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Able – partizipative Designprozesse in Behindertenwerkstätten

„able Berlin“ ist das Projekt von Isabelle Dechamps, die sich während ihres Studiums auf ganze besondere Designprozesse eingelassen hat: auf partizipative Designprozesse in Behindertenwerkstätten. In diesem Workshops entstehen Produktdesigns, die allesamt Unikate sind. Wir haben Isabelle gebeten ihr Projekt näher vorzustellen.

Das Klischee eines klassischen Designers geht oft in diese Richtung: »Designer mit schwarzen Rollkragenpullovern designen schöne Dinge«. Du bist mit dem Projekt »able« einen ganz anderen Weg gegangen. Die Designer, mit denen du zusammen arbeitest, sind Menschen mit psychischen und geistigen Behinderungen. Was war die Idee hinter dem Projekt?

Die Idee, mit der ich able als Projekt begann, ist, dass die Menschen, die in Werkstätten für Menschen mit Behinderungen arbeiten, Produkte entwerfen und herstellen können, mit denen sie sich identifizieren und die perfekt auf ihre Fähigkeiten abgestimmt sind. Dabei geht es um das Entdecken und Sichtbar- machen der besonderen Talente jedes Einzelnen. Der Fokus liegt also auf den Fähigkeiten und nicht auf den Hinderungen. Wir begeben uns in einen intensiven Arbeitsprozess, experimentieren mit Materialien, Formen, Farben und Ideen und entwickeln trotzdem schöne Dinge, die ganz eigene Geschichten erzählen und einen sozialen Mehrwert haben. Das alles in richtigen Arbeitsklamotten, ganz nah am Material, mit den Händen denkend.

Wie unterscheidet sich die Zusammenarbeit hinsichtlich einer Zusammenarbeit mit Designern im Berufsalltag? – Welche Design-Methoden wendest du konkret an und wie unterscheiden diese sich von einer »normalen« Herangehensweise? Wie hast du die »Spezialgebiete« der Workshop-Teilnehmer gefunden und weiter entwickelt?

Wir brauchen zunächst einmal viel Zeit, Freiheiten und Raum für einen Prozess, der es erlaubt, neue Erfahrungen mit den altbekannten Arbeitsmaterialien zu machen und Ideen und Produkte aus unterschiedlichen Perspektiven zu untersuchen. Manchmal ergeben sich schon durch das simple Auf den Kopf Stellen eines Gegenstandes ganz andere Nutzungsmöglichkeiten.
Zu Projektbeginn muss eine Basis und das Vertrauen in der Gruppe aufgebaut werden. Mit freien Kreativübungen werden die Projektteilnehmer für das Thema Design sensibilisiert. Daraufhin werden sie intensiv bei der Entwicklung eigener Produktideen betreut. Wir arbeiten analog und viel direkt am Material aus der jeweiligen Werkstatt.
Ich glaube es gibt im Design keine Standard- Herangehensweise. Für uns ist es wichtig, für und mit jedem den richtigen Weg zu finden.

Welche Produkte entstanden in den Workshops? Was macht die Gestaltung von able-Produkten aus? Was macht sie einzigartig?

Bisher wird das Projekt in 6 Werkstätten durchgeführt. So entstanden in einer Keramikwerkstatt Gewürztöpfchen aus Porzellan, von denen jedes einzelne mit einem anderen Muster verziert wird; eine Hängelampe aus Wachs erprobt eine neue Materialanwendung in einer Kerzengießerei, oder das Tafellack Memory für jung und alt, welches die Spieler zunächst selber mit Kreide bemalen können. Diese und weitere Produkte sind aus Ideen der Werkstattarbeiter entstanden und in sensibel gelenkten Prozessen mit jungen Designern zur Produktreife geführt worden. Dadurch, dass sie direkt im Werkstattkontext entstehen, sind sie auf die Produktionsmöglichkeiten der Werkstätten gut abgestimmt. Jedes Objekt hat seine eigene Entstehungsgeschichte und macht die Potentiale seiner Kreateure auf eine für sie ungewohnte Weise sichtbar.

Die Teilnehmer der Workshops arbeiten bereits in Behindertenwerkstätten, die du gezielt angesprochen hast. Wie war die erste Reaktion der Teilnehmer und der Werkstattbetreiber? Hast du einen Einblick in den normalen Arbeitsalltag der Behindertenwerkstätten erhalten?

Bevor ich angefangen habe,mit den Leuten aus der Werkstatt in Workshops zu arbeiten, habe ich mir den Arbeitsalltag in den Werkstätten genau angesehen, indem ich einige Wochen einfach mitgearbeitet habe. Das war wichtig um auszuloten, wie ich meine Module zielgruppengerecht konzipiere und mit welchen Voraussetzungen ich rechnen kann. Die Resonanz auf Seiten der Werkstattleitung und der Teilnehmer war von Anfang an sehr gut. In jedem gemeinschaftlichen Prozess mit vielen Akteuren gibt es natürlich neben Höhen auch immer wieder Tiefen. Die Arbeit in bestehenden Strukturen mit Menschen, die unterschiedliche Krankheitsbilder aufweisen, verlangt ein hohes Maß an Sensibilität. Wir haben alle voneinander und miteinander gelernt. So bin ich froh zu wissen, dass uns auch allen an der Fortführung und Weiterentwicklung des Projektes liegt.

Mit welchen Werkstätten hast du zusammen gearbeitet und was hast du als nächstes vor?

Mit den Abteilungen Holz und Keramik der VIA Werkstätten, der Bonbonmanufaktur und der Textilwerkstatt von Faktura, der Buchbinderei bei Spektrum und der Kerzengießerei von Mosaik. Dazu muss ich sagen, dass ich nicht in allen 6 Werkstätten die Gestaltungsprozesse angeleitet habe. Zur Zeit leite ich ein Semesterprojekt an der Kunsthochschule Berlin-Weißensee und so konnten 10 Studenten aus den Bereichen Textil und Fläche, Produktdesign und Mode die Idee hinter able weiter erproben. Mein großer Wunsch ist, able in den nächsten Monaten und Jahren als soziales, unabhängiges Unternehmen aufzustellen, das sich zum Ziel setzt, die Arbeitswelt für Menschen mit Behinderungen selbstbestimmter und kreativer zu gestalten und dabei tolle Produkte zu entwickeln.

Um dein Projekt zu finanzieren, hast eine Crowdfunding-Kampagne auf Pling geschaltet. War das deine erste Begegnung mit Crowdfunding und war das Ergebnis so, wie du es dir vorgestellt hast?

Das war mein erstes Crowdfunding und natürlich habe ich mir erhofft, die zum Ziel gesetzte Summe von 8000 € zu erreichen. Der Weg dahin war sowohl härter als auch gewinnbringender als erwartet. Mir ist bewusst geworden, dass Öffentlichkeitsarbeit, also die Kommunikation unseres Projektes an den richtigen Orten mit der jeweils richtigen Gewichtung und Sprache ein wesentlicher Erfolgsfaktor ist und dass es eigentlich auf den ideellen Wert der Unterstützung durch die Vielen ankommt. Das Geld für die Umsetzung des Projektes wäre schneller mit einem Nebenjob verdient , aber die Hilfe, Motivation und Wertschätzung neuer und alter Kontakte, die mir durch das Crowdfunding zuteil geworden ist, kann man nicht mit Geld aufwiegen.

Das Thema soziale Verantwortung im Rahmen von Design scheint erst in den letzten Jahren wirklich zum Thema geworden zu sein. Siehst du das auch so und was, denkst du, ist Verantwortung von Designern?

Durch viele Teile der Designgeschichte zieht sich ein sozialer Gedanke, auch im Hinblick auf Verantwortung. Oft waren das jedoch einzelne Stimmen, wie bei Papaneck und Gui Bonsiepe, die ab den 70igern den Menschen unter sozialen Gesichtspunkten in den Mittelpunkt ihrer Designpraxis setzten. In den letzten Jahren ist das Thema nachhaltiger Konsum jedoch fast schon Mainstream geworden. Dabei geht es vermehrt auch um Themen wie Arbeitsbedingungen neben Fragen der Suffizienz und der Umweltverträglichkeit. Ich finde es wichtig für Designer, in einen noch offeneren Dialog mit den Konsumenten zu treten und ihnen ihre Entscheidungsmöglichkeiten und auch eigene Gestaltungsmöglichkeiten aufzuzeigen.

Mehr über das Projekt: http://www.able-berlin.de

Vom 14. bis 27. Juli gibt es eine Ausstellung mit den Produkten, sowie Workshops in der Kunsthalle am Hamburger Platz in Berlin. Alle Infos dazu findet ihr hier.

Das Interview führten Sebastian Waters und Nadine Roßa

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