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Werkbund.Jung

»Zukunft ist gestaltbar, die Jugend zu zaghaft, Moral überstrapaziert und Erziehung relational zu betrachten.« Der Werkbund bietet seit 1907 eine diskursive Plattform, in der Politiker, Industrielle, Handwerker und Künstler zusammen kommen und gesellschaftlich relevante Themen bearbeitet werden. 2006 gründete sich initiativ der Werkbund.Jung, der über die Aktivität seiner Mitglieder Projekte auf gestalterischer sowie theoretischer Ebene bearbeitet, diskutiert und realisiert.
Wir führten ein Interview über die Ziele und Hintergründe des Werkbund.Jung.

Schön, dass wir heute in Weimar zusammengekommen sind! Als sich der Deutsche Werkbund 1907 gründete, war sein erklärtes Ziel, »die Veredelung der gewerblichen Arbeit im Zusammenwirken von Kunst, Industrie und Handwerk, durch Erziehung, Propaganda und geschlossene Stellungnahme zu allen einschlägigen Fragen«. Würdet ihr das als Werkbund.Jung Mitglieder heute noch genauso vertreten und aus welchen Gründen?

Pierre: Das eigentlich Spannende ist in meinen Augen nicht der viel zitierte Slogan an sich, sondern die Diskurse die dazu geführt haben. Ein Beispiel: Wo bleibt die Kultur? Wo bleibt das kulturelle Leben in einer rationalisierten Fortschrittsgesellschaft, in der wir uns heute ja immer noch befinden? Anstatt jetzt also einen Slogan einfach nur zu adaptieren, sollten wir besser unsere heutigen Fragen formulieren und eigenständig verhandeln. Aber einem Aspekt würde ich dennoch zustimmen wollen: Bei den heutigen Herausforderungen ist das Zusammenwirken der gesellschaftlichen Instanzen immer noch hoch aktuell.

Gogo: Ich finde es durchaus spannend, diesen vor über 100 Jahren entstandenen Leitsatz – gleichzeitig Gründungszweck des Vereins und auch heute noch in der Präambel des Deutschen Werkbunds e.V. zu finden – in die Begrifflichkeiten einer heutigen Denk- und Sprechweise zu transformieren. Dies impliziert neben dem Austausch von Begrifflichkeiten – beispielsweise »Qualität« anstatt »Veredelung« oder »Aufklärung« anstatt »Propaganda« – eben auch die kritische Auseinandersetzung mit dessen Inhalt und damit die Überprüfung auf dessen heutige Gültigkeit. Ich stimme Pierre in einem Punkt besonders zu: Wichtiger als die Formulierungen scheinen mir Motivation und vor allem Intention der damaligen Gründer des Deutschen Werkbunds zu sein. Dies lässt sich prima an der Entwicklung des geflügelten Wortes »made in germany« erklären.

»made in germany« ist heute das Qualitätszeichen für Produkte aus Deutschland, aber das war nicht immer so. Ganz im Gegenteil, »made in germany« war rein negativ konnotiert und wurde in den 1890er Jahren in England eingeführt, gerade um deutsche Produkte zu brandmarken. Und es war tatsächlich so, dass deutsche Produkte von niederer Qualität waren. Der Werkbund empfand sich als der Zusammenschluss, der nun daran etwas ändern wollte. Er vereinte nicht nur die Kompetenz, sondern auch Einfluss und damit die notwendigen Mittel und Möglichkeiten dazu. Und das alles in einem bis heute wohl einzigartigen Zusammenspiel von einzelnen Personen und Unternehmen aus Kunst, Industrie und Handwerk. Und – das ist entscheidend – auch aus der Politik.

Könntet ihr die Ziele des Werkbund.Jung kurz und knapp definieren oder zusammenfassen? In Bezug auf den alten Grundsatz sind ja noch immer einige Punkte offen … wie Kunst, Handwerk, Erziehung. Auch gerade der ethische Aspekt in einer wirtschaftlich orientierten Gesellschaft.

Pierre: Wie gesagt, ich sträube mich dagegen, Komplexitäten in kurze griffige Formeln zu packen oder eine direkte Adaption vom Historischen auf das Zeitgenössische zu versuchen. Für den Werkbund.Jung gilt somit: Die Zeit von Dogmen und lang andauernden Formeln ist vorbei. Diskurse müssen dynamisch bleiben, müssen in Bewegung bleiben, müssen sich gerade dann gegenseitig befruchten, wenn sie vordergründig wie Gegensätze erscheinen. Das alles versuchen wir über die Projekte umzusetzen. An Deinem zuletzt genannten Aspekt, der »ethischen Wirtschaft«, wird das – wie ich finde – deutlich: Der historische Werkbund kann doppelt gelesen werden. Erstens kann man ihn als Wirtschaftskultivierer bezeichnen. Zweitens aber auch als Wirtschaftshardliner. Beides möglich. Besonders beim Werkbund sollte man vorsichtig sein, sich nur an den bekanntesten Sätzen zu orientieren oder ihn gar in eine Schublade stecken zu wollen.

Es geht euch also nicht um Erziehung, wie im alten Grundsatz erwähnt?

Gogo: Erziehung war lange einer der Schwerpunkte in der Werkbundarbeit. Beispielsweise manifestierte sich die Werkbund-Idee im Neuen Frankfurt, das in den zwanziger Jahren durch das Dezernat May mit völlig neuen Grundrisstypologien, Raumprogrammen, Einrichtungen und dazugehörigen Freiräumen und Außenanlagen aufwartete. Die Bewohner dieser neuen Siedlungen waren überrascht und überfordert zugleich, kannten sie bisher doch nur eine ganz andere Art »zu hausen«: Große, klobige Möbel, dunkle Nischen, lange Wege…und plötzlich betraten sie zwar sehr kleine, aber dafür gut organisierte und lichtdurchflutete Räume, ja konnten sogar ihr eigenes Dach als Erholungsort nutzen und in ihrem eigenen Grün Gartenarbeit betreiben. Für solche neuen Wohnweisen wurden Lehrfilme gedreht, in denen die ersten Bewohner (keine Schauspieler!), z. B. die neuen Multifunktionsmöbel vorführten oder Küchenabläufe dargestellt wurden. Den Begriff der Erziehung interpretiere ich so, dass der Werkbund es sich eben zur Aufgabe gemacht hatte, die Menschen dahingehend zu erziehen, dass sie in einer gut gestalteten Umwelt auch praktisch gut leben konnten.

Und dieser Ansatz ist heute anders?

Gogo: Er hat sich vielmehr weiterentwickelt … weil wir natürlich, ja wie soll ich sagen …

Pierre: … weil wir ja auch aus der Geschichte lernen! Es hat ja so auch nie im breiten Stil funktioniert. Nehmen wir ein weiteres Beispiel: Die Bauhausmöbel – die ja eine direkte Verbindung zum Werkbund haben-. Auch sie sollten durch Erziehung des Volkes breiten Einzug in die Gesellschaft erhalten. Sie sollten das Leben – besonders das der arbeitenden Bevölkerung – verbessern. Nur sind diese Möbel nie breit vergesellschaftet worden. Sie wurden fast ausschließlich vom gehobenen Bildungsbürgertum konsumiert. Hat hier nun Erziehung versagt oder wurde Macht abgelehnt? Denn Erziehung und Macht stehen in einem engen Verhältnis. Wenn man da jetzt heute so naiv ist und sagt, wir müssen das Volk erziehen, dann hat man, wie ich finde, aus der Geschichte nichts gelernt. Das wäre anmaßend! Vielmehr, so denke ich, sollten wir Gestaltungsprozesse öffentlich machen! Wir sollten nicht Erziehen, sondern die Einbindung der Öffentlichkeit stärker fokussieren! Im Gebrauch mit Produkten, in der Gestaltung von Produkten, aber eben auch, und das dürfte in den kommenden Jahren zentral werden, in der Produktion von Produkten!

Gogo: Was du eben gesagt hast könnte tatsächlich der weiter entwickelte Gedanke für Erziehung sein. Partizipation!

Pierre: Ja, wenn man diesen Slogan neu formulieren möchte, dann ist Partizipation das neue Wort für Erziehung. Nur darf es nicht nur ein Begriffstausch – quasi ein rhetorischer Mantel sein, wie es beispielsweise das T-Lab in Berlin das in meinen Augen praktiziert.

Was ich jetzt raus gehört habe ist, dass ihr diese Aussage von damals zumindest für die heutige Zeit in Frage stellt. Also dass es so, wie es in diesem Slogan steht, gar nicht zu realisieren war?

Gogo: Gut, aus heutiger Perspektive war das sicher ein idealistischer Anspruch, von dem man im Übrigen tatsächlich glaubte, ihn innerhalb von 10 Jahren erreicht zu haben. Der Werkbund sollte sich nach getaner Arbeit wieder auflösen – dass es ihn nach 100 Jahren auch heute noch gibt, ist allerdings, wenn man mit offenen Augen durch unsere gestaltete Umwelt läuft, auch keine Überraschung.

Markus: Ich glaube, die zentralen Fragestellungen haben sich verschoben. Der Werkbund hat etwas aufgebaut und in Gang gesetzt, was gelebt worden ist, was praktiziert worden ist. Die Thematik des Werkbunds zu jener Zeit antwortet auf mehr als nur eine mögliche produktive Gestaltung. Vielmehr wird eine Basis geschaffen auf der Theorie und Praxis Hand in Hand greifen können. Künstler, Architekten, Ingenieure, Politiker, Philosophen usw.. suchten einen Konsens zwischen dem Entwurf und der Umsetzung. Formal-ästhetisch trifft handwerkliche, traditionelle Produktion auf die der Industrie. Das produzierte Ding an sich unterliegt zwischen Produzenten, Verkäufer und Konsumenten erstmals einer umfassenderen Kritik. Den Umständen entsprechend hat sich dann diese kritische Betrachtung von Qualität und Form in Wirtschaft und Leben vor allem durch die Emanzipationsschübe in den unterschiedlichsten Bereichen weiterentwickelt. Somit bleiben Kritikpunkte des Werkbunds stets auch die Kinder ihrer Zeit. Sicher beschäftigen uns diese Fragestellungen und Aussagen nach wie vor, nur müssen sie unter zeitgemäßer Betrachtung und veränderten Rahmenbedingungen immer wieder neu verhandelt werden.

Pierre: Das ist auch gar nicht das Entscheidende. Die Umsetzbarkeit als solche ist ja nicht das alleinige Kriterium, warum etwas gut oder richtig war, sondern dass man solche Fragen überhaupt gestellt und verhandelt hat. Und das ist auch heute noch wichtig: sich Einmischen und Mitgestalten.

Wer engagiert sich genau für den Werkbund.Jung, bzw. wie vernetzt ihr Euch über die verschiedenen Standorte?

Gogo: Der Werkbund.Jung besteht derzeit aus drei Kern-Standorten – Frankfurt/Main, Detmold und eben hier in Weimar. Zusätzlich sind wir noch in Zürich und Wien vertreten. Bei uns in FRM haben wir nur mit Architekten angefangen, mittlerweile sind wir eine recht bunt gemischte Gruppe aus den gestaltenden sowie geisteswissenschaftlichen Zweigen, zu denen zuletzt – und darüber bin ich sehr froh – die Produktgestalter und Produktdesigner hinzugestoßen sind. Wir freuen uns über jede Disziplin, die hinzukommt. Nur so können wir die Dinge so begreifen, wie sie auch wirklich sind: mehrdimensional.

Pierre: Wir fassen uns sehr offen auf und wollen projektorientiert arbeiten. Ein wichtiges Moment, das ich im Werkbund.Jung sehe, ist die tradierten Vereinsstrukturen abzulehnen. Wenn es ein ambitioniertes, ehrenamtlich orientiertes Projekt gibt, wird es im Werkbund.Jung nie ein »Nein« dazu geben. Fühl dich frei, mach es, hier hast du die Kontakte, hier hast du das Netzwerk, hier sind unsere Möglichkeiten. Bring dich ein, verwirkliche dein Projekt und wir schauen gemeinsam, wie wir das erreichen. Wir laden da jeden ein und selbstverständlich auch nicht nur Akteure aus unseren Disziplinen. Das wollen wir über die Projekte offen halten. Die Vernetzung der Projekte findet allerdings überwiegend im virtuellen Raum statt. Dazu arbeiten wir gerade an einer neuen Internetpräsenz mit einer integrierten Collaborationsplattform, die dies erleichtern soll. Zusätzlich gibt es aber auch Treffen im physischen Raum. Überregional findet das ein bis zweimal im Jahr und natürlich auf dem Deutschen Werkbundtag statt, regional und da kann ich nur für Weimar sprechen, mehrmals die Woche in unserem Büro in der Bauhausstr. 1.

Markus: Das alles hat den Vorteil, eben nicht radikal in der eigenen spezifischen Ebene zu bleiben, sondern von verschiedenen Charakteren aus den verschiedensten Richtungen zu profitieren. Den Austausch zu pflegen, die Kommunikation zu pflegen. Ob im physischen Raum oder auf einer funktionierenden Plattform.

Gogo: Das ist auch der wesentliche Unterschied zwischen dem Werkbund.Jung und dem Deutschen Werkbund. In den Deutschen Werkbund wird man berufen und zwar nach Werk. Dieses traditionelle Element war auch eines unserer damaligen Kritikpunkte und ist es heute eigentlich immer noch. Natürlich steckt der Werkbund e.V. als traditionsreicher Verein in gewissen Strukturen. Ohne diese Regularien würde er heute vielleicht sogar gar nicht mehr existieren. Wir aber haben bei unserer Initiativgründung im Jahr 2006 das Dilemma folgendermaßen beschrieben: Wenn du nach zehn oder fünfzehn Jahren für dein Werk auf sicher ehrende, aber auch elitäre Weise in den Werkbund berufen wirst, dann hast du wenig bis keine Zeit mehr, dich auch für den Werkbund zu engagieren – es sei denn, du bist als Vorstandsmitglied oder sogar im geschäftsführenden Vorstand aktiv. Was den Werkbund alleine ausmacht, ist die Summe der Aktivitäten seiner Mitglieder. Insofern überwinden wir zunächst die Hürde eines derartigen Verfahrens und sind im Werkbund.Jung offen für jeden, der sich engagiert in den Projekten des Werkbund.Jung, besser noch: selbst Projekte initiiert. Bei uns gilt und hat sich bewährt: Wenn du dich nicht engagierst, nehmen wir dich auch nicht wahr und dann bist auch nicht im Werkbund.Jung.

Pierre: Hier würde ich ganz gerne noch einen Kommentar hinzufügen wollen. Go deutete ja das Aufnahmeverfahren des Werkbundes an. Schauen wir an diesem Punkt mal in die Vergangenheit, in die Zeit der Gründung und der Aufbaujahre des Werkbundes. Ein großer Teil der wichtigsten frühen Mitglieder waren 20 bis 35 Jahre alt. Ein Theodor Heuss zum Beispiel, der später unser erster Bundespräsident werden sollte, da war er alt. Aber als er in den Werkbund ging, da war er um die 20 herum. Ein Gropius, ein Bruno Taut. Sehr viele der wichtigsten Vertreter waren jung, idealistisch und in einem gewissen Grad naiv. Aber warum denn auch nicht? Genau das wollen wir ja auch. Warum wird die Meinung eines 19 jährigen belächelt? Er spricht eher aus dem Herzen und aus der Seele als das ein 55 jähriger berufsständiger Architekt macht. Also wie viel Idealismus bleibt eigentlich auf diesem Wege noch übrig? Den Idealismus wollen wir im Werkbund.Jung haben, nicht eine volle Bewerbungsmappe mit realisierten Aufträgen.

Es geht ja heute auch um das Thema Verantwortung. Vor allem Gestalter haben eine große Verantwortung, weil sie die Umwelt aktiv mitgestalten …?

Pierre: Abstrakter Begriff, Verantwortung. Aber ja klar, Gestalter haben eine große Verantwortung in ihrem Machen. Ob es aber »die Gestalter« sind, die »vor allem« eine große Verantwortung tragen, da glaube ich, nehmen wir uns manchmal etwas zu wichtig. Dennoch: Gestaltung bedeutet stets auch ein Eingriff in die Welt, die uns umgibt und prägt. Einen seiner größten Verantwortungsbereiche sehe ich darin, dass er etwas visualisieren und materialisieren kann, was noch nicht in der Wahrnehmung von anderen Leuten liegt. Dem liegt klar eine Verantwortung zugrunde. Ob der Gestalter dieser Verantwortung allerdings gerecht wird bzw. besser ausgedrückt: gerecht werden kann, das ist für mich eine eigenständige Debatte. Darauf würde ich jetzt fast schon eine Antwort geben: Nein, das kann er nur schwerlich. Betrachten wir den Gestalter als Beruf, also unter einer wirtschaftlichen Perspektive, ist er doch eher zu einem integrativ-ideologischen Element für die Märkte degradiert worden. Zeugt es von Verantwortung, wenn ich dem Auftraggeber ein zufriedenstellendes Resultat liefere? Fragen wir nicht besser: Was hindert den Gestalter heute daran gesellschaftliche Verantwortung zu übernehmen? Denn ich glaube, auf diese Form der Verantwortung zielt deine Frage?

Das ist gerade der Punkt, der so schwierig ist, dass unsere Gesellschaft wirtschaftlich und konsumorientiert ist und dass eigentlich die ethischen und moralischen Aspekte wieder verstärkt in den Vordergrund rücken sollten. Dass es mehr um Werte geht…

Markus: Der Umgang mit Begriffen wie Ethik und Moral ist schwierig. Wir können sie zwar definieren, aber ihnen in der Praxis in allen Facetten gerecht zu werden, halte ich aufgrund der Entwicklungsgeschichte von Wettbewerb, Eigentum, Macht usw. eher für eine Illusion. Vieles in unserem heutigen Leben basiert auf dem Bruch von Ethik und Moral. Zudem stehen auch die Vorstellungen darüber in einem ständigen Wandlungsprozess.

Hierzu stelle ich fest: Ethik und Moral zieht den bestmöglichen Umgang für ein Miteinander in Betracht und gleichzeitig emanzipiert sich eine Konsumkultur und an diese angeschlossen ihr Verhältnis zum Produkt, das mit Ethik und Moral nicht viel zu tun hat. Moral baut auf Vorstellungen und Glauben auf und soll praktisch in einer rationalen gestalteten Welt greifen. Hierin liegt ein konfliktreiches Spannungsverhältnis. Diese permanente Frage des korrekt ethischen moralischen Handelns, also das Handeln der Tat, wie soll das funktionieren?

Das ist und bleibt ein immer dynamischer fließender Prozess, abhängig von der jeweiligen Generation und den gesellschaftlichen Umbrüchen, in der sie sich bewegt. Wie wird produziert, was wird produziert? Wie funktioniert die Gesellschaft und wie die Welt einer gestalteten Umwelt? Um im Entwurf des aufgeklärten Einzelnen ethische und moralische Qualitäten einzubeziehen, muss in weiterer Folge nicht nur der Entwerfer selbst, sondern auch alle anderen Beteiligten diese einbeziehen. Und das in einer Welt, in der hier entworfen, dort produziert und wieder wo anders konsumiert wird und alles nur dem eigenen Interesse folgt. Ein Produkt für die Masse geht heute durch wesentlich mehr Hände als noch vor hundert Jahren und jede Hand – wenn überhaupt einer Moral verschrieben – ist doch sehr verschieden. Auch die Form und Normen des Zwecks, seine Ansprüche, die Erzeugung, ihre Bedingungen und ihr Umgang müssen diskutiert werden. Ja, da müssen wir eben lernen auf kollektiver Basis gemeinsam an einem Strang zu ziehen…oder eben den Fokus auf kleinere Bereiche zu richten. Moralisches Handeln betrifft letztendlich alle Akteure: Den Entwerfer, den Produzenten und den Händler genauso wie letztlich den Konsumenten selbst.

Letztendlich kann man aber doch in persönlichen Projekten immer nach seinen eigenen Wertvorstellungen und bestem Gewissen handeln, gestalten und produzieren. Man muss, denke ich, nicht immer das Große und Ganze betrachten, sondern ebenso bedeutend den kleinen, ganz persönlichen Gestaltungsprozess.

Pierre: Natürlich wollen wir auch das in unseren Projekten zum Ausdruck bringen. Aber besonders in der Kultur- und Kreativbranche macht sich so eine Mentalität unter dem Slogan der Verantwortung und Ethik breit, die oftmals nur der eigenen Gewissensbefriedigung dienen. Das hat etwas mit Geld verdienen zu tun, mit den Fördertöpfen, die so etwas abverlangen. Aber auch, so denke ich, mit neuen Vorstellungen von Konsum und Arbeit. Ich will sagen, wir bedienen doch eher auf sprachlicher Ebene, was von uns institutionell abverlangt wird. Es bringt keine Ergebnisse, dass wir darüber reden, wenn unser sozio-ökonomisches und sozio-kulturelles System noch ein ganz anderes ist. Ich weiß nicht, woran es liegt, dass wir es nur auf der sprachlichen Ebene manifestiert bekommen, uns aber nicht politisieren. Wir brauchen ein Forum für gesellschaftsrelevante Gestaltung, das als Sprachrohr solcher Projekte fungiert.

Gogo: Der von dir angesprochene persönliche Gestaltungsprozess, den ich gleichzeitig mit dem Begriff der Verantwortung verbinde, wird doch immer dann erst richtig spannend, wenn ich meine persönlichen Ergebnisse, seien sie theoretischer oder praktischer Art – überprüfe. Und wo geht das besser als im konstruktiven Austausch mit anderen? Je nach Gruppengröße und -zusammensetzung erhöht sich nicht nur die Anzahl der Betrachtungsweisen, sondern auch das Risiko, kritisiert zu werden, noch mehr aber die Chance, es besser werden zu lassen. So kommen wir dann zu einer gemeinsamen Verantwortung, z. B. zu gemeinsam formulierten Zielen. Diese können dann in ein konkretes Produkt oder ein Projekt münden, das man sowohl in der Gruppe als auch als Individuum nach innen und nach außen vertreten kann. Der bereits angesprochene Aspekt des Mehrwerts ist ein ganz wichtiger: Wir wollen nicht nur für den Moment produzieren oder, was weitaus schlimmer wäre, um des reinen Selbstzwecks willen. Wir wollen mit unseren Aktivitäten etwas Weiterführendes erreichen, mindestens zum Nachdenken anregen, noch mehr aber zum verantwortungsvollen Mitgestalten unserer Umwelt anstiften.

Kommen wir zu aktuellen Projekten. Wie setzt Ihre Eure Ansprüche um, wie wendet Ihr Eure Wertvorstellungen an? Was kommt dabei heraus?

Pierre: Ein konkretes Thema – ganz im Zeichen des Werkbundes – ist die Frage nach dem sozialen Wohnraum. Hierzu haben wir im Werkbund.Jung gerade zwei konkrete Projekte. Eines läuft in Rhein-Main und hat den Projekttitel »Die Wohnung« – ich denke da sagt am besten der Go gleich etwas dazu – und bei uns nennt sich das Projekt »Wohnraum Weimar«.

Dieses zielt verstärkt auf den Schwerpunkt Altbau-Sanierung. Wie können wir damit umgehen? Nicht nur für uns, besonders mit Blick auf den bereits eingesetzten Strukturwandel, ist das ein wichtiges Zukunftsthema. Dabei wollen wir, und das ist mir persönlich wichtig zu betonen, kein Dogma für die nächsten 20 Jahre aufbauen, indem wir behaupten: Sanierung hat so und so auszuschauen und wird so und so vollzogen. Vielmehr machen wir die Sanierung selbst zum diskursiven Prozess. Die Baustelle wird ein Ort der Verhandlung, des Austauschs und das gepaart mit Momenten des partizipatorischen Machens. All das gemeinsam mit dem Handwerk, der Industrie, den Studenten, den Bürgern und den Verwaltungsorganen. Und alles direkt am Bau, das ist besonders wichtig!

Neben diesem eher methodischen Ansatz verfolgen wir auch weiterführende inhaltliche Ziele. Da wären wir dann wieder beim Thema Verantwortung. Hier wird uns häufig Naivität vorgeworfen, aber ich will es an dieser Stelle trotzdem nochmal deutlich machen: Ziel ist es, nach der Sanierung einen evident günstigen Wohnraum geschaffen zu haben wie vor der Sanierung. Daneben geht es uns darum, Freiräume zu schaffen und zu erhalten. Gerade hier in Weimar demonstrieren nicht nur die Studenten, wie man auf kreative und vielfältige Weise mit Altbau umgehen kann. Wir sitzen jetzt gerade in so einem Raum. Sehr viele, die uns besuchen, sagen: »Also ich verstehe euch junge Leute nicht. Wie ihr in diesen Verhältnissen, in diesem Schmuddelhaus leben könnt.«

Für uns ist das aber kein Schmuddelhaus. Für uns bedeutet das Freiraum – auch, und das muss ich an dieser Stelle betonen: Freiraum der finanziellen Art! Wir haben hier die Möglichkeit direkt einzugreifen, mitzugestalten, Produkte zu bauen, uns eben diesen sozialen Raum, der ja schließlich auch privat ist, selbst anzueignen. Und hierin liegt ein wichtiger Aspekt: Wie können wir daraus eine Methode machen? Wie kann man offene Stellen produzieren, die von den jeweiligen Nutzern nach ihren eigenen Vorstellungen angeeignet werden können?

Wie sieht dieser Prozess transformiert in die sichtbare Gestaltung aus?

Pierre: Ich glaube das konkrete Gestalten eines Produkts, sei es eine Architektur oder ein Teil unserer Produktkultur – das ist erlerntes Grundwerkzeug. Wir sind im Moment an Prozessen dran, die mit dem eigentlichen Entwerfen im klassischen Sinne fast nichts mehr zu tun haben. Sie würden ja auch dem diskursiven und partizipatorischen Moment im Wege stehen, oder nicht?

Markus: Wir bewegen uns hier zwischen einer Mikro- und Makroebene. Es gibt die sichtbare Makroebene, die als Ideal weitestgehend gelehrt wird. Eben das Werkzeug mit dem theoretisch vorgearbeitet und praktisch umgesetzt wird. Aber es gibt eben auch die Mikroebene welche schlussendlich den Entwurf nicht sichtbar charakterisiert. Nämlich diese einzelnen Detailfacetten: Wie begegnet und arbeitet man mit den Umständen? Wie und was wird kommuniziert? Wie trägt man was an die Öffentlichkeit? Schon alleine diese Ebene macht das Diskursive in einer Gruppe zum eigentlichen Ziel.

Gogo: Das ist ein spannender Aspekt, den du hier gerade ansprichst, Markus. Vorher allerdings muss ich bei Pierre nochmals kurz einhaken: Der Entwurf ist und bleibt eine unersetzliche Komponente im Gestaltungsprozess und kann somit niemals im Wege stehen. Nun nochmal zum Aspekt der Kommunikation in der Öffentlichkeit: Da stehen zum einen neben dem heute unverzichtbaren Web-Auftritt oder der Einbindung von Social Media sicher die klassischen Printmedien wie Flyer, Plakataktionen, Herausgeber- sowie Autorenschaft von Publikationen oder eben die Ausstellungen als Kommunikationsvehikel.

Vielmehr aber halte ich den wortwörtlichen Schritt nach draußen, in den öffentlichen Raum, für einen noch lange nicht genug ausgeschöpften, weil wir dort mit unseren Ideen vielmehr Menschen erreichen können, besonders solche, die eben nicht zu Vernissagen gehen oder sich Infotafeln, Modelle oder Artefakte anschauen. Inhalte und damit Austausch über Meinungen und Ideen können im öffentlichen Raum auf ganz besondere Weise zu ihrer Entfaltung gelangen. Die dritte Form – und das ist für mich die wichtigste – ist die Umsetzung unserer Ideen in ganz konkreten Projekten. Solche, die aus der ganz spezifischen Situation des Ortes heraus konzipiert und umgesetzt werden. Eines dieser aktuellen Projekte macht ebenfalls das Wohnen zum Titelthema und heißt schlicht »DIE WOHNUNG«.

Was ist das für ein Projekt?

Gogo: Verortet ist »DIE WOHNUNG« in Offenbach am Main, das direkt an die Metropole Frankfurt grenzt. Offenbach hat mit seinen 120.000 Einwohnern doppelt so viele Einwohner wie Weimar, aber der wohl offensichtlichste Unterschied liegt sicher in seiner Bevölkerungsstruktur. Hier gibt es 32% Ausländer, weitaus mehr prozentualen Anteil an Migranten und daher gehen wir schon alleine aufgrund dieser Tatsache von ganz anderen Bedingungen aus, als das gerade angesprochene Beispiel hier in Weimar.

Wir werden eine 3-Zimmer-Wohnung in Offenbach für ein ganzes Jahr lang mieten. Diese Wohnung wird zu Beginn völlig leer stehen, aber explizit im nachbarschaftlichen Kontext eines belebten Mietblocks sein. Wir wollen hierzu in einen Stadtteil gehen, der für seine starke Durchmischtheit der Ethnien und Kulturen bekannt ist. Wo manche möglicherweise ein schwieriges Viertel sehen, sehen wir hier Chance für Kommunikation, Offenheit und Partizipation. Zum sozialen Aspekt kommen allerdings noch zwei weitere hinzu: Zum einen die Qualität der Wohnung. Was stellt man – unter Einsatz geringer finanzieller Mittel, aber dafür durchaus hoher Kreativität – mit Wohnungen an, die nicht nur durch das Milieu als schwer vermittelbar gelten, sondern sich zusätzlich in einem schlechten Zustand befinden?

Der dritte Aspekt zielt auf die Organisation des Wohnens. Wie gestalte ich alltägliche Abläufe in der Wohnung? Dies kann vom Umgang mit integrierten Möbellösungen über die Organisation der vorhandenen Raumaufteilung bis hin zu sinnlichen Erfahrungen wie Selbstversorgung und Essenszubereitung reichen. Auch die Beziehung zwischen Öffentlichkeit und Privatheit, die Beziehung zu sich selbst als Bewohner oder in Interaktion mit anderen wollen wir experimentell testen und dokumentieren.

Dies gliedert sich über diese Zeitspanne auch in verschiedene Phasen: Wir müssen diese Wohnung zunächst bedarfsgerecht einrichten. Auch ist die Erprobung von Materialien und Gegenständen wichtiger Bestandteil – was brauchen wir denn heute für ein gutes Wohnen? Parallel dazu werden Workshops laufen, auch öffentliche Veranstaltungen mit Gastbeiträgen und Diskussionsabenden, alles in derselben Wohnung, zu dem natürlich auch die Nachbarn eingeladen sind. Gerade sie sind es ja, die ja ihre meist langjährigen Erfahrungen im sozialen Gefüge des Blocks und ihrer eigenen Wohnbedürfnisse mit einbringen können. In einer weiterführenden Phase wird dann tatsächlich »probegewohnt« und die Erfahrungen – seien sie positiv oder auch negativ – festgehalten, um dann in einer abschließenden evaluierenden Phase zu einem hoffentlich sichtbaren, mindestens aber zu einem diskutierbaren Ergebnis zu kommen. Das Projekt kommt sehr gut an, wir haben ganz aktuell einen kulturell engagierten Sponsor begeistern können. Der Startschuss für »Die Wohnung« ist für Ende des Jahres 2012 geplant.

Pierre, Markus: Was passiert in Weimar? Was sind Projekte, die gerade laufen oder in Planung sind?

Pierre: Wir sind ja ein recht junger Standort. Wir sind seit einem dreiviertel Jahr dabei. Es gibt Projekte und Formate, die liegen vor dieser Zeit, fassen sich jetzt aber auch als Werkbund.Jung auf – da wäre zum Beispiel „Gesprächsstoff“ zu nennen. Ein Diskursformat, in dem sich Experten und Studenten begegnen und sich auf Augenhöhe in einer für das Gespräch befruchtenden Atmosphäre austauschen können. Bisherige Themen zur Verantwortung und Verortung der Gestaltung in der Gesellschaft waren: »Design – Denken oder machen« mit der Politologin Regula Stämpfli und dem Industriedesigner Heiko Bartels; »Design – Sammeln« mit Rene Spitz aus dem Netzwerk Ulm und Siegfried Gronert von der Gesellschaft für Designgeschichte. Das nächste Thema wird unter dem Titel »Sozialutopie« stattfinden. Das wird auch der erste Gesprächsstoff-Abend außerhalb Weimars sein, nämlich in Wien. Da hinterfragen wir eben genau diese sozialutopistischen Dogmen, die unter anderem eben auch ein Werkbund, die Wiener Werkstätten oder auch das Bauhaus aufgeworfen haben. Das ist ein Format, das schon sehr lange läuft, seit über zwei Jahren, und sich jetzt auch als Werkbund.Jung-Format begreift.

Dann haben wir zusammen mit dem Werkbund NW von Weimar aus das Projekt »Wiederaufbauplan für Duisburg Bruckhausen« initiiert. Im Kern geht es darum, dass wir der Brutalität eines Flächenabrisses nicht einfach zusehen wollen. Flächenabriss ist eine städtebauliche Methode, die eigentlich für tot erklärt wurde und jetzt in Duisburg wieder hervorgeholt wird. Ein sehr verpöntes Instrumentarium, das heute sogar unter dem Label »Soziale Stadt« an die EU für Fördergelder verkauft wurde.

Warum findet in Duisburg dieser Flächenabriss statt?

Pierre: Das ist ein dunkler Fleck. Ich möchte mich da gar nicht in das große Feld der Spekulationen mit einreihen. Fakt ist aber, dass wir dort einen Stadtteil mit hoher geschichtlicher Bedeutung für unsere Industriegeschichte vorfinden. Dieser wurde in den letzten 40 Jahren immer stärker prekarisiert und soll nun einem so genannten Grüngürtel weichen. Das Fatale daran – und das kritisieren wir aufs Schärfste – ist, dass es als alternativlos definiert wurde. Es gab zwar Entwurfsphasen, es gab aber nie einen ehrliche partizipatorischen Prozess mit der notwendigen Anbindung an die Öffentlichkeit, schon gar nicht deren jetzigen Bewohner. Das Ziel des Flächenabrisses und die Etablierung eines Grüngürtels standen von Anfang an fest. Den Plan gibt es seit den Siebzigern und wurde in den Endneunzigern wieder hervorgeholt. Also seit über 30 Jahren gibt es kreatives Niemandsland dort. Da wollen wir ansetzen und haben einen Aufruf gestartet. Strukturwandel kann nicht nur von Investoren gestaltet werden, das ist unsere Kernbotschaft. Und um die Gelegenheit hier gleich mit zu nutzen: Nicht nur in Bruckhausen bestimmt das Geld die gestaltete Umwelt. Gleich neben an, in Duisburg Marxlow soll noch dieses Jahr mit einem weiteren Abriss begonnen werden – eine Taut-Siedlung soll einem so genannten »Designer-Outlet-Center« von 25.000qm Fläche weichen.

Wer arbeitet dabei mit? Sind das Studenten aus Weimar? Sind das Werkbund.Jung Mitglieder?

Pierre: Die Masse, die im Moment an den Entwürfen sitzt, sind Weimarer Bauhaus-Studenten. Das sind Studenten der Urbanistik, der Architektur, des Produkt-Design, der Produktkulturen, der Medienkultur und der Medienkunst. Dadurch, dass der Entwurf maßgeblich aus Weimar initiiert ist, verortet es sich dementsprechend hier auch stärker. Das liegt da in der Natur der Sache. Wenn der Entwurf von hier kommt, ist die Leidenschaft hinter dem Thema natürlich auch ein stückweit größer. Aber es gibt auch aus dem überregionalen Netz beteiligte Werkbund.Jung-Leute. Und nicht zu vergessen: der Deutsche Werkbund selbst.

Was ist bei Projekten dieser Art und auch im Werkbund.Jung der Ansporn? Was bereitet euch persönlich und emotional Freude?

Pierre: Wenn man weg von diesen großen, langandauernden Dogmen geht, dann sieht man, wie viel sich im Kleinen tut. Nach einer Gesprächsstoffveranstaltung zum Beispiel, wenn man diese Räume erzeugt und wenn man in den Wochen danach die Leute beobachtet. Dass die Leute sich mit den Themen weiter beschäftigen, sich einbringen, zu neuen Projekten kommen. Oder wenn man den ersten Werksalon gemacht hat und erzählt den Leuten von der Werkbundbibliothek, die wir hier gerade versuchen aufzubauen. Am nächsten Tag klingelt es an unserer Tür und es setzen sich Studenten hin, lesen stundenlang. Wenn ich dann gleichzeitig in einem Gremienverfahren an der Uni sitze und ein Prof. erzählt: »Die Design-Studenten sind dumm, oder nee so mein ich das nicht – sie drücken sich nur anders aus, sie wollen ja nichts mit Theorie zu tun haben, sie wollen auch nicht lesen…« Das stimmt alles nicht! Die Leute, die lechzen nach diesen Themen und wenn man das beobachtet: Da tut sich so vieles im Kleinen und das finde ich eigentlich das schönste zu beobachten. Das ist auch harte Arbeit, aber es lohnt sich in diesen kleinen Schritten zu denken. Nicht immer diese großen Veränderungen direkt herbei führen zu wollen. Sondern auch zu sehen: was verändert sich im Umfeld. Wie verändern sich die Leute, mit welchen Themen beschäftigen sie sich. Also ich finde es wunderbar, was sich im Kleinen tut. Und das ist das was mich gerade am meisten bereichert an der Arbeit.

Markus: Mich fasziniert mit welcher Kreativität und Komplexität der Mensch sich seine Umwelt gestaltet. Dabei treibt mich diese Faszination dazu an, gewisse dekadente Entwicklungen zu hinterfragen. Oft erzählen mir grundlegende Fragestellungen zu Produkten oder Strukturen Geschichten, wie es zu jener Situation kommt in der wir heute leben. Der Werkbund hat sich und beschäftigt sich heute noch mit vielen grundlegenden Fragen zur Gestaltung unserer Umwelt und der Werkbund.Jung trägt vieles weiter. Ich bin stolz mit den werkbund.jünglern eine Basis zu schaffen, die es ermöglicht sich zu engagieren, ohne jemandem oder etwas unterworfen zu sein. Jeder kann mit seinem Charakter prägen und mit engagierten Personen zu arbeiten macht vieles einfacher und angenehmer. Auf eine gewisse Art und Weise beruhigt es mich meinen Weg gefunden zu haben, um auf geistiger Ebene zu arbeiten, in der ich mich auch mal verlieren, aber auch auf handwerklicher Ebene tätig sein kann. Und wenn der Werkbund.Jung als eine Basis auch anderen ihren Weg ermöglicht, ihr persönliches Engagement einzubringen, resultieren daraus Erfahrungswerte die nirgends gelehrt werden und in Institutionen nicht zu finden sind.

Gogo: Ich arbeite derzeit an einem Partizipationsprojekt mit Jugendlichen zwischen 8-14 Jahren in Mühlheim am Main. Die Jugendlichen bauen und gestalten hier einen Holzkubus von 40 cm Kantenlänge zum Thema »Du und Deine Stadt«. Mich faszinieren hier zwei Dinge: Einmal, mit welcher Leidenschaft und Durchhaltevermögen die Jugendlichen an ihren Werken arbeiten. Zum anderen aber, und das lässt mein Herz dann auch emotional höher schlagen ist, mit welch spannenenden Themen sich diese Kinder eigenständig auseinandersetzen und gestalterisch zu erstaunlichen Ergebnissen kommen. Sicher geht es auch um Musik, Freundschaft und Fußball – aber eben auch um Themen wie Freiräume in der Stadt, die fahrradfreundliche Stadt oder Austausch zwischen den Kulturen. Gerade am letzten Beispiel wird mir deutlich: Wir trauen der Jugend noch viel zu wenig zu! Wo manche vielleicht zunächst die Auseinandersetzung mit »Toleranz« erwarten, sind die Jugendlichen längst einen Schritt weiter: Sie tauschen sich bereits aus.

Ein abschließendes Wort?

Markus: Es gibt da vom Joseph Beuys ein gutes Zitat: »Die einzige revolutionäre Kraft ist die Kraft der menschlichen Kreativität.« Und ich glaube in dem Gestaltungspotential, da liegt jede Menge drin.

Vielen Dank!

Das Interview führte Christine Lange. Lektorat von Anette. Videoproduktion: Matthias Werner & Giacomo Blume

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