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Stempelschneiden PDF

Interview mit Daniel Janssen - Teil 2 von 2

Fragen von Christina Bee

Kannst Du uns die einzelnen Schritte zum fertigen Stempel genauer erläutern?

Meine Lehrerin hat einen Buchstaben, das "B" der Garamond, als Vorlage für mich ausgewählt, den ich nachschneiden sollte. Der Buchstabe "B" ist ein Buchstabe, der viele Schwierigkeiten vereint wie zwei Punzen, Kurven und Kanten. Von daher war er also gut zu Übungszwecken geeignet. Bevor man anfängt den Buchstaben zu schneiden, muss man die Vorlage auf den rohen Stahl übertragen. Eine Möglichkeit dafür ist der sogenannte "smoke print", den man jedoch nur dann anwenden kann, wenn es schon einen Stempel gibt. Hier führt man den fertigen Stempel durch eine Petroleum-Lampe, so dass sich der Ruß am Schriftbild niederschlägt. Schließlich drückt man den Stempel genau im 90 Grad Winkel auf einen Folienträger, den man dann wiederum sehr sorgfältig auf den rohen Stempel überträgt. Nun hat man die Möglichkeit mit zwei verschiedenen Techniken den Stempel zu bearbeiten. Die weiter verbreitete Variante ist das Arbeiten mit Punzen, also mit Gegenstempeln. Wenn man mit dieser Variante nun das "B" bearbeiten würde, würde man zuerst auf zwei kleine Hilfspunzen zurückgreifen, die man mit der Feile herausarbeitet. Mit diesen Hilfspunzen presst oder schlägt man in den eigentlichen Stempel die Punzen hinein. Bei der Imprimerie Nationale wird jedoch die andere Variante angewandt. Hier wird nicht mit Gegenstempeln gearbeitet, sondern der Buchstabe wird mit Feile und Stichel direkt herausgearbeitet. Diese Variante ist besonders anspruchsvoll und schwierig, da man die Punze mit vielen, parallel angeordneten Strichen weggraviert.

Nach 3 Tagen war der Stempel dann soweit, dass man das "B" erkennen konnte. Ich hätte noch gut zwei Tage weiter arbeiten können, meine Serifen waren noch viel zu dick. Weil die Zeit knapp war, haben wir an diesem Punkt gestoppt und sind zum nächsten Schritt übergegangen. Jetzt wurde der Stempel durch einen Härteprozess fixiert. Der Stempel wird in einem Brennofen erhitzt, wodurch sich das Metallgefüge verändert. Der Stahl bekommt eine deutlich höhere Härte, was zur Folge hat, dass er nicht mehr zu bearbeiten ist, man kann ihn nur noch abschleifen. Der Stempel ist jetzt hart genug, um die sogenannte Matrize zu pressen. Das Matrizenmaterial ist Kupfer und somit ein eher weiches Metall. Der harte Stahlstempel lässt sich nun mit Hilfe einer Presse problemlos ins Kupfer drücken.

Am vierten Tag war damit der Workshop für mich auch zu Ende. Man hätte natürlich noch weiter gehen und mit der Matrize die Bleilettern gießen können, aber mit dieser Technik bin ich schon sehr vertraut. Im Museum der Arbeit, hier in Hamburg, gieße ich zu Vorführungszwecken häufiger Bleilettern.

Kann man sagen, dass das Handwerk des Stempelschneidens am Aussterben ist? Wie viele Menschen weltweit beherrschen noch diese Kunst?

Ja, man könnte sagen, dass es dabei ist auszusterben. Weltweit gibt es maximal noch 5, 6 Leute, die das können. In Deutschland gibt es einen Stempelschneider, der dieses Handwerk noch richtig gelernt, aber 1967 den letzten Stempel geschnitten hat. Dem Druckkunstmuseum Leipzig hat er sein Wissen und sein Arbeitsmaterial weiter gegeben.

Warum ist es wichtig, dass solch ein Jahrhunderte altes Handwerk heute noch gelehrt und gelernt wird?

Was ich erstaunlich und interessant an der ganzen Technik finde, ist, dass die Erfindung von Gutenberg als eine der wichtigsten Erfindung überhaupt in die Geschichte der Menschheit eingegangen ist, aber meistens nur die letzten Schritte der Erfindung demonstriert werden. Das Letterngießen können noch ein paar Leute, das Drucken relativ viele, aber alles was davor kommt, beherrscht kaum noch jemand. Aus Büchern kann man sich natürlich auch Wissen aneignen, aber man kann nicht wirklich danach arbeiten. Die Theorie kannte ich schon und deswegen reizte es mich, das Ganze von jemandem gezeigt zu bekommen, der mir spezielle Tricks und Besonderheiten erklären kann.

Du bist nicht nur Grafik-Designer und gelernter Graveur, sondern auch Schriftgestalter. Hat das, was Du in Paris gelernt hast, nun Einfluss auf deine Schriftgestaltung?

Auf jeden Fall, es ist schon mal ein ganz anderes Arbeiten, wenn man aus Stahl Buchstaben schneidet, als am Rechner Vektoren hin- und herzuschieben. Aber dass ich jetzt bewusst sagen kann, genau dieses oder jenes mache ich jetzt anders, ist nicht der Fall. Ich denke, es hat eher unterbewusst Einfluss auf mein Arbeiten.

War ein Stempel-Schneider gleichzeitig der Entwerfer der Schrift?

Ja, das war schon so, dass der Stempel-Schneider und der Gestalter ein und dieselbe Person war. Allerdings änderte sich die Situation mit dem maschinellen Stempelschnitt und der Galvanoplastik. Jeder wurde immer mehr Spezialist für seinen Teilbereich.

In Hamburg arbeitest Du etwa ein- bzw. zweimal in der Woche im Museum der Arbeit. Ein wesentlicher Bestandteil des Museums sind die Druckwerkstätten. Kannst Du mehr davon erzählen?

Im Museum der Arbeiten werden verschiedene Berufe gezeigt, alle mit dem Hintergrund der Industrialisierung und der sozialen und Geschlechter übergreifenden Situation am damaligen Arbeitsmarkt. Neben dem Druckgewerbe werden auch andere Bereiche gezeigt wie Buchhaltungswesen und Handel. Allerdings hat der Druckbereich einen relativ großen Anteil, einerseits, weil die Maschinen einen großen Raum einnehmen, anderseits, weil sich dort viele Leute, wie ehemalige Drucker, ehrenamtlich engagieren.

Im Druckbereich gibt es den Buchdruck mit den Heidelberger Druckmaschinen, Andruckpressen, allen möglichen kleinen Bostentiegeln, ein relativ großes Sortiment an Holz- und Bleilettern. Dann gibt es in dieser Abteilung die Holzletternfräse, die Buchbindeabteilung mit Druckveredelung, Heißfolienprägung, Blindprägung, Stahlstichprägung usw. Als zweiten Bereich gibt es den Tiefdruck, sowie ausgefallene Techniken wie Heliogravüre. In einer eigenen Abteilung gibt es den Vorläufer vom Offsetdruck, den Steindruck, die sogenannte Lithografie.

Im Buchdruckbereich gibt es auch Monotype- sowie Linotype-Maschinen, wobei die Monotype gerade wieder in Gang gebracht worden ist. Damit ich lerne, wie das Ding funktioniert, beschäftige ich mich seit ein paar Wochen mit ihr.

Was wirst Du mit dem Wissen, was Du Dir nun in Paris erworben hast, anfangen? Hast Du schon Pläne für eine neue Schrift? Wirst Du nun etwas von Deinem Wissen am Museum der Arbeit einbringen?

Mit neuen Schriftideen habe ich die Schublade mehr oder weniger schon voll, wobei ich momentan schon recht viel Schriftgestaltung mache. Allerdings hat dieses nun weniger mit der handwerklichen Ausbildung in Paris zu tun. Mein Plan ist vielmehr, die wenigen Schriftschneider, die es noch gibt, kennenzulernen. Der nächste Ausflug geht nach Leipzig, um dort den letzten deutschen Schriftschneider zu interviewen. Ja, im Prinzip ist die Idee das Wissen zu sammeln, solange die letzten Vertreter dieses Gewerbes noch leben. Im Museum soll in Form von Vorträgen und Vorführungen der komplette Druckprozess von Anfang an gezeigt werden. Damit würden wir uns von vielen anderen Museen unterscheiden, da diese nur in der Lage sind, ihren Besuchern den Prozess erst vom Schriftguss an zu zeigen.

Mich hat schon immer interessiert etwas zu machen, was eher selten ist. Schon bei meiner Graveurausbildung war es so, dass mich das Besondere und Spezielle an dem Beruf gereizt hat.

Daniel, vielen Dank für das Gespräch.