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Vorsicht Glas 2

Eine Kolumne von H. D. Schellnack

Download – Gestaltet von Patrick Marc Sommer

Neuromarketing

Die Tatsache, dass Design viel mit Psychologie zu tun hat, liegt zunächst auf der Hand. Wer für komplexe Blackbox-Systeme Interfaces gestaltet – ob Straßenschild, Computerbetriebssystem oder Corporate Design – muss sich mit Wahrnehmungspsychologie, Aufmerksamkeitssteuerung, Chancen von Perzeption und Feedback auseinandersetzen, um nicht in Schönheit zu sterben. Gutes Design ist, wenn es funktioniert.

Trotzdem ist Design selbstverständlich keine echte empirische Wissenschaft – einen allzu ernst gemeinten Bogen von Psychologie oder gar Psychoanalyse zum Corporate Design zu schlagen, wäre wahrscheinlich eine Frechheit. Schon bei der berühmten Farbpsychologie merkt man schnell, wie subjektiv die meisten Aussagen oft sind und wie wenig die Ausbildung Designer heute darauf vorbereitet, die neuronale Wirkung gestalterischer Faktoren zu untersuchen. CD ist aber durchaus ein wichtiger Faktor in der Gestationsphase und der späteren Ausdifferenzierung von Unternehmen, und zumindest im küchenpsychologischen Sinne agiert ein gutes Designbüro hier stets auch in einem unternehmensberaterischen Kontext und kann von der angewandten Psychologie entsprechend viel lernen. Nun bedienen wir Designer uns noch selten neurologischen Erkenntnissen und entscheiden graphische Lösungen immer noch intuitiv-ästhetisch, weniger nach dem neusten Stand der Hirnforschung – was sich in den nächsten Jahren vielleicht zunehmend ändern wird. Die Werbebranche beginnt – sich der Orwellschen Implikationen wohl nur halb bewusst – Erfolg und Misserfolg eines Motivs in Zeiten immer kleinerer Aufmerksamkeitschancen nicht nur von Umfragen, sondern eben auch vom Dopamin-/Serotoninspiegel einer Testgruppe abhängig zu machen, um den Kunden zu überzeugen, dass sein Etat gut angelegt ist. Nimmt man eine gute Portion Marketing-Augenwischerei beiseite, bleibt die neurologische Untermauerung von Werbung im Kern vor allem eine Art Hightech-Bebilderung einer alten Erkenntnis: Design wirkt. Gutes Design – von der Schriftwahl bis zur Kampagnen-Visualisierung – schafft Narrationen, die Identifikation stiften sollen. Und wie jedes Buch, jeder Film, jeder gute Song wirkt Design insofern auch unbewusst, im subjektiven Trübwasser von Geschmack, Mode, Erinnerung, Inszenierung. Design ist insofern auch ein ganzheitlicher Prozess, eine zum Kunden (oder zu einem Produkt) passende Geschichte zu erfinden – und diese muss unweigerlich einen psychologischen Aspekt haben.

Story

Neben den zahlreichen visuellen Entscheidungen, die ein Designer trifft – Papier, Veredelung, Farben, Typographie, Proportionen usw. – und die nach wie vor den Mittelpunkt der meisten Studiumsangebote ausmachen, sind wir vor allem im besten Sinne “Storytellers”. Die schönste Gestaltung wirkt seelenlos, wenn sie keine Erzählung bieten kann. Unter diesem Aspekt sind Firmen, die sich online preiswert nur ein Logo entwerfen lassen, so schlecht beraten. Sie haben dann am Ende mehr oder minder ein Bildchen – aber wozu? Wo ist die Geschichte? Erst durch einen in aller Regel langjährigen und gemeinsamen Prozess – der oberflächlich betrachtet nicht ganz weit weg ist von einer Art Therapie – erfinden Klient und Designer gemeinsam diese Geschichte, die Identität eines Unternehmens, das an sich ja oft in dieser Hinsicht vorher ein “blank” ist. So wie ein Schauspieler sich nur auf der Leinwand, in seiner Arbeit, erfinden kann – durch die richtigen Rollen – so kann ein Unternehmen nur durch eine konsequente Identität in seiner Außenkommunikation zu einer Geschichte werden, die der Kunde erkennt, mag und deren Fortsetzung er hören will. Weshalb wir ungern von “Branding” reden – das klingt verdächtig schnell und mechanisch, Stempel drauf und fertig, nächste Kuh bitte. Passender ist eher im Kontext einer “Story” zu denken, die langfristig läuft, die atmet und die insgesamt eine Marke erzählt. Und das ist ein im höchsten Maße alltagspsychologischer Prozess, der eine Brücke spannt zwischen dem an sich ja nüchternen Unternehmensziel, Profit zu machen, und den Wünschen der Endkunden, die sich in eine Marke verlieben dürfen wollen.

Gute Werbung und erfolgreiche Design-Ansätze erzählen dabei natürlich keine neuen Geschichten – es ist ein seltsamer Irrglaube, dass gutes Design stets “neu” sein müsse – sondern die richtigen Geschichten, die passenden, die angemessenen. Dabei stellt sich zum einen die Frage, welche Story die Kunden unserer Kunden eventuell hören wollen, denn obwohl die Zielgruppe zur allzu Heiligen Kuh des Marketing geworden ist, sollte man sein Publikum ja nun wirklich aus den Augen verlieren. Zum anderen ist aber die Frage, welchen Film wir als Drehbuchautoren für genau diesen Schauspieler schreiben können. Aus Woody Allen einen Action-Helden machen zu wollen, funktioniert eben nicht. Andererseits war es für Arnold Schwarzeneggers Karriere vielleicht ja essentiell, sich selbst in Komödien parodieren zu können, in seiner Story mehr Facetten als nur den Conan/Terminator-Typus zu entdecken, aus dem rituellen Stereotyp herauszubrechen. Es geht also eben doch um die Anwendung von Entwicklungs- vor allem aber sozialpsychologischen Erkenntnissen im Alltag. Was auch Verantwortung bedeutet, ganz banal weil hier die Chance zu Manipulation und Missbrauch liegt. Wie jeder Autor können wir Designer unsere Kraft der Verführung ehrlich einsetzen und mit besten Absichten handeln – oder wir können lügen und verführen. Da ein Designer allen Vorurteilen zum Trotz mit seiner Arbeit mehr tut als nur mehr oder minder hübsche oder hässliche Schilder und Papiere zu entwerfen, sollte es zur Ausbildung gehören, ein gewisses Maß an Verantwortung für das eigene Tun zu entwickeln. Wie PR-Spezialisten, wie Massenmedien-Autoren, wie eben auch auf der individuellen Ebene die Psychologen, sind wir in einem größeren oder kleineren Ausschnitt der Wirklichkeit daran beteiligt, Meinungen zu bilden, zu (ver)formen, und zu hinterfragen. Für uns gilt insofern der hippokratische Eid, keinen Schaden anzurichten.

 

 

 

Therapie

Womit wir bei einer zweiten Ebene von Design sind. Denn es geht nicht nur darum, eine Geschichte psychologisch gut aufzubereiten und die narrativen Tricks des Unterbewussten zu kennen, Spannung oder Humor, Pathos oder Leidenschaft heraufzubeschwören – es geht auch um die Arbeit an der Substanz, um “Therapie”.

Das klingt hochgestochen. Um deshalb gleich die Luft herauszulassen: Designer sind keine klinischen Psychologen, auch wenn viele Design-Firmen ihre Leistung gerne nach mehr klingen lassen möchten und sich selbst fast tiefenpsychologische Kompetenz zusprechen. Kaum ein Designer hat Psychologie studiert und angelesenes Wissen gilt nicht, ein NLP-Buch ersetzt keine Praxiserfahrung. Selbst als Ex-Psychologiestudent würde ich mir niemals anmaßen, ernsthaft einen Kunden oder eine Firma zu “therapieren”, das ist auch nicht der Job eines Designers. Dennoch gab es einen Grund, warum ich von der unternehmensberaterischen Laufbahn zum Design gewechselt bin: Design ist angewandte Organisationspsychologie, es wirkt nicht nur als Marketing-Instrument nach außen, sondern kann mittelfristig auch ganz entscheidende Inneneffekte haben, weil wir als Designer Identität und Kommunikation eines Unternehmens prägen – also auch die Motivation der Mitarbeiter, die Führungspsychologie, die Kultur und den Habitus des Ganzen. Wir erreichen das durch die Kumulation oft fast beiläufig wirkender Prozesse – durch die Wahl von Worten und Bildern, über die eine Firma mit Kunden und Mitarbeitern kommuniziert und in denen sie sich selbst definiert. Corporate Design ist für uns deshalb nie ein Prozess, der – was überraschend viele Kunden glauben – aus dem Erstellen einer Wort-/Bildmarke, einer Website und eines Haufen Papiers besteht, sondern wirklich erfolgreich immer nur als enge Zusammenarbeit in der alltäglichen Anwendung denkbar ist, idealerweise also weit über das hinausgeht, was die eigentliche klassische Grafik-Designer-Tätigkeit ist. Aus meiner Sicht liegt hier ein entscheidender Unterschied zwischen dem Grafik-Design alter Prägung und einem Kommunikations-Design, das sich bis heute immer noch sehr gut aus den Ideen und Ansätzen eines Otl Aicher füttern kann und eben die “Lebensprozesse” eines Unternehmens abbildet… und formt. Es ist ein kleinteiliger und langsamer Ansatz, in der viele kleine Texte, viele Bilder, viele Medien irgendwann eine “Gestalt” bilden, eine ganzheitliche Idee, die deutlich mehr als die Summe ihrer einzelnen Elemente darstellt. Die wahre Tätigkeit von Design ist der Versuch, dieses Puzzle zusammen mit dem Klienten – und seinen Mitarbeitern und Kunden – dynamisch zusammenzusetzen.

Gespräch

Überraschenderweise ist gerade dieser Aspekt der Design-Tätigkeit zunehmend schwerer geworden. In einer Zeit von Pitches und von einem zutiefst asymmetrisch gewordenen Verhältnis zwischen Auftraggeber (was schon ganz anders klingt als Klient) und Dienstleister (was schon ganz anders klingt als Berater), in einer Zeit, in der Kunden nur schwer verstehen, dass Design auch Analyse und Zeit zum Nachdenken braucht – und man in 14 Tagen einfach nicht immer eine wirklich gute Lösung entwickeln kann, zumal nicht einseitig in Vorausleistung und ohne jeden Dialog –, in einer Zeit, in der sich die meisten Entscheider darauf versteifen, selbst keine Zeit mehr zu haben, und schon gar nicht für solche Nebensachen wie den gesamten Auftritt und die Kommunikation ihres Unternehmens, ist es schwieriger geworden, einfach ins Gespräch zu kommen. Es ist ein wenig so, als würde ein Klient zum Psychotherapeuten sagen, er solle die Diagnose und Therapie bitte alleine leisten, ohne Anwesenheit des Klienten, und das bitte bis nächsten Dienstag. Was wir für ein Arzt/Patient-Verhältnis bizarr klingt – ebenso wie die Idee, dass ein Patient dem Chirurgen ins Messer greift und die Klinge selbst führt (“Ein bisschen mehr rechts oben, danke!”) – ist im Verhältnis von Designer zu Kunde oft normal geworden.

Als ich mich vor knapp zehn Jahren beim Bochumer Schauspielhaus bewarb, saß ich mit Kaffee und Arbeitsproben mit zwei Leuten auf dem Boden und wir haben uns entspannt unterhalten. Heute wäre in der gleichen Situation eine Beamer-Präsentation, angespannte Nerven, Leistungsdruck und Fütter-mich-Haltung sowie Ermüdungserscheinungen nach zig Präsentationen beim Kunden, kein Mit- sondern eher ein Gegeneinander. Faktisch so, als würde ein Patient erst einmal zehn Therapeuten showtanzen lassen, bevor er den Mut fasst, sich doch einem davon tatsächlich anzuvertrauen (“Ihr Kollege meint, ich sei manisch-depressiv, was haben Sie den so zu bieten?”). Keine Situation, in der du als Büro noch kontroverse Meinungen vertreten kannst und mit unangenehmen Wahrheiten auftrittst, so nötig das an sich vielleicht wäre, sondern eher eine, in der man von vorneherein defensiv auftritt. Die Idee, sich mit einer Deutschland-sucht-den-Superstar-Casting-Methode den passenden Partner zu suchen, wie in einer Art bizarrem Speed Dating, ist nach wie vor erschreckend. Weniger für uns Designer, wo es eher zu Routine- und Abschleifungsprozessen führen dürfte, sondern aus meiner Sicht primär für den Kunden selbst, der sich so unbewusst, aber quasi systematisch um die Chance eines auf Augenhöhe operierenden externen Partners/Beraters beraubt und Design auf ein “Erledigen” begrenzt. Das mag ein Spiegelbild genereller gesellschaftlicher Zerfallsprozesse sein, ein Analog zur Bindungsangst, das Supermarkt-Syndrom, bloß nichts in den Einkaufswagen zu legen, es könnte ja noch ein besseres Angebot kurz vor der Kasse kommen, Zapping nicht als TV-Konsum, sondern als Lebensparadigma. Schade ist es aber allemal, denn ganz unabhängig von der strukturellen Größe sowohl des Kundenunternehmens als auch des Designbüros – am Ende hängt der Erfolg davon ab, dass eine recht kleine Gruppe von Menschen gemeinsam Innovation und Erfolg will, Veränderung will, eine gemeinsame glaubhafte Gestalt der zukünftigen Form der Unternehmung entwickelt. Und dieser Prozess braucht eben hierarchiefreie, lebendige Kommunikation.

Denn ein Aspekt von Design ist sicher, dass nahezu jedes Unternehmen seine eigenen Komplexe hat – die einen mögen sich notorisch überschätzen, andere haben Minderwertigkeitskomplexe (und man mag argumentieren, dass auch die Größenwahnsinnigen ja nur ihre Komplexe hyperkompensieren). Ein großer Bestandteil der Arbeit ist, die Stimmungslage einer Unternehmung zu sondieren, indem man herumgeht und Meinungen einfängt, Workshops macht oder besser Einzelgespräche, idealerweise an der Kaffeemaschine auf dem Flur. Embedded Analysis. Die Ticks und Neurosen des Unternehmens einfangen, das Innenbild verstehen, einfach neugierig sein. Sich fragen, warum etwa ein internationales Untenehmen mit einer überschaubaren Führungsmannschaft von nur fünf Menschen es schafft, dass diese fünf Leute nie persönlich miteinander ins Gespräch kommen, obwohl sie auf der gleichen Etage sitzen. Überlegen, wie man einen Design-Prozess anschieben kann, der das ändert. Wie das Produkt am Ende aussieht, wird dabei fast zweitrangig, zentrales Moment des Designprozesses wird die Änderung der Unternehmenskommunikation an sich, das Entstehen neuer Ideen durch ad-hoc-Gespräche, das Öffnen längst verstopfter Adern, die Motivation, der Erfolg.

Viel davon ist Reden. Reden, überzeugen, immer wieder gegen die intrinsische Müdigkeit von Unternehmen – “So sind wir halt, das kann man nicht ändern” – ankämpfen. Viel davon ist Schamanismus, der Versuch dem Unternehmen eine Art Leben, eine Aura einzuhauchen, ohne dass man diesen Versuch wirklich bis ins Letzte methodisch festlegen könnte (oder sollte). Viel davon ist Liebe – man kann nur gut für ein Unternehmen arbeiten, das man auch mag, an das man glaubt. Und viel davon ist tatsächlich ein psychologischer Ansatz, der Symptome sucht, in Gesprächen analysiert, der Ticks und Neurosen ortet und dann nach einer geeigneten Therapieform sucht. Und die ist nicht eine geprägte und vergoldete Visitenkarte oder ein Geschäftsbericht mit der zigsten lustigen Variation eines Tortendiagramms, sondern eine langfristige Erzählung. Man redet in der Branche gern von “Markenarchitektur” – aber auch das suggeriert einen schnellen und dann abgeschlossenen Prozess. Entwurf, Richtfest, Einweihung, Einzug und Tschüss. Die Verantwortung ist aber idealerweise eine ganz andere, langfristigere, bei der die Designer eben im Zweifelsfall auch das Facility Management machen. Wenn man schon mit den Vergleich mit der Architektur sucht, dann vielleicht eher im städtebaulichen Bereich, wo schon längere Planungszeiträume, Anwohner sowie demographische und finanzielle Veränderungen dafür sorgen, dass das Drehbuch weniger festgeschrieben ist. Die Geschichte einer Marke ist ein lebendiger Prozess über Generationen (und insofern auch über mehrere Designer-Generationen hinweg), eine Art interaktive Erzählung, in der der Autor immer wieder durch Einflüsse von außen vor neue Herausforderungen gestellt wird, weil seine Charaktere und Situationen sich ganz anders entwickeln als vielleicht geplant – Corporate Design ist langsamer, fraktaler und vor allem holographischer als Architektur es jemals sein könnte.

Projektion

Im Idealfall schaffen wir dann als Designer eine Art Rolle, eine Maske, die glaubhaft auf unseren “Darsteller” abgestimmt ist. Es ist nicht das oft zu schlechte Eigenbild des Kunden, aber es ist auch nicht das häufig zu optimistische “So will ich sein”-Bild, diese zumeist nur aus Klischees bestehende Briefing-Projektion, die selbst das naivste Publikum nicht schlucken würde. Ich werde oft bei Sitzungen seltsam angesehen, wenn ich Sätze sage wie “Meine Vorstellung von Ihrer Firma ist…”, woher nehme ich die Frechheit, eine Vorstellung einer Firma zu haben, die ich erst seit wenigen Wochen kenne, wenn mein Gegenüber doch schon seit Jahren dort ist? Zumal mein Bild dann vielleicht auch noch von dem abweicht, was der Auftraggeber mühsam in geführten Mitarbeiter-Workshops erarbeitet hat.

Aber natürlich ist das die Chance, sogar das Privileg von Design: Von außen kommen, neugierig sein, basierend auf dem Rohmaterial eine neue, bessere Geschichte erfinden und diese dann gemeinsam ausfeilen. Die Neugier des Außenseiters ermöglicht überhaupt erst die Innovation und den Enthusiasmus, der noch nicht vom Mehltau innerer Strukturprozesse überzogen ist, nicht die Hornhaut von zig Fehlschlägen hat, nicht dieses “Been there, done that…”-Syndrom. Aus diesem Enthusiasmus heraus erwächst eine Story, eine Rolle, in die – mit etwas Zeit und Glück – der Kunde dann tatsächlich hineinwachsen kann. Und sich im Idealfall aus seiner Blockade befreit (“Das geht nicht, weil…”) und sich wieder entfalten kann.
Und ja, da sind wir beim billigsten Dale-Carnegie-Ansatz von der Macht des positiven Denkens, aber die Praxis gibt dem Ansatz absolut recht: Eine Firma, die sich besser kommuniziert, wird auch besser, das tatsächliche Gesicht kann in die projizierte Maske erfolgreich hineinwachsen. Mitarbeiter, Prozesse, Service und langfristig sogar Produktqualität können einem glaubhaften (d.h. nicht lügenden) Design nach und nach gerecht werden, die Minderwertigkeitskomplexe und Neurosen verschwinden. Aus dem Entlein ist so natürlich kein Schwan geworden, aber eben die bestmögliche Ente. Die Leistung des Designers ist es, den Kunden (als abstraktes organisatorisches Konstrukt, aber eben auch die tatsächlichen Entscheider als Personen) zu dieser Projektion eines positiven Bildes zu befähigen, zu enthemmen, zu beflügeln. Es ist die Arbeit von Propheten. Ein positives Zukunftsbild, eine angewandte Science Fiction zu entwickeln, zu dem der im Alltagsgeschäft gefesselte Kunde oft gar keine Zeit mehr hat – und dann die Überzeugungsarbeit zu leisten, die für die selbsterfüllende Prophezeiung nötig ist.

Um dieser Kärrnerarbeit gerecht zu werden, bräuchte es eigentlich eine solide psychologische Vorbereitung im Studium. Wobei natürlich die berechtigte Frage ist, was ein Studium – zudem als Bachelor – denn eigentlich noch alles leisten soll. Auf den Umgang mit spezifischer Software vorbereiten, ästhetisches Fingerspitzengefühl, Handwerk, Innovationshunger, Kulturgeschichte, crossmediales Denken vermitteln und dazu auch noch Betriebswirtschaft und Psychologie trainieren? In einer Zukunft, in der die unreflektierte, rein subjektiv ästhetische Gestaltung wahrscheinlich eher den Amateuren und Hobby-Crowdsourcern überlassen sein wird, in der begründbares, strategisches Design also an Bedeutung gewinnen wird, kann es aber leider gar keine andere Wahl geben. Noch ist es branchenüblich, bei der “Autorenschaft” im Kommunikations-Design an eine visuelle Strategie zu denken, die dem Designer alleinige Obhutschaft über das Aussehen seines Werkes verleiht – aber in Zukunft wird es eben auch darum gehen, als Teil eines “Autorenkollektivs” jenseits der reinen visuellen Oberfläche aktiv zu sein und langfristig an der psychologischen Gestalt eines Kunden mitzuwirken. Wer Kommunikation dann ganzheitlich gestalten will, wird also neben Saville, Brody und HardWerken wahrscheinlich eben auch Adler, Reich, die Perls, vielleicht auch Watzlawik, Mead, Luhmann, Parsons und andere im Regal stehen haben. Und sich nicht ganz zu unrecht als eine Art Kommunikations-Therapeut verstehen.