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Tim Weiffenbach über die Illustratoren Organisation

Tim Weiffenbach ist Gründungsmitglied und Vorsitzender der Illustratoren-Organisation, die deutschlandweit die Rechte von Illustratoren vertritt und außerdem beratend für seine Mitglieder tätig ist. In unserem Interview spricht er über die IO und deren Arbeit.

Warum wurde die IO gegründet?

Die IO feiert 2012 ihr zehnjähriges Jubiläum. Anlass ihrer Gründung war die Neufassung des § 36 UrhG. Mit diesem Gesetz ging der Auftrag an die Urheber, sich mit Werknutzern über allgemeine Vergütungsregeln zu verständigen – ein Auftrag, der explizit an Urhebervereinigungen gerichtet war.

Sieben Hamburger Kollegen stellten damals fest, dass die spezifischen Belange und Bedürfnisse in jenen Berufsverbänden, auf die sich Illustratorinnen und Illustratoren bis dahin verteilten, nicht oder nur unzureichend gewürdigt wurden: Bei ver.di bildeten Illustratoren als Urheber unter Dienstleistern die Minderheit einer Minderheit, während der Berufsalltag der Klientel von AGD und BDG nicht selten zu politischen Schlussfolgerungen führte, die deutlich an den Interessen der Illustratoren vorbei zielten.

Dabei sind »die Illustratoren« selbst keine vollkommen homogene Gruppe. Kolleginnen und Kollegen, die traditionell das Aushängeschild der Berufsgruppe bedienen, den Kinder- und Jugendbuchbereich, sehen sich mit anderen Problemen und Herausforderungen konfrontiert als Illustratoren in den Sparten Editorial, Verpackungsillustration, Comic, Game und Fantasy, Werbung, Storyboard oder Trickfilm – um nur einige zu nennen.

Um all diese als Illustratoren arbeitenden Leute unter einem Dach zu vereinen, sie in größeren Zusammenhängen zu vernetzen und ihnen damit eine politisch relevante Stimme zu geben, wurde die IO 2002 in Hamburg gegründet.

Was ist die Grundaufgabe der Illustratoren Organisation?

Zweck des Berufsverbandes ist die Wahrung und Förderung der berufsständischen Belange und Interessen der Illustratoren im deutschsprachigen Raum. Mit der speziell auf die Interessenlage von Illustratoren zugeschnittenen Ausrichtung setzt sich die IO von den Angeboten anderer Designerverbände ab und bietet den traditionell als Einzelkämpfern aufgestellten Kolleginnen und Kollegen eine Plattform für den fachlichen Austausch und die Erarbeitung und Durchsetzung gemeinsamer Ziele.

Sowohl nach innen wie auch nach außen stellt die IO Fragen, die für alle zufriedenstellend beantwortet werden müssen: Was ist »Illustration«, wie und unter welchen Bedingungen werden Illustrationen erzeugt und verwendet, welchen materiellen und ideellen Wert haben sie, wie viel können sie zur kollektiven Wertschöpfung im Rahmen der sogenannten Kreativwirtschaft beitragen und wer hält welchen Anteil an ihrer Verwertung? Dass »Illustrator« ein Beruf sein soll, führt häufig zu staunendem Kopfschütteln. In dieser Hinsicht sind Autoren, bildende Künstler, Musiker … eigentlich fast alle anderen Urhebergruppen den Illustratoren deutlich voraus.

Der Verband hat zur Beantwortung dieser Fragen eine Reihe von Maßnahmen in die Wege geleitet und diverse Materialien erarbeitet, die vielfältig eingesetzt werden.

Die IO hat zudem einen Stand auf der Frankfurter Buchmesse, der Leipziger Buchmesse, dem Comicsalon Erlangen sowie der Children’s Book Fair Bologna. Sie unterstützt die unabhängigen Regionalgruppen in Berlin, Bremen, Darmstadt, Dresden, Düsseldorf, Frankfurt, Freiburg, Hamburg, Hannover, Köln-Bonn, Leipzig, Mainz/Wiesbaden, München, Münster, Nürnberg, Stuttgart und der Schweiz.

Die Illustratoren Organisation e.V. ist Mitglied in der Verwertungsgesellschaft Bild-Kunst, im Deutschen Designertag e.V., im Deutschen Kulturrat e.V., im EIF (European Illustrators Forum), in der iDD (Initiative Deutscher Designverbände) und Partner der Society of Illustrators New York.

Welche Vorteile hat man als Mitglied und wie kann man Mitglied werden?

Die Vorteile sind so vielfältig, dass ich nur die wichtigsten nennen will:

Die Verbands-Website, liefert eine Vielzahl frei zugänglicher Informationen. Es werden Wettbewerbe, News, Ausstellungen, Informationsveranstaltungen und vieles mehr aktuell angezeigt. Sie bietet ferner eine Fülle an berufsfachlichen Informationen und Tipps für Kolleginnen und Kollegen sowie für Verwerter und die interessierte Öffentlichkeit. Jedes Mitglied hat die Möglichkeit, auf unserer Website ein eigenes Portfolio mit Arbeitsbeispielen anzulegen, das öffentlich zugänglich ist. Vor allem aber stellen wir ein größtenteils nur Mitgliedern zugängliches Forum bereit, das, was die Themenpalette und die Kompetenz seiner Beiträge angeht, seinesgleichen sucht.

Der Verband verlegt eine mittlerweile stattliche Anzahl an Broschüren und Flyern, u. a. zu den Themen »Erste Schritte in den Beruf«, »Urheber- und Nutzungsrecht«, »Der eigene Preis«, »Erfolgreich arbeiten mit Illustratoren« und »100 Tipps für Illustratoren«. Darüber hinaus gibt es ein umfangreiches Archiv an Vergütungsbeispielen und einen Vergütungskalkulator. Beide sind bei der Berechnung von Kostenvoranschlägen sehr hilfreich. Zusätzlich bieten wir die umfangreichen Dokumente »Kodex Kinderbuch« und »Kodex Schulbuch« sowie juristisch sichere AGB zur Nutzung durch die Mitglieder in deutscher und englischer Sprache.

Der IO-Justiziar berät die Mitglieder in allen Rechts- und Vertragsfragen. Sollte es zum Prozess kommen, steht den Mitgliedern die IO-Berufsrechtsschutzversicherung zur Seite. Informations- und Fortbildungsveranstaltungen, auch in Kooperation mit Hochschulen, die zukünftige Kolleginnen und Kollegen ausbilden, runden das Beratungsangebot der IO ab.

Ein nicht zu unterschätzender Vorteil darf aber wohl auch im lebendigen Austausch unter Kollegen liegen, sei es im Online-Forum oder auf den Regionaltreffen, und dem damit verbundenen Gefühl, einer Gemeinschaft Gleichgesinnter anzugehören. Neben dem Online-Portfolio mit Bild- und Zeichnersuche greifen diverse Maßnahmen der IO speziell zu Messezeiten, so z.B. die halbjährlichen Sedcard-Aktionen, Ausstellungen und Fortbildungsseminare. Außerdem zeigen die Mitglieder ihr Können gern in den erfolgreichen Skizzenbuchaktionen. All dies führt zu der Erfahrung, tatsächlich gesellschafts- und kulturpolitisch gestalten zu können.

Um Mitglied zu werden, besucht man die Website unter http://www.io-home.org/kontakt oder melden sich direkt bei der Geschäftsstelle der IO und fordern dort Mitgliedsantrag und Satzung an:

Illustratoren Organisation e.V. 
– Geschäftsstelle –
Martin-Luther-Straße 7
60316 Frankfurt am Main

Telefon: (069) 97 69 16 16
Telefax: (069) 97 69 16 14

info@illustratoren-organisation.de
http://www.illustratoren-organisation.de

Nur wenige Illustratoren können von der Illustration leben. Kann die Illustratoren Organisation da helfen? 

Die Annahme, dass nur wenige Illustratoren von ihrer Arbeit leben können, ist nicht ganz richtig, wenngleich für viele die Lebensbedingungen prekär sind: Laut unserer Umfrage von 2008 leben mehr als 40% der über 700 Befragten ausschließlich von den Einkünften ihrer illustrativen Arbeit. Allerdings liegt ebenfalls für 40% das durchschnittliche Einkommen bei nur 12.000,- Euro pro Jahr.

Dass es den Eindruck gibt, nur wenige Illustratoren könnten von ihrer Arbeit leben, dürfte vor allem daran liegen, dass Illustratoren nur selten im öffentlichen Leben in Erscheinung treten – und wenn, dann praktisch nie in der Rolle selbstbewusster Vertreter eines Berufsstands. In der Tat werden die meisten Kolleginnen und Kollegen im Zuge ihrer Ausbildung nicht oder nur unzureichend auf »Illustration« als Beruf vorbereitet. Dort ist viel von »Talent«, »Originalität« und »glücklichen Zufällen« die Rede, wo es eigentlich um »Geschäftsmodelle«, »Marktbeobachtung« und »Auftragsakquise« gehen sollte. Das hat zur Folge, dass viele Kolleginnen und Kollegen in den ersten Berufsjahren scheitern. Und die »Überlebenden« müssen sich mühsam selbst beibringen, wie man selbstbewusst auftritt, wie man gute von schlechten Aufträgen unterscheiden und wie man Neinsagen lernt.

Die Illustratoren Organisation hilft in Bezug auf die Änderung dieser Verhältnisse, indem Sie umfangreiche Materialien, Informationen und Seminare anbietet, die der Professionalisierung und damit der Markttauglichkeit der Illustratoren dienen. Darüber hinaus schafft die IO nicht allein durch das Forum und die Betreuung der regionalen Stammtische und Portfolios einen sozialen Raum zum Austausch, sondern verstärkt durch ihre massive Messepräsenz auch die Wahrnehmung und damit die Wertschätzung von Illustration. Somit muss sich der Illustrator nicht länger als klassischer Einzelkämpfer definieren, sondern hat die Möglichkeit, in einem größeren sozialen und gemeinschaftlichen Konstrukt seine Interessen zu formulieren und zu vertreten. Diese gemeinsame Kraft zu bündeln, zu formulieren und sie an die entsprechenden Stellen in Politik und Wirtschaft zu kommunizieren, ist eine der größten Aufgaben der IO – und sie ist dabei bisher sehr erfolgreich.

Gibt es besondere Erfolgsgeschichten, von denen ihr berichten könnt?

Natürlich begreifen wir jeden Schritt, den die IO vorwärts macht, als einen Erfolg. Besonders herausheben lässt sich die Tatsache, dass die IO unglaublich schnell gewachsen ist und auch weiterhin wächst – in nur 10 Jahren ist sie zum zweitgrößten Kreativverband Deutschlands mit aktuell 1.200 Mitgliedern geworden. Die jüngste Erfolgsgeschichte dürfte die Einrichtung einer maßgeschneiderten Berufsrechtsschutzversicherung für Illustratoren sein, die einmalig in Deutschland ist und den Mitgliedern einen umfassenden Schutz z.B. auch in schwierigen Urheber- oder Nutzungsrechtsauseinandersetzungen bietet – und das ganze zu einem konkurrenzlosen Preis.

Wie hat sich das Berufsbild der Illustratoren deiner Ansicht nach in den letzten Jahren verändert?  

Die Illustration ist gerade in den letzten Jahren aus einem gewissen beengten Schema ausgebrochen und hat sich Spielräume geschaffen, die weit über die allgemeine Wahrnehmung der Bebilderung von Kinderbüchern hinausgehen. Junge Kreative aller Sparten haben die Möglichkeiten der Illustration neu entdeckt und haben sie, unterstützt durch neuere technische Mittel, in andere Anwendungsbereiche überführt. Der Wert und die Kraft eines höchst individuellen, bildnerischen Ausdrucks wird wieder mehr geschätzt und verbreitet – und dringt so viel umfassender in die allgemeine visuelle Wahrnehmung ein. In der Praxis gilt es für den Illustrator, dies auch in sein berufliches Selbstbild zu übertragen und dieses nach innen und außen zu stärken.

Ist es unumgänglich geworden, sich als Illustrator selbstständig zu machen? Muss man als Illustrator zwangsweise freiberuflich arbeiten oder gibt es auch angestellte Illustratoren? 

Laut unserer Umfrage aus dem Jahre 2008 sind mehr als 90% aller Illustratoren selbstständig. Das ergibt sich im Wesentlichen aus den Produktionszusammenhängen und benennt damit auch gleich die Ausnahmen: Im Animations- und Games-Bereich sind (temporäre) Festanstellungen viel eher die Regel, weil hier über einen längeren Zeitraum im Team an einem Projekt gearbeitet wird und der Arbeitgeber sich gleichzeitig per Vertrag urheberrechtlich absichert. Auch einige wenige Werbeagenturen leisten sich noch eine Illu-Unit, in der zumeist die inhouse konzeptionierten Storyboards und Layouts umgesetzt werden.
Ich denke, trotz der wirtschaftlichen Unsicherheit bevorzugen die meisten Illustratoren die freiberufliche Selbstständigkeit, da sie das Höchstmaß an eigenverantwortlicher Entscheidung ermöglicht.

Welche Tipps gibst du deinen Studenten mit, wenn sie ihr Studium abschließen?

Mein wichtigster Tipp ist, ihnen klar zu sagen, dass sie sich für einen Beruf entschieden haben und diesen auch so behandeln sollten. Bei aller für die Kreativität nötigen Spiel- und Experimentierfreude dürfen sie nicht außer Acht lassen, dass sie künftig von ihrer illustrativen Arbeit leben müssen und dass daran bestimmte Bedingungen geknüpft sind. »Das da draußen« mag zuweilen ein Kinderspielplatz sein, aber es ist kein Ponyhof. Nur wer sich darauf frühzeitig und umfassend vorbereitet, spart sich Blessuren.
Für die rein kreative Arbeit ermuntere ich sie dazu, weiter zu forschen und auch Fehler zuzulassen – nur so lernt man und erhält sich den Spaß an der Arbeit. Darüber hinaus finde ich es wichtig, dass junge Illustratoren sich auch mit dem inneren Wesen ihrer Arbeit beschäftigen: Was ist das, was ich tue? Warum tue ich es? Welchen Wert hat es für mich und für andere? Wo kommt es her, welche Geschichte hat es? Bin ich allein mit meiner Arbeit (großer Irrtum)?

Welche Informationen oder Tipps hättest du gerne zu Beginn deiner Karriere bekommen?

Die Antwort auf diese Frage steckt schon im obigen Absatz: Ich wäre gerne auf die wirtschaftlichen und allgemeinberuflichen Belange vorbereitet worden. Dieser Vorwurf geht ganz klar an die akademischen Ausbildungsstätten. Über die künstlerische Ausbildung kann ich mich nicht beschweren, auch wenn hier in Deutschland unverhältnismäßig viel Wert auf die individuelle Stil- oder Haltungsentwicklung gelegt wird, und nur wenig auf die nötige technische Praxis. Die Beantwortung der Fragen zur wirtschaftlichen Ausübung des Berufs aber wird überhaupt nicht als Auftrag der akademischen Ausbildung begriffen – und das ist ein Unding, denn dies sorgt Jahr für Jahr für eine Schwemme nahezu marktuntauglicher Design- und Illustrationsanfänger. Und da eine solche Schwemme natürlich auch die wirtschaftlichen Verhältnisse des bestehenden Marktes empfindlich stört, leiden alle unter den Anfängerfehlern.

Wie sehen die Zukunftspläne der Illustratoren Organisation aus?

Dieses Jahr steht das zehnjährige Jubiläum der Illustratoren Organisation im Vordergrund. Unter der Leitung eines kompetenten Teams wird es bundesweit eine Vielzahl von Aktionen zum Jubiläum geben. Es finden Ausstellungen und Events statt und es werden zusätzliche Materialien erarbeitet. Und natürlich wird es ein besonderes Fest zur Mitgliederversammlung im Mai in Hamburg geben.

Ansonsten gilt es, auch in Zukunft das Angebot für die Mitglieder weiter auszubauen und sich intensiv mit politischen Fragen zu beschäftigen. Gerade in Zeiten, wo das für uns existenzielle Urheberrecht von vielen politischen Seiten aus fragwürdigen und schlecht kaschierten eigennützigen Gründen angegriffen wird, ist es umso wichtiger, auf dem politischen Parkett Präsenz zu zeigen. Hier werden Weichen gestellt, die für das Auskommen eines ganzen Berufstandes von enormer Wichtigkeit sind. Nur eine starke Lobbyarbeit kann hier bestehen – und das geht nur, wenn sich alle Illustratoren dafür in der IO organisieren. Wir vertrauen auf diese Erkenntnis bei den Kolleginnen und Kollegen und auf die Leistungsfähigkeit unseres Verbandes – unsere bisherigen Erfolge stimmen uns dahingehend zuversichtlich.

Tim Weiffenbach
http://www.illustration-tw.com

Das Interview führten Nicole Zimmermann & Patrick Marc Sommer

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