Über Selbstvermarktung in einer selbstverliebten Branche

„Mögest du in interessanten Zeiten leben“, sagt ein chinesisches Sprichwort. Dort auch als Fluch bekannt. Die eigentliche Bekanntheit erlangte die Redewendung durch ein Zitat von John F. Kennedy in seiner „Day of Affirmation speech“ : „Ob wir es wollen oder nicht – wir leben in interessanten Zeiten“.

Die Kreativbranche, dieses riesige Feld auf dem sich Gestalter und solche die es noch werden wollen tummeln, hat sich verändert. Mit Sicherheit nicht mehr oder weniger als andere Branchen und ich hasse das jetzt zu sagen, aber: Früher … ja früher … war alles ein Stück weit einfacher. Aktuell geht es um mobility – es geht um Ideen, die der Realität eine neue Service-, Informations- oder Entertainmentdimension geben sollen. Eine weitere Ebene kommt noch hinzu: alles dreht sich darum, scheinbar übermächtigen Content auf möglichst innovative Weise mit Technologien zu verbinden. Ein großes Fass voller Kreativität, in dem so manch einem droht, den Boden unter den Füßen zu verlieren. Die Branche scheint unübersichtlicher denn je, sogar für darin Aktive. Mit Sicherheit für den Nachwuchs, der mit Respekt, aber auch mit wachsender Verwirrung seine Rolle sucht. Interessante Zeiten eben, die für manchen wie ein Fluch wirken. Nicht jeder junge Designer sieht das alles als Chance, vielleicht eher als Bedrohung. Die Fragen werden lauter: Wie muss ich mich heute eigentlich darstellen .. oder muss ich mich und meine Fähigkeiten einfach nur besser verkaufen?

Tempo ist das Zauberwort – oder wie DIE im Marketing gerne sagen: Echtzeit.
In der Eigendarstellung heulen wir doch alle bereits mit den Wölfen, spiegeln uns in der URL der eigenen Webseite, machen authentische, professionelle Fotos von uns. Wir distribuieren unsere Existenz und unser Angebot auf scheinbar relevanten Kanälen. Wir sorgen dafür, dass man uns leicht erreichen kann: per E-Mail, per Skype, per Online-Netzwerk, per Handy. Wir sind Mitglied in sozialen Netzen wie Xing, Linkedin, Facebook, Twitter und streuen dort unsere Informationen. Bleiben dabei aber immer schön nahbar und persönlich! Wir melden uns in Fachforen, kommentieren Artikel in relevanten Blogs und liefern Denkanstöße. Das ist heute Lackmustest unserer Kompetenz. Wenn wir dort wiederholt und erkennbar als hilfsbereiter und informierter Experte auftauchen, kommen die Leute später von alleine zu uns. Glauben wir. Denn wir wissen: Erst geben, dann nehmen! Natürlich besuchen wir einschlägige Messen, Kongresse, Camps – und berichten darüber per Artikel, Storys auf snapchat, instagram oder anderem „sozialen Unfug“. Das kostet Ressourcen … das kostet Kraft … vielleicht kann man „Tempo“ als das „Kryptonit“ eines neuen Agenturmodells bezeichnen.

Natürlich will jeder gut wirken. Das mache ich, das macht ihr, das machen wir alle … Tag für Tag. Wer erfolgreich sein will, soll seine Qualitäten und Kompetenzen ja auch kommunizieren. In diesen „interessanten Zeiten“ kommt keiner am Selbstmarketing vorbei. Die Frage ist aber nicht, ob man sich präsentieren muss, sondern viel eher, wie man es schafft, das auf eine Art zu tun, die man mit sich vereinbaren kann. Bei sich bleiben und dennoch für sich werben ist ein Balanceakt.

Bevor man daran verzweifelt, sollte man sich bewusst machen, dass es anderen genauso geht. Bereits in den siebziger Jahren des 20. Jahrhunderts hat der Sozialphilosoph Erich Fromm in „Haben oder Sein“ beschrieben, welcher Persönlichkeitstyp sich in der Gesellschaft bevorzugt entwickelt. Fromm bezeichnet ihn als „Marketing-Charakter“. Da der Erfolg nicht mehr von der Eignung und Fähigkeit abhänge, sondern zunehmend davon, wie gut man seine Persönlichkeit verkaufe, erlebe man sich selbst als Ware und werde somit gleichzeitig zum Verkäufer und zur zu verkaufenden Ware. Fromms Feststellung ist bitter, hat aber auch etwas Tröstliches, wenn einen das Selbstmarketing gerade deprimiert: Man fühlt sich zumindest verstanden in seinem Ärger darüber, sich unablässig präsentieren zu müssen.

Das zweite Zauberwort – Strategie. Damit man sich nicht trotzdem irgendwann nur noch als Ware begreift, muss dazu weiteres folgen: eine eigene Strategie. Klar. Nur, wie soll die sein? Einfach nicht mehr für sich werben? Nein. Rückzug ist keine Lösung. Aber man kann lernen, mehr bei sich zu bleiben und darauf zu vertrauen, mit der eigenen Art Erfolg zu haben. Dazu muss man seine Stärken und Schwächen sehr gut kennen und über seine Wünsche nachdenken. Wir haben so viel Konkurrenz, dass es enorm wichtig ist, sich nicht selbst zu verlieren.

Authentizität – ist das dritte Zauberwort. Man mag es kaum noch hören. Auch klar. Aber der Begriff ist komplex. Ein Mensch wird als authentisch wahrgenommen, wenn seine Aussagen mit seinem Handeln, seinen Taten und seiner Wertehaltung übereinstimmen. Dazu zählt auch seine Arbeit. Erst wenn alles zusammenpasst, empfinden wir jemanden als echt. Es geht um Impression-Management, um gezielte Eindruckssteuerung. Dabei geht es in erster Linie darum herauszufinden, wer man ist, was man kann, wo die Stärken und Talente liegen und vor allem wo die eigenen Grenzen und Schwächen liegen. Wie kann erreicht werden, dass ich bestimmte Kompetenzen verkörpere? Selbstmarketing zu betreiben heißt, die Deutungshoheit über sich seiner Umwelt zu überlassen – und diese gleichzeitig mit allen Mitteln selbst zu steuern.

Selbstverständlich gibt es auf der anderen Seite unseres Schreibtisches Entscheider, die auf das Feuerwerk von Selbstdarstellern reinfallen. Aber die meisten wünschen sich Designer, die sich für etwas begeistern, denn dann sind sie darin auch gut. Nur wenn einem klar ist, warum man diesen Job oder diesen einen Auftrag unbedingt haben will, kann man das auch rüberbringen. Seine echten Interessen transportieren können – das muss man lernen. Schauspielunterricht sollte dafür niemand nehmen, das würde nur von einem selbst wegführen. Besser ist es, mit Freunden zu üben, die ehrliche Rückmeldungen geben. Sie sollten einen so gut kennen, dass sie einschätzen können, bis zu welchem Punkt man an sich arbeiten kann, damit man seine Fähigkeiten und seine Begeisterung möglichst gut vermittelt – und wann man beginnt, sich zu verstellen. Am Ende wird man zufriedener sein, wenn man mit sich selbst überzeugen konnte. Und je mehr man bei sich angekommen ist, desto besser kommt man auch bei anderen an.

Verkaufen. Verkaufen. Verkaufen.

Über Selbstvermarktung in einer selbstverliebten Branche

„Mögest du in interessanten Zeiten leben“, sagt ein chinesisches Sprichwort. Dort auch als Fluch bekannt. Die eigentliche Bekanntheit erlangte die Redewendung durch ein Zitat von John F. Kennedy in seiner „Day of Affirmation speech“ : „Ob wir es wollen oder nicht – wir leben in interessanten Zeiten“.

Die Kreativbranche, dieses riesige Feld auf dem sich Gestalter und solche die es noch werden wollen tummeln, hat sich verändert. Mit Sicherheit nicht mehr oder weniger als andere Branchen und ich hasse das jetzt zu sagen, aber: Früher … ja früher … war alles ein Stück weit einfacher. Aktuell geht es um mobility – es geht um Ideen, die der Realität eine neue Service-, Informations- oder Entertainmentdimension geben sollen. Eine weitere Ebene kommt noch hinzu: alles dreht sich darum, scheinbar übermächtigen Content auf möglichst innovative Weise mit Technologien zu verbinden. Ein großes Fass voller Kreativität, in dem so manch einem droht, den Boden unter den Füßen zu verlieren. Die Branche scheint unübersichtlicher denn je, sogar für darin Aktive. Mit Sicherheit für den Nachwuchs, der mit Respekt, aber auch mit wachsender Verwirrung seine Rolle sucht. Interessante Zeiten eben, die für manchen wie ein Fluch wirken. Nicht jeder junge Designer sieht das alles als Chance, vielleicht eher als Bedrohung. Die Fragen werden lauter: Wie muss ich mich heute eigentlich darstellen .. oder muss ich mich und meine Fähigkeiten einfach nur besser verkaufen?

Tempo ist das Zauberwort – oder wie DIE im Marketing gerne sagen: Echtzeit.
In der Eigendarstellung heulen wir doch alle bereits mit den Wölfen, spiegeln uns in der URL der eigenen Webseite, machen authentische, professionelle Fotos von uns. Wir distribuieren unsere Existenz und unser Angebot auf scheinbar relevanten Kanälen. Wir sorgen dafür, dass man uns leicht erreichen kann: per E-Mail, per Skype, per Online-Netzwerk, per Handy. Wir sind Mitglied in sozialen Netzen wie Xing, Linkedin, Facebook, Twitter und streuen dort unsere Informationen. Bleiben dabei aber immer schön nahbar und persönlich! Wir melden uns in Fachforen, kommentieren Artikel in relevanten Blogs und liefern Denkanstöße. Das ist heute Lackmustest unserer Kompetenz. Wenn wir dort wiederholt und erkennbar als hilfsbereiter und informierter Experte auftauchen, kommen die Leute später von alleine zu uns. Glauben wir. Denn wir wissen: Erst geben, dann nehmen! Natürlich besuchen wir einschlägige Messen, Kongresse, Camps – und berichten darüber per Artikel, Storys auf snapchat, instagram oder anderem „sozialen Unfug“. Das kostet Ressourcen … das kostet Kraft … vielleicht kann man „Tempo“ als das „Kryptonit“ eines neuen Agenturmodells bezeichnen.

Natürlich will jeder gut wirken. Das mache ich, das macht ihr, das machen wir alle … Tag für Tag. Wer erfolgreich sein will, soll seine Qualitäten und Kompetenzen ja auch kommunizieren. In diesen „interessanten Zeiten“ kommt keiner am Selbstmarketing vorbei. Die Frage ist aber nicht, ob man sich präsentieren muss, sondern viel eher, wie man es schafft, das auf eine Art zu tun, die man mit sich vereinbaren kann. Bei sich bleiben und dennoch für sich werben ist ein Balanceakt.

Bevor man daran verzweifelt, sollte man sich bewusst machen, dass es anderen genauso geht. Bereits in den siebziger Jahren des 20. Jahrhunderts hat der Sozialphilosoph Erich Fromm in „Haben oder Sein“ beschrieben, welcher Persönlichkeitstyp sich in der Gesellschaft bevorzugt entwickelt. Fromm bezeichnet ihn als „Marketing-Charakter“. Da der Erfolg nicht mehr von der Eignung und Fähigkeit abhänge, sondern zunehmend davon, wie gut man seine Persönlichkeit verkaufe, erlebe man sich selbst als Ware und werde somit gleichzeitig zum Verkäufer und zur zu verkaufenden Ware. Fromms Feststellung ist bitter, hat aber auch etwas Tröstliches, wenn einen das Selbstmarketing gerade deprimiert: Man fühlt sich zumindest verstanden in seinem Ärger darüber, sich unablässig präsentieren zu müssen.

Das zweite Zauberwort – Strategie. Damit man sich nicht trotzdem irgendwann nur noch als Ware begreift, muss dazu weiteres folgen: eine eigene Strategie. Klar. Nur, wie soll die sein? Einfach nicht mehr für sich werben? Nein. Rückzug ist keine Lösung. Aber man kann lernen, mehr bei sich zu bleiben und darauf zu vertrauen, mit der eigenen Art Erfolg zu haben. Dazu muss man seine Stärken und Schwächen sehr gut kennen und über seine Wünsche nachdenken. Wir haben so viel Konkurrenz, dass es enorm wichtig ist, sich nicht selbst zu verlieren.

Authentizität – ist das dritte Zauberwort. Man mag es kaum noch hören. Auch klar. Aber der Begriff ist komplex. Ein Mensch wird als authentisch wahrgenommen, wenn seine Aussagen mit seinem Handeln, seinen Taten und seiner Wertehaltung übereinstimmen. Dazu zählt auch seine Arbeit. Erst wenn alles zusammenpasst, empfinden wir jemanden als echt. Es geht um Impression-Management, um gezielte Eindruckssteuerung. Dabei geht es in erster Linie darum herauszufinden, wer man ist, was man kann, wo die Stärken und Talente liegen und vor allem wo die eigenen Grenzen und Schwächen liegen. Wie kann erreicht werden, dass ich bestimmte Kompetenzen verkörpere? Selbstmarketing zu betreiben heißt, die Deutungshoheit über sich seiner Umwelt zu überlassen – und diese gleichzeitig mit allen Mitteln selbst zu steuern.

Selbstverständlich gibt es auf der anderen Seite unseres Schreibtisches Entscheider, die auf das Feuerwerk von Selbstdarstellern reinfallen. Aber die meisten wünschen sich Designer, die sich für etwas begeistern, denn dann sind sie darin auch gut. Nur wenn einem klar ist, warum man diesen Job oder diesen einen Auftrag unbedingt haben will, kann man das auch rüberbringen. Seine echten Interessen transportieren können – das muss man lernen. Schauspielunterricht sollte dafür niemand nehmen, das würde nur von einem selbst wegführen. Besser ist es, mit Freunden zu üben, die ehrliche Rückmeldungen geben. Sie sollten einen so gut kennen, dass sie einschätzen können, bis zu welchem Punkt man an sich arbeiten kann, damit man seine Fähigkeiten und seine Begeisterung möglichst gut vermittelt – und wann man beginnt, sich zu verstellen. Am Ende wird man zufriedener sein, wenn man mit sich selbst überzeugen konnte. Und je mehr man bei sich angekommen ist, desto besser kommt man auch bei anderen an.

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