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Theater Bielefeld - Interview mit Hans Dirk Schellnack Theater Bielefeld - Interview mit Hans Dirk Schellnack


Hans Dirk Schellnack
Hans Dirk Schellnack
www.nodesign.com

Kannst du das Projekt "Zeitkapsel" etwas näher vorstellen? Wie kam es dazu? Was ist die Intention hinter dem Projekt?

"Zeitkapsel" ist eigentlich nur unser interner Arbeitsbegriff für das Zeit-Punkt-Saisonheft des Theater Bielefelds. Es war der Wunsch des Intendanten Michael Heicks, dass sein Saisonbuch 2009/10 für die Leser nicht nur die übliche Sammlung von Stückvorstellungen und Darstellerbildern sein sollte, sondern auch einen Zusatznutzen als Kalender haben sollte. Unsere ursprüngliche idee eines fast 400 Seiten starken Buches in Hardcover ist leider aus Budgetgründen nicht umsetzbar gewesen, zumal der Druck der 35.000 Bücher unter einem Euro pro Exemplar liegen musste, weil wir nicht mehr Budget hatten als das 112-seitige Heft aus dem Vorjahr. Am Ende wurden es rund 200 Seiten und ein integrierter heraustrennbarer Leporello mit Abo-Infos, beim Cover mussten wir leider massive Abstriche machen, aber die Marketingleiterin Anne Hardt hat aus ihrem Budget mit kluger Verhandlung wirklich ein Buch gemacht, dem man die unter starkem Sparzwang stehende Produktion keine Sekunde ansieht, das an sich ist schon toll - es kann ganz gut mit deutlich teureren Büchern aus Berlin oder München oder Hamburg mithalten, hat aber nur einen Bruchteil davon gekostet. Die Stücktexte und Darstellerphotos (und die sehr umfangreichen Serviceinformationen) gibt es natürlich trotzdem, aber wir haben den Kalender einigermaßen integrieren können, indem am unteren Rand eine Art Kalendarium mitläuft, dass die gesamte Spielzeit umfasst. Stücke und Veranstaltungen sind entsprechend nicht wie sonst üblich nach Sparten (Theater/Oper/tanz) sortiert, sondern nach Datum. Die Darstellerportraits von Philipp Ottendörfer kamen wie eine Magazinstrecke als Block - und auf den noch freien Seiten konnten wir eigentlich machen, was wir wollten. Die Idee war, ein Spiel- Zeit-Buch zu machen, das die Leser mit jeder Doppelseite auffordert, zu einem Tag vielleicht etwas zu machen, das irgendwie seltsam wirkt, verpeilt, das mal zum Lachen ist und mal ernst, mal zum mitmachen einlädt. Wir hatten ursprünglich die Idee, zu dem Buch ein Blog einzurichten, wo die Leser ihre erfüllten Aufgaben hinschicken sollten - das wäre großartig gewesen - aber leider geht Anne dieses Jahr von Bielefeld weg und wir wollten ihrer Nachfolgerin nicht unabgesprochen so eine Aufgabe hinterlassen :-D.

Wir haben dann vom Theater eine Riesenlieferung mit Objekten, Papieren, Zeichnungen, Spielzeug und so weiter gekriegt, aus dem Theaterfundus, von den Darstellern, Dramaturgen, Regisseuren, Mitarbeitern - und darüber hinaus haben wir über mein Blog dazu aufgerufen, uns Sachen zuzuschicken, die mit persönlichen Erinnerungen zusammenhängen. Dabei kam so viel herum, dass wir nicht alles verwenden konnten - manche Dinge duften wir auch nicht verwenden -, aber wir hatten so eine große Sammlung von seltsamen Objekten, die dann photographiert oder gescannt und freigestellt wurden, bearbeitet und die ich dann an einem manischen Wochenende unter hohem Zeitdruck - die Flut der Photos und die Komplexität des chronologisch aufgebauten Layouts, das sehr empfindlich auf änderungen reagierte, hat unsere Deadline ziemlich eng gemacht am Ende - ins Layout gebaut habe. Die Seiten waren zuerst sehr viel dichter, das Theater hat einige Inhalte vereinfacht und wollte weniger Chaos, aber eigentlich ist das am Ende alles sehr rund gewesen und außer zwei drei anstößigen Inhalten, die vielleicht Leser in Bielefeld verschreckt hätten, sind unsere Ideen sehr gut angenommen... das war eine sehr schöne Zusammenarbeit mit Anne, wirklich großartig. Das Ergebnis ist ein Sammelsurium von Eindrücken und Andeutungen, die hoffentlich beim Leser selbst wieder etwas auslösen, Nostalgie wecken, kreativ machen, zum krickeln und spielen anregen und ein bisschen über das lieblose Abfrühstücken hinausgehen, das leider so viele Theatersaisonhefte inzwischen machen. Wir hatten alle - im Studio aber auch im Theater, wo uns etwa Milena Fischer, die Hausgrafikerin in Bielefeld, mit ganz tollen Anziehpuppenbildern versorgt hat und immer wieder eine große Hilfe war - viel Spaß an dem Buch und die Resonanz im Haus, soweit wir das beurteilen kann, war sehr gut. Ich bin sehr gespannt, wie das Feedback der Theaterbesucher in Bielefeld ist - ich versuche bei Saisonbüchern immer, etwas zu machen, was sich eben wie eine Inszenierung anfühlt, eine Dramaturgie hat. Dieses Mal war es sehr carefree, verspielt, oft sogar albern. Das Heft sieht gar nicht typisch nach nodesign aus, vieles ist so naiv collagiert, dass es sogar GAR nicht nach Design aussieht, weder nach sauberen International Style noch nach pseudo-Vice-Mag-ungeföhnten Sachen, sondern einfach zusammengehauen...eben so, wie du es in einem Sudelbuch ja auch hättest. Die Tatsache, dass es trotzdem ein funktionierendes Saisonbuch sein kann, ein klares Werbemedium also, setzt diesem Spiel Grenzen, aber ich hoffe, die Balance ist ganz okay geworden. Wichtig fanden wir, dass der Spaß, den wir bei der Produktion hatten, hooooofffentlich auch beim Leser durchkommt.


Wie kam es zu der Zusammenarbeit?

Wir haben das ursprüngliche Corporate Design des Theater Bielefeld entwickelt und dieses ein Jahr begleitet, zwei Saisonhefte gemacht und mit den Abendprogrammen auch ein paar Preise eingeheimst, bevor die Zusammenarbeit leider beendet wurde und Bielefeld mit einer lokalen Agentur und Hausgrafik umsattelte. Etwas über zwei Jahre später waren wir überrascht - aber sehr erfreut - eine Bitte um ein Angebot für die Spielzeitbuchproduktion zu erhalten. Die Ausschreibung haben wir gewonnen und nach einer sehr kreativen Kick- Off-Sitzung im Theater ging es los - Philipp hat die Photos der Darsteller gemacht, mit absolut freier Hand, wir haben unsere Sammlung begonnen. Wir haben uns vor allem sehr gefreut, wieder mit Michael Heicks zusammenzuarbeiten, weil das Bielefelder Theater relativ zur Größe der Stadt vor allem im TAM immer wieder tolle Produktionen macht und uns gerade in der Anfangsphase als haus mit einer schönen Bandbreite von publikumswirksam bis experimentell beeindruckt hat. Ich glaube, Anne Hardt mochte unsere seit Jahren ja sehr schön laufende Zusammenarbeit mit den Bielefelder Philharmonikern (die im gleichen Haus sitzen) und wir alle haben uns wirklich gefreut, als sie sich spontan bei uns gemeldet hat.