Schneller als gedacht hat sich Adobe relativ beherzt entschieden, komplett zu einem rein virtuellen Produkt zu mutieren. CDs, DVDs, USB-Sticks und andere Datenträger gehören der Vergangenheit an, das Web wird ab Juni wie bei Apple bereits auch der einzige Zugangsweg zu aktuellen Versionen von Standardprogrammen wie Photoshop, Indesign oder Illustrator sein. Der große Erfolg der bereits mit der Creative Suite 6 gestarteten Online-Version als Testballon dürfte hierzu beigetragen haben. Das Ergebnis ist eine komplett eigene Software-Ökosphäre, ähnlich wie sie GoogleDocs oder Office365 darstellen, nur deutlich umfassender.

Cloud kills Copy

Vieles an dieser Idee ist modern, richtig und wegweisend. Abgesehen von zahlreichen Bugs und Ärgernissen ist der digitale Vertriebsweg – jedenfalls für Nutzer mit schneller Internetanbindung, alle anderen dürften Probleme bekommen – die richtige Entscheidung. Und an Miet- bzw. Nutzungsmodelle sind die meisten User durch Angebote wie Dropbox oder Evernote inzwischen gewohnt. Der Exodus der Software in den Bereich einer reinen Zur-Verfügung-Stellung wird so wahr und zugleich bringt SAS (zumindest vorübergehend) auch einen gewissen Schutz vor Raubkopien mit sich. Gerade bei Adobe, die sich (wie Microsoft) durch teilweise paranoide Schutzmaßnahmen hervorgetan haben in der Vergangenheit, ist dies sicher ein zentrales Motiv. Auch ist die Monetarisierung bei Mietmodellen über die Zeit einfach besser – ab einem bestimmten Punkt zahlt der Nutzer mehr Monatsbeiträge als er jemals für Updates auszugeben bereit gewesen wäre… merkt es aber aufgrund der kleineren Einzelbeträge kaum.

Adobe goes Facebook

CC eröffnet Adobe darüber hinaus die Möglichkeit, von der Software zum Service zu werden. Adobe kann so die gesamte kreative Schöpfungskette – die es im Printbereich durch zahlreiche Programme bereits nahezu monopolistisch dominiert – abdecken und zu Geld machen. Kreation, Kollaboration, Korrektur, Multi-Platform-Publishing und mit Behance ProSite neuerdings auch Eigenwerbung (wenn auch eher für Freelancer)… rein theoretisch bietet Adobe eine One-Stop-Lösung für alle Bedürfnisse von Designbüros und versucht zunehmend, auch im digitalen Bereich wieder Fuß zu fassen, wenn auch derzeit noch etwas irrlichternd. Man mag mit etwas Phantasie vorausahnen, wo etwa die krude Melange von Dreamweaver, Edge und Muse eines Tages hinführen könnte, derzeit dürften die meisten professionellen Developer aber eher auf andere Werkzeuge setzen. Dennoch wird Adobe mit CC zu einer Art Schnittstellen-Kommunikationsanbieter, einem Facebook zwischen Designern und Kunden, das früher oder später einen umfassenden virtuellen Workflow von der Idee bis zum Publishing abbilden könnte.

Bauchladen Adobe

Eine der Schattenseiten ist allerdings, dass Adobe nun zu einer Art Flatrate alle Programme für alle Nutzer anbietet. Es wird abzuwarten sein, ob die Käufer bereit sind, für 30-60% ungenutzte Software mitzuzahlen und inwieweit Adobe hier differenzierte Modelle entwickeln kann. Printentwickler etwa brauchen weite Teile der ehemaligen Mastersuite nicht, Programmierer werden umgekehrt eher auf das klobige Dreamweaver verzichten als für andere Programme wie After Effects, Soundbooth oder Premiere draufzuzahlen, ohne sie aktiv zu nutzen. Auf der anderen Seite eröffnet Adobe so natürlich allen Nutzern quasi-demokratisch den Zugang zu der hauseigenen Software. Wenn man doch mal Video schneidet, warum nicht einfach Premiere statt FinalCut nutzen, es kostet ja nichts extra und die Oberfläche ist einigermaßen vertraut. Warum DxO benutzen, wenn Lightroom Teil des CC-Deals ist? Sicher: Eine schöne Methode, um Abonnenten tiefer in das eigene Ökosystem zu locken, aber der Nachgeschmack eines monolithischen Anbieters, der etwas für jeden, aber kaum noch für alle das wirklich passende hat, verstärkt sich. Zumal oft kleinere, persönlichere Software-Schmieden längst nahezu gleichwertige bis bessere Alternativen anbieten, wenn auch sicher nicht im Profi-Bereich. Dazu passt, dass Adobe bei den Zielgruppen unsicher scheint. Muse, Dreamweaver und Edge scheinen für professionelle Nutzer kaum noch wirklich geeignet, Flash, Photoshop oder Indesign kann man aber kaum noch als Einsteigersoftware bezeichnen. Wenn sich aber das lustige, aber im Endeffekt doch nahezu unbrauchbare WYSIWYG von Muse an Laien wendet, die man eine schnelle statische Homepage machen wollen, Photoshop aber denkbar ungeeignet ist, um schnell etwas Digital-Knipserei zu bearbeiten – an wen wendet sich dann CC eigentlich? An alle? An niemanden?

Halbe Miete

Es passt durchaus, dass das CC-Angebot irgendwie unfertig und unentschieden wirkt, denn eines der Themen bei Adobe ist und bleibt ja, dass das Unternehmen nur noch selten zu hundert Prozent entschlossen und überzeugt wirkt, statt dessen eher zu verfrickeln scheint. Photoshop hat sich seit Jahren nur noch in Details verbessert und wirkt mit jedem Update mehr wie eine FrankenSoftware, an die immer neue Teile anmontiert und alte UI-Elemente zugleich weiter mitgeschleppt werden. Nichts macht das klarer als der Mischmasch aus «schwarzem» Neo-Interface ab CS6 und denn dann erscheinenden hellgrauen kleinen Filter-Fensterchen aus den frühen Neunzigern. Für jede Nutzer-Zielgruppe werden einige Features erfunden, sei es ein Anti-Verwackelungs-Filter, eine Objektivkorrektur, HDR- oder 3D-Features, die aber unter dem Strich die oft professionelleren Plugins von Drittanbietern nicht ersetzen können. Indesign hat sich in den letzten Jahren, abgesehen von einer eher halbbaren Digital-Publishing-Suite-Integration, kaum weiterentwickelt, obwohl es gerade hier einiges zu tun gäbe. DPS an sich macht in der Single-Edition nur sehr begrenzt Sinn, eine vernünftige iPad-Publishing-Lösung ist aber bei Adobe für Normalsterbliche nahezu unbezahlbar, ganz abgesehen von der unintuitiven Integration in die Indesign-Oberfläche – auch hier wird fleißig angeflanscht statt nach nahtlosen, sinnvollen Lösungen zu suchen. Ansätze wie Muse oder Edge sind oft wie Beta-Experimente aus den AdobeLabs, die lediglich öffentlich nutzbar gemacht werden (und – wie im Falle von «Rome» – mitunter dann ad hoc verschwinden). Es macht als Nutzer aber wenig Freude, sich in halbfertige Ansätze einzurenken, deren Entwicklung dann in wenigen Monaten ohnehin eingestellt wird. Inwieweit AIR überhaupt eine solide Basis für Software-Entwicklung ist, sei an dieser Stelle generell einmal dahingestellt. Einige der Adobe-Touch-Apps gab es nie für die iOS-Plattform und konsequenterweise scheinen sie aus CC ganz zu verschwinden, anstatt portiert zu werden. Überhaupt setzt Adobe überraschend stark auf Google – Chrome ist bei Edge und Muse quasi Bestandteil der Software. Auch die Cloud-Angebote, wie Acrobat.com oder Creative Cloud Files, sind als Idee ausgezeichnet, in der Praxis aber zu undurchdacht, langsam und insgesamt noch unausgereift im Vergleich zu anderen Angeboten. Ganz abgesehen, dass es eben noch eine zusätzliche Cloud-Plattform ist, auf und mit der man arbeitet. Die «alte» Software von Adobe wirkt also zunehmend aufgebläht und kompliziert, die neue unfertig, ein (oft durchaus spannender) Experimentier-Baukasten, aus dem nie etwas fertiges entsteht. Es gibt herausragende Einzellösungen, aber man wird das Gefühl nicht los, inmitten der besuchenswerten Inseln gäbe es gar keinen Masterplan für die Reise insgesamt, man driftet nur ziellos umher. Es gibt keine Architektur, keine erkennbare Strategie.

Ist die Cloud nur ein Sales-Konzept?

Adobe steht mit dem Abschied von der vorweg kaufbaren Software und dem Schritt zu einem Mietmodell stark in der Kritik. Nicht ganz zu unrecht. Es ist naheliegend, hinter dieser Entscheidung vor allem das Marketing von Adobe zu sehen, dass hier bessere Verdienstchancen sieht, besseren Kopierschutz, engere Kundenbindung. Die Frage, warum Adobe nicht ein Modell wie den iTunes-App-Store nutzt, darf gestellt sein (und beantwortet sich von selbst, wenn man die Historie von Adobe, Microsoft und Apple betrachtet. Dieser Boden ist zu vergiftet, inzwischen). Zugleich ist hier die letzte und einzige Chance von Adobe, nicht obsolet zu werden, und genau deshalb macht dieser Schritt jetzt Sinn, will die Firma sich einen Weg in die Zukunft sichern. Mit CC wandelt sich Adobe vom Software-Hersteller alter Schule zur Community, zur Design-Ökosphäre und diese Plattform wäre durchaus zukunftsfähig und ausbaubar, wenn die Firma es nur konsequent anginge. Es ist die infrastrukturelle Fata Morgana einer Erneuerung, der jetzt auch inhaltlich eine Neuaufstellung folgen muss.

Die Kollaboration von Partnern und Designern/Auftraggebern an Dokumenten, rechnerübergreifendes nahtloses DAM, integriertes Projektmanagement, optimierte webbasierte Korrekturworkflows, Multichannel-Publishing, die nahtlose Verbindung von stationärem und mobilen Arbeiten – all das ist mit dem Konzept von CC viel besser denkbar als bisher. Adobe könnte hier zahlreiche selbstbestrickte Ansätze ablösen, mit denen Designer im Alltag versuchen, ihre Arbeit effektiver zu machen. Dinge, die wir durch iCloud, GoogleDrive, Dropbox etc. in vieler Hinsicht bereits als selbstverständlich begreifen, sollten sich auch im Hinblick auf CC hochwirksam realisieren lassen. Wäre es nicht angenehm, ein Indesign-Dokument auf dem Laptop zu starten, auf dem MacPro im Büro weiter zu bearbeiten, um dann auf dem iPad im Textlayout die letzten Änderungen vorzunehmen, während der Auftraggeber bereits im Webbrowser auf vorhergehenden Seiten live in der Copy korrigiert? Wäre es nicht angenehm, mit mehreren Leuten zeitgleich in einem großen Indesign-Buch zu arbeiten? Oder sogar im Team an einem einzigen Bild zu arbeiten, Retusche, Farbkorrektur usw. in einem einzigen Dokument – ortsunabhängig? Wäre es nicht angenehm, Acrobat-Anmerkungen direkt und live an der entsprechenden Stelle in Indesign angezeigt zu bekommen?

Nahezu sämtliche Aspekte der Arbeit, die wir täglich erledigen, ließen sich durch eine gelungene CC-Plattform vereinfachen, bündeln, stärken und würden zu schnelleren Workflows und mehr Service für die Auftraggeber führen. Von der Bildauswahl über Moodboards bis zur Präsentation – in Experimenten und Teilen hat Adobe ja bereits gezeigt, dass es diese Bereiche unserer Arbeit durchaus wahrnimmt. Es gibt nur keine kohärente Lösung, eigentlich überraschend für einen Anbieter, der seit immerhin sechs Versionen das Wort «Suite» im Titel seiner Software führt. CC wäre als erster Schritt in diese Richtung denkbar.

Dazu gehört allerdings paradoxerweise die Bereitschaft, auf Geld zu verzichten, zumindest kurzfristig. Denn die CC-Plattform ist, insbesondere in Europa, überteuert. Um nicht missverstanden zu werden: Die US-Preise sind angesichts der Kosten für die Master-Suite angemessen, selbst wenn Adobe hier auf die Zeit gesehen einen deutlich besseren Schnitt macht gegenüber der in den meisten Büros üblichen Update-alle-zwei-Versionen-Taktik. Insbesondere die Einstiegspreise um 19 bis 29 $ sind attraktiv und machen die Software nahezu zu preiswert, rücken sie ins Revier von Amateur-Usern, auf die die Komplexität der Programme nicht zugeschnitten ist. Der europäische Aufschlag ist jedoch auch mit Steuern, der nur noch teilweise gegebenen und meist schlechten Übersetzung und eigenen Niederlassungen in Europa kaum noch zu rechtfertigen. Die Herausforderung für Adobe wird in den kommenden zwei Jahren sein, die Preise zu senken (insbesondere für Teams und Unternehmen wirkt die jetzige Lizenzpolitik seltsam veraltet) und gleichzeitig die Leistung von Servern und Software zu verbessern, die zahlreichen Ungereimtheiten zu tilgen, um von der Vergangenheitsbewältigung wieder in die Zukunft der digitalen Gestaltung blicken zu können. Hierzu muss aus dem Giganten in San Jose eine kleinere, kohärentere, schnellere Gruppe werden, die weniger gegeneinander und mehr zusammen arbeitet. Dass Photoshop ein anderes UI hat als Indesign sollte in Zukunft vermieden werden, ebenso wie eMails für Acrobat.com-Freigaben nicht erst mit vier Stunden Verspätung zugestellt werden dürfen.

Revolution statt Evolution

Der Wechsel zu einem SaaS-Ansatz, den Adobe nur begrenzt umsetzt (die Software wird ja immer noch lokal installiert) lässt keinen Raum mehr für solche Patzer. Der Markt reagiert enorm empfindlich auf Aussetzer bei cloudbasierten Angeboten, davon kann Apple ein Lied singen. Was Adobe bisher getan hat, ist leider nur die Fortschreibung des bisherigen Modells ins Web – ein paar eher insignifikante Feature-Updates und eine Entscheidung, die für viele bisherige Nutzer vielleicht eher Nach- als Vorteile bringt.

Das ist insgesamt ein zu kleiner Schritt und man darf sich fragen, es nicht too little too late ist, um Adobe zu retten. Die Firma hat alle Ressourcen, zu einer der wichtigsten Zukunftsplattformen im Publishing zu werden und eine Bedeutung zu erreichen, die weit über die heutige Position hinausgeht. Paradoxerweise steht sich der Gigant dabei aber oft selbst im Weg und scheint – wie bei vielen großen Unternehmen der Fall – keine klare Vision, keine Roadmap zu haben. Wohin Adobe geht, weiß Adobe offenbar selbst am wenigsten. Trotz vieler atemberaubender Experimente, richtiger Ideen und großartiger Mitarbeiter… der Konzern als ganzes wirkt wie in Fesseln gelegt, verschläft elementare Trends um Monate und Jahre (Stichworte: iOS, Responsive Design, DigitalPublishing) und ist oft alles andere als ein Trendsetter. Vielleicht braucht das Unternehmen einen Befreiungsschlag wie es der Abschied von PageMaker und die Einführung von Indesign war – einen revolutionären, auch schmerzhaften Cut, der die sinnlose Politik der kleinen Schritte ablöst und Raum schafft für eine zeitgemäßere Weiterentwicklung. Evolution ist sinnvoll und richtig, aber manchmal braucht man auch einen Sturm, der etwas «Housecleaning» bringt, der Bäume abholzt, damit Neues nachwachsen kann. Adobe braucht vielleicht einen Sturm.

Schafft es Adobe, aus der Position eines seine Marktmacht relativ offen nutzenden Monopolisten in die Haltung eines kleineren, kreativen Service-Anbieters zu wechseln? Bessere Team-Angebote, faire Preisstrukturen, schnellerer Service und mehr Innovation wären hierzu ebenso notwendig wie der mutige Schritt zu einem Angebot, das nicht mehr aus vielen kleinen Standalone-Programmen besteht, sondern einer integrierten Lösung, die modernen Workflows im Design gerecht(er) wird. Der Schritt zu CC ist insofern auch eine Verzweiflungstat, der Versuch eines Befreiungsschlags. Nur die Zeit wird zeigen, ob es ein letztes Aufbäumen oder der Anfang einer Neuaufstellung ist. Da wir als Designer immer noch in großen Teilen mit der Software von Adobe unser Geld verdienen, dürfen wir gespannt sein, ob er gelingt.

Abschied oder Aufbruch? Erste Gedanken zur Adobe Creative Cloud

Schneller als gedacht hat sich Adobe relativ beherzt entschieden, komplett zu einem rein virtuellen Produkt zu mutieren. CDs, DVDs, USB-Sticks und andere Datenträger gehören der Vergangenheit an, das Web wird ab Juni wie bei Apple bereits auch der einzige Zugangsweg zu aktuellen Versionen von Standardprogrammen wie Photoshop, Indesign oder Illustrator sein. Der große Erfolg der bereits mit der Creative Suite 6 gestarteten Online-Version als Testballon dürfte hierzu beigetragen haben. Das Ergebnis ist eine komplett eigene Software-Ökosphäre, ähnlich wie sie GoogleDocs oder Office365 darstellen, nur deutlich umfassender.

Cloud kills Copy

Vieles an dieser Idee ist modern, richtig und wegweisend. Abgesehen von zahlreichen Bugs und Ärgernissen ist der digitale Vertriebsweg – jedenfalls für Nutzer mit schneller Internetanbindung, alle anderen dürften Probleme bekommen – die richtige Entscheidung. Und an Miet- bzw. Nutzungsmodelle sind die meisten User durch Angebote wie Dropbox oder Evernote inzwischen gewohnt. Der Exodus der Software in den Bereich einer reinen Zur-Verfügung-Stellung wird so wahr und zugleich bringt SAS (zumindest vorübergehend) auch einen gewissen Schutz vor Raubkopien mit sich. Gerade bei Adobe, die sich (wie Microsoft) durch teilweise paranoide Schutzmaßnahmen hervorgetan haben in der Vergangenheit, ist dies sicher ein zentrales Motiv. Auch ist die Monetarisierung bei Mietmodellen über die Zeit einfach besser – ab einem bestimmten Punkt zahlt der Nutzer mehr Monatsbeiträge als er jemals für Updates auszugeben bereit gewesen wäre… merkt es aber aufgrund der kleineren Einzelbeträge kaum.

Adobe goes Facebook

CC eröffnet Adobe darüber hinaus die Möglichkeit, von der Software zum Service zu werden. Adobe kann so die gesamte kreative Schöpfungskette – die es im Printbereich durch zahlreiche Programme bereits nahezu monopolistisch dominiert – abdecken und zu Geld machen. Kreation, Kollaboration, Korrektur, Multi-Platform-Publishing und mit Behance ProSite neuerdings auch Eigenwerbung (wenn auch eher für Freelancer)… rein theoretisch bietet Adobe eine One-Stop-Lösung für alle Bedürfnisse von Designbüros und versucht zunehmend, auch im digitalen Bereich wieder Fuß zu fassen, wenn auch derzeit noch etwas irrlichternd. Man mag mit etwas Phantasie vorausahnen, wo etwa die krude Melange von Dreamweaver, Edge und Muse eines Tages hinführen könnte, derzeit dürften die meisten professionellen Developer aber eher auf andere Werkzeuge setzen. Dennoch wird Adobe mit CC zu einer Art Schnittstellen-Kommunikationsanbieter, einem Facebook zwischen Designern und Kunden, das früher oder später einen umfassenden virtuellen Workflow von der Idee bis zum Publishing abbilden könnte.

Bauchladen Adobe

Eine der Schattenseiten ist allerdings, dass Adobe nun zu einer Art Flatrate alle Programme für alle Nutzer anbietet. Es wird abzuwarten sein, ob die Käufer bereit sind, für 30-60% ungenutzte Software mitzuzahlen und inwieweit Adobe hier differenzierte Modelle entwickeln kann. Printentwickler etwa brauchen weite Teile der ehemaligen Mastersuite nicht, Programmierer werden umgekehrt eher auf das klobige Dreamweaver verzichten als für andere Programme wie After Effects, Soundbooth oder Premiere draufzuzahlen, ohne sie aktiv zu nutzen. Auf der anderen Seite eröffnet Adobe so natürlich allen Nutzern quasi-demokratisch den Zugang zu der hauseigenen Software. Wenn man doch mal Video schneidet, warum nicht einfach Premiere statt FinalCut nutzen, es kostet ja nichts extra und die Oberfläche ist einigermaßen vertraut. Warum DxO benutzen, wenn Lightroom Teil des CC-Deals ist? Sicher: Eine schöne Methode, um Abonnenten tiefer in das eigene Ökosystem zu locken, aber der Nachgeschmack eines monolithischen Anbieters, der etwas für jeden, aber kaum noch für alle das wirklich passende hat, verstärkt sich. Zumal oft kleinere, persönlichere Software-Schmieden längst nahezu gleichwertige bis bessere Alternativen anbieten, wenn auch sicher nicht im Profi-Bereich. Dazu passt, dass Adobe bei den Zielgruppen unsicher scheint. Muse, Dreamweaver und Edge scheinen für professionelle Nutzer kaum noch wirklich geeignet, Flash, Photoshop oder Indesign kann man aber kaum noch als Einsteigersoftware bezeichnen. Wenn sich aber das lustige, aber im Endeffekt doch nahezu unbrauchbare WYSIWYG von Muse an Laien wendet, die man eine schnelle statische Homepage machen wollen, Photoshop aber denkbar ungeeignet ist, um schnell etwas Digital-Knipserei zu bearbeiten – an wen wendet sich dann CC eigentlich? An alle? An niemanden?

Halbe Miete

Es passt durchaus, dass das CC-Angebot irgendwie unfertig und unentschieden wirkt, denn eines der Themen bei Adobe ist und bleibt ja, dass das Unternehmen nur noch selten zu hundert Prozent entschlossen und überzeugt wirkt, statt dessen eher zu verfrickeln scheint. Photoshop hat sich seit Jahren nur noch in Details verbessert und wirkt mit jedem Update mehr wie eine FrankenSoftware, an die immer neue Teile anmontiert und alte UI-Elemente zugleich weiter mitgeschleppt werden. Nichts macht das klarer als der Mischmasch aus «schwarzem» Neo-Interface ab CS6 und denn dann erscheinenden hellgrauen kleinen Filter-Fensterchen aus den frühen Neunzigern. Für jede Nutzer-Zielgruppe werden einige Features erfunden, sei es ein Anti-Verwackelungs-Filter, eine Objektivkorrektur, HDR- oder 3D-Features, die aber unter dem Strich die oft professionelleren Plugins von Drittanbietern nicht ersetzen können. Indesign hat sich in den letzten Jahren, abgesehen von einer eher halbbaren Digital-Publishing-Suite-Integration, kaum weiterentwickelt, obwohl es gerade hier einiges zu tun gäbe. DPS an sich macht in der Single-Edition nur sehr begrenzt Sinn, eine vernünftige iPad-Publishing-Lösung ist aber bei Adobe für Normalsterbliche nahezu unbezahlbar, ganz abgesehen von der unintuitiven Integration in die Indesign-Oberfläche – auch hier wird fleißig angeflanscht statt nach nahtlosen, sinnvollen Lösungen zu suchen. Ansätze wie Muse oder Edge sind oft wie Beta-Experimente aus den AdobeLabs, die lediglich öffentlich nutzbar gemacht werden (und – wie im Falle von «Rome» – mitunter dann ad hoc verschwinden). Es macht als Nutzer aber wenig Freude, sich in halbfertige Ansätze einzurenken, deren Entwicklung dann in wenigen Monaten ohnehin eingestellt wird. Inwieweit AIR überhaupt eine solide Basis für Software-Entwicklung ist, sei an dieser Stelle generell einmal dahingestellt. Einige der Adobe-Touch-Apps gab es nie für die iOS-Plattform und konsequenterweise scheinen sie aus CC ganz zu verschwinden, anstatt portiert zu werden. Überhaupt setzt Adobe überraschend stark auf Google – Chrome ist bei Edge und Muse quasi Bestandteil der Software. Auch die Cloud-Angebote, wie Acrobat.com oder Creative Cloud Files, sind als Idee ausgezeichnet, in der Praxis aber zu undurchdacht, langsam und insgesamt noch unausgereift im Vergleich zu anderen Angeboten. Ganz abgesehen, dass es eben noch eine zusätzliche Cloud-Plattform ist, auf und mit der man arbeitet. Die «alte» Software von Adobe wirkt also zunehmend aufgebläht und kompliziert, die neue unfertig, ein (oft durchaus spannender) Experimentier-Baukasten, aus dem nie etwas fertiges entsteht. Es gibt herausragende Einzellösungen, aber man wird das Gefühl nicht los, inmitten der besuchenswerten Inseln gäbe es gar keinen Masterplan für die Reise insgesamt, man driftet nur ziellos umher. Es gibt keine Architektur, keine erkennbare Strategie.

Ist die Cloud nur ein Sales-Konzept?

Adobe steht mit dem Abschied von der vorweg kaufbaren Software und dem Schritt zu einem Mietmodell stark in der Kritik. Nicht ganz zu unrecht. Es ist naheliegend, hinter dieser Entscheidung vor allem das Marketing von Adobe zu sehen, dass hier bessere Verdienstchancen sieht, besseren Kopierschutz, engere Kundenbindung. Die Frage, warum Adobe nicht ein Modell wie den iTunes-App-Store nutzt, darf gestellt sein (und beantwortet sich von selbst, wenn man die Historie von Adobe, Microsoft und Apple betrachtet. Dieser Boden ist zu vergiftet, inzwischen). Zugleich ist hier die letzte und einzige Chance von Adobe, nicht obsolet zu werden, und genau deshalb macht dieser Schritt jetzt Sinn, will die Firma sich einen Weg in die Zukunft sichern. Mit CC wandelt sich Adobe vom Software-Hersteller alter Schule zur Community, zur Design-Ökosphäre und diese Plattform wäre durchaus zukunftsfähig und ausbaubar, wenn die Firma es nur konsequent anginge. Es ist die infrastrukturelle Fata Morgana einer Erneuerung, der jetzt auch inhaltlich eine Neuaufstellung folgen muss.

Die Kollaboration von Partnern und Designern/Auftraggebern an Dokumenten, rechnerübergreifendes nahtloses DAM, integriertes Projektmanagement, optimierte webbasierte Korrekturworkflows, Multichannel-Publishing, die nahtlose Verbindung von stationärem und mobilen Arbeiten – all das ist mit dem Konzept von CC viel besser denkbar als bisher. Adobe könnte hier zahlreiche selbstbestrickte Ansätze ablösen, mit denen Designer im Alltag versuchen, ihre Arbeit effektiver zu machen. Dinge, die wir durch iCloud, GoogleDrive, Dropbox etc. in vieler Hinsicht bereits als selbstverständlich begreifen, sollten sich auch im Hinblick auf CC hochwirksam realisieren lassen. Wäre es nicht angenehm, ein Indesign-Dokument auf dem Laptop zu starten, auf dem MacPro im Büro weiter zu bearbeiten, um dann auf dem iPad im Textlayout die letzten Änderungen vorzunehmen, während der Auftraggeber bereits im Webbrowser auf vorhergehenden Seiten live in der Copy korrigiert? Wäre es nicht angenehm, mit mehreren Leuten zeitgleich in einem großen Indesign-Buch zu arbeiten? Oder sogar im Team an einem einzigen Bild zu arbeiten, Retusche, Farbkorrektur usw. in einem einzigen Dokument – ortsunabhängig? Wäre es nicht angenehm, Acrobat-Anmerkungen direkt und live an der entsprechenden Stelle in Indesign angezeigt zu bekommen?

Nahezu sämtliche Aspekte der Arbeit, die wir täglich erledigen, ließen sich durch eine gelungene CC-Plattform vereinfachen, bündeln, stärken und würden zu schnelleren Workflows und mehr Service für die Auftraggeber führen. Von der Bildauswahl über Moodboards bis zur Präsentation – in Experimenten und Teilen hat Adobe ja bereits gezeigt, dass es diese Bereiche unserer Arbeit durchaus wahrnimmt. Es gibt nur keine kohärente Lösung, eigentlich überraschend für einen Anbieter, der seit immerhin sechs Versionen das Wort «Suite» im Titel seiner Software führt. CC wäre als erster Schritt in diese Richtung denkbar.

Dazu gehört allerdings paradoxerweise die Bereitschaft, auf Geld zu verzichten, zumindest kurzfristig. Denn die CC-Plattform ist, insbesondere in Europa, überteuert. Um nicht missverstanden zu werden: Die US-Preise sind angesichts der Kosten für die Master-Suite angemessen, selbst wenn Adobe hier auf die Zeit gesehen einen deutlich besseren Schnitt macht gegenüber der in den meisten Büros üblichen Update-alle-zwei-Versionen-Taktik. Insbesondere die Einstiegspreise um 19 bis 29 $ sind attraktiv und machen die Software nahezu zu preiswert, rücken sie ins Revier von Amateur-Usern, auf die die Komplexität der Programme nicht zugeschnitten ist. Der europäische Aufschlag ist jedoch auch mit Steuern, der nur noch teilweise gegebenen und meist schlechten Übersetzung und eigenen Niederlassungen in Europa kaum noch zu rechtfertigen. Die Herausforderung für Adobe wird in den kommenden zwei Jahren sein, die Preise zu senken (insbesondere für Teams und Unternehmen wirkt die jetzige Lizenzpolitik seltsam veraltet) und gleichzeitig die Leistung von Servern und Software zu verbessern, die zahlreichen Ungereimtheiten zu tilgen, um von der Vergangenheitsbewältigung wieder in die Zukunft der digitalen Gestaltung blicken zu können. Hierzu muss aus dem Giganten in San Jose eine kleinere, kohärentere, schnellere Gruppe werden, die weniger gegeneinander und mehr zusammen arbeitet. Dass Photoshop ein anderes UI hat als Indesign sollte in Zukunft vermieden werden, ebenso wie eMails für Acrobat.com-Freigaben nicht erst mit vier Stunden Verspätung zugestellt werden dürfen.

Revolution statt Evolution

Der Wechsel zu einem SaaS-Ansatz, den Adobe nur begrenzt umsetzt (die Software wird ja immer noch lokal installiert) lässt keinen Raum mehr für solche Patzer. Der Markt reagiert enorm empfindlich auf Aussetzer bei cloudbasierten Angeboten, davon kann Apple ein Lied singen. Was Adobe bisher getan hat, ist leider nur die Fortschreibung des bisherigen Modells ins Web – ein paar eher insignifikante Feature-Updates und eine Entscheidung, die für viele bisherige Nutzer vielleicht eher Nach- als Vorteile bringt.

Das ist insgesamt ein zu kleiner Schritt und man darf sich fragen, es nicht too little too late ist, um Adobe zu retten. Die Firma hat alle Ressourcen, zu einer der wichtigsten Zukunftsplattformen im Publishing zu werden und eine Bedeutung zu erreichen, die weit über die heutige Position hinausgeht. Paradoxerweise steht sich der Gigant dabei aber oft selbst im Weg und scheint – wie bei vielen großen Unternehmen der Fall – keine klare Vision, keine Roadmap zu haben. Wohin Adobe geht, weiß Adobe offenbar selbst am wenigsten. Trotz vieler atemberaubender Experimente, richtiger Ideen und großartiger Mitarbeiter… der Konzern als ganzes wirkt wie in Fesseln gelegt, verschläft elementare Trends um Monate und Jahre (Stichworte: iOS, Responsive Design, DigitalPublishing) und ist oft alles andere als ein Trendsetter. Vielleicht braucht das Unternehmen einen Befreiungsschlag wie es der Abschied von PageMaker und die Einführung von Indesign war – einen revolutionären, auch schmerzhaften Cut, der die sinnlose Politik der kleinen Schritte ablöst und Raum schafft für eine zeitgemäßere Weiterentwicklung. Evolution ist sinnvoll und richtig, aber manchmal braucht man auch einen Sturm, der etwas «Housecleaning» bringt, der Bäume abholzt, damit Neues nachwachsen kann. Adobe braucht vielleicht einen Sturm.

Schafft es Adobe, aus der Position eines seine Marktmacht relativ offen nutzenden Monopolisten in die Haltung eines kleineren, kreativen Service-Anbieters zu wechseln? Bessere Team-Angebote, faire Preisstrukturen, schnellerer Service und mehr Innovation wären hierzu ebenso notwendig wie der mutige Schritt zu einem Angebot, das nicht mehr aus vielen kleinen Standalone-Programmen besteht, sondern einer integrierten Lösung, die modernen Workflows im Design gerecht(er) wird. Der Schritt zu CC ist insofern auch eine Verzweiflungstat, der Versuch eines Befreiungsschlags. Nur die Zeit wird zeigen, ob es ein letztes Aufbäumen oder der Anfang einer Neuaufstellung ist. Da wir als Designer immer noch in großen Teilen mit der Software von Adobe unser Geld verdienen, dürfen wir gespannt sein, ob er gelingt.

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