern, die wir zu 150% vertreten können.

Wie würdet ihr die Verwandlung von Handzeichnung/Skizze zu einem durch technische Möglichkeiten verwandelte Graphik bezeichnen? Ich beziehe mich hierbei auf die Aussenfassade des hdak Kubus. Vielleicht könnt ihr dem Leser einen kurzen Einblick zu dem Projekt als Einführung geben.

Daran bestand schon lange vor diesem Projekt für uns der Reiz. Wir saßen im Büro und einer von uns krakelte auf einem Schmierzettel vor sich hin. Da uns der spontane Strich seit dem Beginn unseres Studiums fasziniert, haben wir diesen Ansatz immer weiterverfolgt. Fasziniert hat uns dabei immer das Augenblickliche – die Dynamik des Prozesses. Somit entstand u.a. die Gestaltung für den Umschlag unserer ersten Imagebroschüre.
Der Weg der Grafik vom zweidimensionalen hinein in den Raum war für uns nur logisch. Spannend an der Umsetzung für den hdak-Kubus in Köln war die Terminierung – während der Entwurf nur wenige Sekunden in Anspruch genommen hat, dauerte die Montage der Grafik auf den Würfel dagegen mehrere Tage.

Bei dem hdak Kubus habt ihr – wie bereits zuvor – mit dem Architekturbüro gernot schulz zusammen gearbeitet. Welche Vorteile seht ihr in Kooperationen zwischen einzelnen Büros?

Kompetenzen, Interessen verschmelzen zu einem ganz neuen, gemeinsamen Ansatz. Daraus entstehen oft ungewöhnliche Ergebnisse. Man lernt, über den Tellerrand hinaus zu blicken. Gute Kooperationen entstehen aber erst über einen längeren Zeitraum und mehrere Projekte. Man lernt sich durch diese Art der Zusammenarbeit sehr gut kennen, man reibt sich immer wieder aneinander während dieser Prozesse. Daraus können dann aber auch gute Freundschaften entstehen.

In welchen Bereichen seht ihr euch als geeignete Kooperationspartner? Warum?

Wie gesagt sind wir allen Disziplinen gegenüber sehr offen. Unser Ansatz verfolgt immer eine gute Gestaltung, das ist disziplinübergreifend und läßt sich somit nicht in irgendeine Schublade stecken.
Wir sind jung, unverbraucht, Stromberg würde sagen “…sowas gibts´sonst nur auf dem Kinderstrich”!
Da wir üblicherweise nicht aus den Branchen kommen, mit denen wir zusammenarbeiten, haben wir einen losgelösten Blick auf die Aufgabenstellung, dabei scheuen wir uns nicht vor dem Risiko, auch mal anzuecken.

In einigen Projekten (hdak-kubus & ergosign) spielt die LINIE eine wichtige Rolle? Was bedeutet eine Linie für Euch emotional?

Der erste gemeinsame Entwurf, der entstand, basierte auf unserer Faszination für den Strich. Das hat sich seit unserer Bürogründung nicht geändert. Wir wollen dabei aber nicht auf die Grafik allein festgenagelt werden – die Linie hat genauso Auswirkung auf alle anderen unserer Arbeiten, ob nun skulptural, im Film oder der Fotografie.
Die Linie ist in ihrer Erscheinung das absolute Minimum, birgt aber zugleich unzählige Charaktere in sich: streng oder spontan, dynamisch oder statisch, filigran oder brachial – laut oder leise!

Bei ergosign nehmt ihr minimalen Einfluss, um Raum und Mobilar miteinander zu verknüpfen. Wie wichtig ist euch die minimale Veränderung mit großer Wirkung? Vielleicht könnt ihr dem Leser einen kurzen Einblick zu dem Projekt als Einführung geben.

Bei dem Projekt handelte es sich um den Neubau des Firmensitzes des jungen Unternehmens Ergosign in Saarbrücken. Ergosign entwickelt User Interfaces für alle Branchen.
Wir wurden bereits sehr früh in den Gestaltungsprozess mit einbezogen und entwarfen in einem Workshop, gemeinsam mit dem Architekten Mario Krämer vom Büro FlosundK und den Bauherren, die technoide Formsprache der späteren Grafik.
Als Referenz an den technischen Hintergrund der Tätigkeit Ergosigns, sowie der metallisch anmutenden Fassade des Gebäudes wählten wir einen stark reflektierenden, silbernen Farbton für die Grafik. Je nach Tageszeit, Lichteinfall und Betrachterwinkel changiert die Raumgrafik kontrastreich zwischen Hell und Dunkel, ist präsent oder nahezu unsichtbar.

Zum Thema “minimale Veränderungen” könnten wir jetzt ganze Seiten füllen. Nur soviel dazu: Die Konsequenz, die sich aus dem Begriff “minimale Veränderung” ergibt, ist einziger Antrieb für unser Denken und Handeln als Gestalter.

Würdet Ihr konstruktive Grafik als zeitlos bezeichnen?

Da einer von uns neben dem Fach Kommunikationsdesign auch freie Kunst studiert hat, ist das Thema freie Grafik, zeitgenössische Kunst allgemein konstant Thema.
Die einfache, an die Grundelemente angelehnte Formsprache des Konstruktivismus kann man wohl als zeitlos bezeichnen. Sie hat eine konsequente Vita, angefangen beim Bauhaus, den russischen Konstruktivisten, über die geometrische Abstraktion in der Kunst nach dem Weltkrieg, dem Hard Edge und der Farbfeldmalerei der Amerikaner. Die konkrete Kunst ist eine Konstante, mit leichten Veränderungen, Deklinationen, bis hin zum Gedankenexperiment wie teilweise in der Minimal Art oder der Konzeptkunst.
Die Formsprache spricht an, sie ist jedem verständlich ohne sich anzubiedern, sie ist elegant und sie stellt nichts dar, verzichtet auf alles Überflüssige. In dieser Tradition verorten wir uns und unsere Arbeit. 22quadrat, unser Name ist Programm!
Die Welt aus Kreis, Quadrat und Dreieck scheint simpel, bietet aber Potential für 100 Gestalter-Leben.

Eine ungewöhnliche Atmosphäre schaffen kann vieles bedeuten. Durch verschiedene Einflüsse die Außenwirkung auf den Menschen verändern.
Was ist eurer Meinung nach der Einfluss von Farbe & Form?

Wir beschäftigen uns seit Sekunde Null mit der Generierung von Emotion. Ziel einer Arbeit ist immer die Auseinandersetzung des Menschen mit dem Raum, der Situation. Dabei geht es uns nicht um das schnelle Wahrnehmen, sondern um den zweiten Blick, man soll entdecken können. Wir wollen ermöglichen, dass der Betrachter gedanklich allein mit der Situation, auf sich selbst zurückgeworfen ist. Er soll sich bewusst selbst wahrnehmen und begreifen, sein Denken und Fühlen. So ist er bereit für das Entwickeln von Emotionen. Farbe und Form haben meditative Eigenschaften, man denke an die amerikanischen Colorfield-Paintings…
Es geht uns vielleicht auch um die Suche nach einer Art archaischer Empfindung von Raum / Raumkonstellation.

Aber auch Geruch/Geschmack & Geräusch – in wie weit seht ihr auch hier Potenzial für die Zukunft?
Massig.

Spannend auch das Projekt bat yam. Wie kam es zur Teilnahme an der Gruppenausstellung in Israel?

Dazu gab es eine offene Ausschreibung. Wir haben ein Konzept eingereicht, das angenommen wurde. Die Ausstellung war von der Örtlichkeit her zweigeteilt. Einerseits wurden Exponate im Museum für zeitgenössische Kunst Bat Yam gezeigt, der zweite Teil der Ausstellung im nahe gelegenen Industriegebiet.
Für eine leerstehende Lagerhalle konzipierten wir eine vier Räume umspannende, begehbare Raumgrafik aus schwarzem Bitumen. Die zweidimensionale Arbeit, die sich durch drei Räume windet, mündet in einem in den Boden eingelassenen Becken, angefüllt bis zum Rand mit Bitumen. Entstand in den ersten drei Räumen, durch die dynamische “Wicklung” der Grafik eine sehr unruhige Atmosphäre, fand man dagegen im letzten Raum einen Ort von fast meditativer Stille.

Was hat euch bei diesem Projekt am meisten berührt? Welche Erfahrungen habt ihr aus diesem Projekt gezogen?

Während wir vier Tage im Akkord und bei 35 Grad Raumtemperatur die zähe Bitumenmasse verarbeitet haben, hielten wir dann im vierten Raum inne und haben eine Zeit lang nur reflektiert. An diesem Tag entstand dann spontan, als einzig logische Fortführung, die Idee des Bitumenbeckens.
Häufig beinhalten unsere Arbeiten einen gewissen Grad an Improvisation und Spontanität, was wir dort wieder einmal verstärkt festgestellt haben. Wenn wir etwas daraus gelernt haben, dann, dass wir uns in kniffligen Situationen immer auf unsere Intuition verlassen können.

Wo seht ihr den Unterschied zwischen Design und Kunst? Bei vielen Eurer Arbeiten habe ich den Eindruck das diese beide Welten verschmelzen.

Für unsere Arbeit gibt es keine klare Trennung – die Grenzen verschwimmen, wobei wir noch die Disziplin Architektur mit hinzunehmen möchten. In diesen drei Bereichen bewegen wir uns frei umher, bringen unsere Ideen ein.
Man arbeitet unterbewusst oft mit Erfahrungen, die man in anderen Disziplinen gesammelt hat, so wird z.B. eine architektonische Fragestellung beeinflusst durch die Beschäftigung mit Themen zeitgenössischer Bildhauerei.

Worin findet ihr Eure Inspirationen? (wenn möglich nennt ein paar Lieblingsstädte, Blogs, Gallerien, Künstler)

Inspirationen ziehen wir aus unterschiedlichsten Quellen, jeder für sich, aus Film, Literatur, Kunst, Musik und Beobachtungen des Alltags. Wir greifen bestimmte Momente und Atmosphären auf. So wurden wir eines Tages etwas verwirrt von unserem Praktikanten gefragt, warum wir ein Gestaltungsbüro gegründet hätten, wenn wir den ganzen Tag doch über Bücher, Filme und Sounds und die damit verbundene, jeweilige Atmosphäre sprechen würden.

Wie ist euer Standpunkt zu künstlerischer Fassadenbeleuchtung?

Interessante Frage, da wir gerade zufälliger Weise eine Fassadengestaltung in Potsdam mittels Leuchtstoffröhren für das Büro Schneider + Sendelbach planen. Diese Fassade verläuft über die Länge von ein paar Hundert Metern. Mit diesem simplen Gestaltungsmittel würde, sowohl tagsüber wie auch nachts, ein starkes Bild entstehen.

Gibt es für die Zukunft ein reales/fiktives Wunschprojekt? Was ist hier die besondere Herausforderung?

Zwei Gesellschafter, zwei persönliche Herausforderungen – da wir Beruf und Privates nicht von einander trennen können und wollen, beeinflussen sich beide Bereiche permanent.
Zum einen geht es um die Realisation des eigenen Privathauses, nachdem wir dutzende fremde Räumlichkeiten gestaltet haben.
Das wird wohl auch in naher Zukunft umgesetzt. Ansonsten gilt es, die Vermengung von Film und Architektur weiter zu entwickeln, für Besucher erlebbar zu machen und die Grenzen von Fiktion und Realität verschwinden zu lassen.

Zum zweiten geht es um ein Projekt, das Interieurdesign und Konzeptkunst/Installation miteinander verwebt. Favorisiert werden 1- bis 3-Zimmerwohnungen in standardisierten sozialen Wohnsiedlungen. Diese Orte gelten ersteinmal allgemein als untypisch für reflektiertes Design, extravagantes Wohnen etc. Diese Reibung fasziniert.
Es geht auch hier wieder um den Begriff Reduktion, nur dass diese Reduktion hier radikal die Art des Wohnens vorschreibt.
Es geht allgemein darum, sämtlich vorhandenes Interieur aus einer Wohnung zu entfernen und gegen wenige, ausgesuchte funktionale Gegenstände aus Stahl oder Kunststoff auszutauschen. Es geht um die Schaffung einer Art nüchternen Mönchszelle, auf das allernötigste reduziert, ein Ort der Kontemplation – PVC, Linoleum, Stahl – leere, helle Räume, weiß und grau.
Es geht um eine Untersuchung der Begriffe Kargheit und Verzicht – wie weit sind Wohnungsinhaber bereit zu gehen? Es geht auch um den Versuch dem strapazierten Begriff “Minimalismus” und seiner Essenz so nahe wie möglich zu kommen, körperlich spürbar werden zu lassen… Freiwillige mit Wohnung können sich gerne bei uns melden…!