Wer gut erzählen kann, braucht sich um begeisterte Zuhörer keine Sorgen zu machen. Im Konferenzraum und an der Kaffeetheke, online wie offline, im Gespräch und im Vortrag.

Ich sprach dazu mit Thomas Pyczak, dem Autor von Tell Me! (Rheinwerk Verlag).

Storytelling ist im Moment in aller Munde. Was sind die Ursachen für diesen Hype? 

Die Sehnsucht nach Geschichten ist so alt wie die Menschheit selbst. Die Anwendung von Storys im Business-Kontext ist relativ neu. In den USA kam sie vor ca. 20 Jahren auf, bei uns etwa Anfang dieses Jahrzehnts. Für mich ist es die Antwort auf eine Überdosis Informationen auf der einen Seite und eine schrumpfende Aufmerksamkeitsspanne auf der anderen Seite. Geschichten bringen Ereignisse in eine Ordnung und so entsteht Sinn. Sie bringen zugleich Ruhe und Emotion – genau wie gutes Design.

Quelle: https://www.strategisches-storytelling.de/downloads/. Lean Storytelling: So kommen Sie auf den Punkt und reduzieren Inhalte auf ein Maximum

Bei welchen Marken macht Storytelling Sinn? 

Bei allen. Eine Geschichte gibt einer Marke Charakter. Das macht sie greifbarer, ich kann sie auch viel besser erinnern. Und ich kann mich als Kunde viel leichter mit einer Marke zu identifizieren. Ich mag zum Beispiel einen Mini, weil ich finde, dass die Mischung aus retromodernem Design, guter Technik und einer Story von der Wiedergeburt einer Legende passt. Oder, noch eine andere Automarke: An Tesla gefällt mir diese Radikalität, und es ist auch Teil der Story, dass das ganze Projekt scheitern mag. Mini ist eine Wiedergeburt, Tesla eine Expedition ins Ungewisse.

Wie kann man mit Storytelling überzeugen?

Anders als mit reinen Fakten oder mit einer Datenliste. Zwischen „ich sage dir mal, wie die Fakten sind“ und „lass mich dir eine Geschichte erzählen“ liegen Welten. Geschichten sind Angebote, es bleibt ein großer Entscheidungsfreiraum für den Zuhörer. Er oder sie bekommt die Möglichkeit, sich über die Story in eine Sache hineinzuversetzen und hineinzufühlen. Ich erzähle die Geschichte einer grünen Zukunft und welche Rolle das Unternehmen und seine Kunden darin spielen – so macht es zum Beispiel Tesla. Ich kann mich in der Geschichte bewegen und sie mit meiner eigenen Sicht der Dinge abgleichen. Kurzum: Storytelling ist nicht nur eine nette Verpackung, es ist eine Art, wie man authentisch und unaufdringlich überzeugende Angebote macht. Genau wie Design meiner Meinung nach viel mehr als schönes Äußeres ist, sondern eben auch eine Möglichkeit der Weltsicht zeigt. Gutes Design ist so unaufdringlich wie eine gute Story. Und so wirkungsvoll.

Wie wird aus einer Story eine gute Story?

Eine gute Story im Sinne von überzeugend rührt vor allem von einem tiefen Verständnis der Zuhörer oder Leser. Es ist elementar für jeden Storyteller, sein Publikum genau zu kennen. Eine Geschichte erzählen heißt, Gehirne auf eine Wellenlänge bringen und das geht nur, wenn ich in der Sprache meines Publikums erzähle, wenn ich dessen Weltsicht aufnehme, wenn ich eine emotionale Nähe zu ihm habe. Um also erfolgreich erzählen zu können, muss ich vor allem ein guter Zuhörer sein und einen hohen Grad emotionaler Intelligenz mitbringen. Siehe auch: https://www.youtube.com/watch?v=TPKgC8KPBMg

Grafik: Die narrative Struktur von Change-Prozessen, nach Nancy Duarte und Patti Sanchez: Illuminate. Ignite change through speeches, stories, ceremonies, and symbols. Great Britain: 2016. S. 11 und S. 14.

Welche Elemente müssen bei einem guten Storytelling bedacht werden?

Es gibt eine sehr schöne Definition von Storytelling bei Pixar. Die sagen: “A story is a series of events. It begins, something happens, and it ends.“ Wer so vorgeht, hat schon mal eine klare Struktur vor Augen, eine Idee von Anfang, Mitte, Ende. Was passiert da? Grundsätzlich folgendes: Ein Held möchte ein Ziel erreichen und je mehr er sich anstrengt, desto größer der Widerstand. Man denke an Star Wars, welchen Teil auch immer: Kurze Einführung, knappes Ende, dazwischen 100 Minuten Stress. Dieser Stress darf niemals unter den Tisch gekehrt werden. Also: Wir haben uns ein hohes Ziel gesetzt und es erreicht, ist keine Story. Das will niemand hören. Der US-Schriftsteller Kurt Vonnegut hat verschiedene Storystrukturen designt, sie in Infografiken übersetzt. Ein großartiger Ansatz, der sich leicht nachvollziehen lässt. Diese einfachen Vorlagen für Storytelling finden Sie in meinem Blog: https://www.strategisches-storytelling.de/einfache-vorlagen-fuer-storytelling/

Quelle: Die Story von Airbnb als Heldenreise, einem der zentralen Storytelling Tools

Facebook etc. geht von der Reichweite eher zurück. Wie erzählt man auf Facebook, Instagram etc. am Besten überzeugende Geschichten?

Facebook funktioniert eigentlich nur über Bilder oder Videos. Ich zeige in meinem Buch, was ein gutes Bild ausmacht, eins das um die Welt geht. Ich mache das am Beispiel eines Fotos von Lady Diana mit HIV-positiven Kindern. Das Bild ist von 1991, damals war die Angst vor Aids groß. Man ging auf Distanz. Diana zeigt in einer klassischen Mutterpose eine andere Haltung, Mut, Menschlichkeit. So ein Bild geht um die Welt. Es braucht allerdings eine Bildunterschrift oder eine Überschrift, die erläutert, was es mit den Kindern auf sich hat. Bild und Text gehören zusammen. Entscheidend, damit so ein Bild funktioniert ist Authentizität – echte Menschen. Hinzu kommt eine sinnliche Qualität, ich muss etwas spüren. Und schließlich ist es klug, sich auch bei Bildern oder Videos an klassischen erzählerischen Archetypen zu orientieren. Der Held, der Magier, der Entdecker – oder wie bei Diana, die Mutter. Die Lehre daraus: Fotos funktionieren, aber keine stereotypen Bilder, sondern Bilder, die eine Geschichte erzählen. Das Thema Video wurde gut erforscht. Da geht es vor allem darum, eine Achterbahnfahrt der Gefühle zu inszenieren und zugleich eine vollständige Geschichte mit Anfang, Mitte und Ende zu erzählen, auch wenn der Clip nur eine Minute dauert. Das ergaben Analysen der erfolgreichsten Superbowl Clips.

Wie entstand die Idee zu dem Buch?

Ich wollte gern meine Erfahrungen aus 25 Jahren Storytelling als Journalist, Chefredakteur, Medienmanager und Romanautor zusammenfassen. Das war die Grundidee. Ich dachte, vielleicht lässt sich daraus lernen. Im März 2016 habe ich angefangen einen Blog zu schreiben (http://www.strategisches-storytelling.de), Bücher und Aufsätze zum Thema gelesen, viele Gespräche mit klugen Menschen geführt. Ein halbes Jahr später begannen Verlagsgespräche. Die Idee war, ein erzählendes Buch über Storytelling zu schreiben, kein reines Sachbuch. Lesespaß war mir wichtig – und Schreibspaß. Davon erzählt auch schon das Cover mit dem Kaktus und dem Luftballon, wunderbar umgesetzt von Designerin Mai Loan Nguyen Duy beim Rheinwerk Verlag.

Wer sollte das Buch lesen?

Das Buch ist für alle gedacht, die überzeugend kommunizieren möchten. Storytelling ist meiner Meinung nach eine Schlüsselqualifikation in einer Arbeitswelt, die sich durch permanente Veränderung auszeichnet. Storys verbinden, stiften Sinn, infizieren und sorgen dafür, dass der Human Touch nicht verloren geht. Das gilt für Experten wie für Auszubildende, für Designer wie für Wissenschaftler, für Gründer wie für Angestellte. „The storyteller is the most powerful person in the world“, sagt Steve Jobs.

Storytelling – Interview mit Thomas Pyczak 

Wer gut erzählen kann, braucht sich um begeisterte Zuhörer keine Sorgen zu machen. Im Konferenzraum und an der Kaffeetheke, online wie offline, im Gespräch und im Vortrag.

Ich sprach dazu mit Thomas Pyczak, dem Autor von Tell Me! (Rheinwerk Verlag).

Storytelling ist im Moment in aller Munde. Was sind die Ursachen für diesen Hype? 

Die Sehnsucht nach Geschichten ist so alt wie die Menschheit selbst. Die Anwendung von Storys im Business-Kontext ist relativ neu. In den USA kam sie vor ca. 20 Jahren auf, bei uns etwa Anfang dieses Jahrzehnts. Für mich ist es die Antwort auf eine Überdosis Informationen auf der einen Seite und eine schrumpfende Aufmerksamkeitsspanne auf der anderen Seite. Geschichten bringen Ereignisse in eine Ordnung und so entsteht Sinn. Sie bringen zugleich Ruhe und Emotion – genau wie gutes Design.

Quelle: https://www.strategisches-storytelling.de/downloads/. Lean Storytelling: So kommen Sie auf den Punkt und reduzieren Inhalte auf ein Maximum

Bei welchen Marken macht Storytelling Sinn? 

Bei allen. Eine Geschichte gibt einer Marke Charakter. Das macht sie greifbarer, ich kann sie auch viel besser erinnern. Und ich kann mich als Kunde viel leichter mit einer Marke zu identifizieren. Ich mag zum Beispiel einen Mini, weil ich finde, dass die Mischung aus retromodernem Design, guter Technik und einer Story von der Wiedergeburt einer Legende passt. Oder, noch eine andere Automarke: An Tesla gefällt mir diese Radikalität, und es ist auch Teil der Story, dass das ganze Projekt scheitern mag. Mini ist eine Wiedergeburt, Tesla eine Expedition ins Ungewisse.

Wie kann man mit Storytelling überzeugen?

Anders als mit reinen Fakten oder mit einer Datenliste. Zwischen „ich sage dir mal, wie die Fakten sind“ und „lass mich dir eine Geschichte erzählen“ liegen Welten. Geschichten sind Angebote, es bleibt ein großer Entscheidungsfreiraum für den Zuhörer. Er oder sie bekommt die Möglichkeit, sich über die Story in eine Sache hineinzuversetzen und hineinzufühlen. Ich erzähle die Geschichte einer grünen Zukunft und welche Rolle das Unternehmen und seine Kunden darin spielen – so macht es zum Beispiel Tesla. Ich kann mich in der Geschichte bewegen und sie mit meiner eigenen Sicht der Dinge abgleichen. Kurzum: Storytelling ist nicht nur eine nette Verpackung, es ist eine Art, wie man authentisch und unaufdringlich überzeugende Angebote macht. Genau wie Design meiner Meinung nach viel mehr als schönes Äußeres ist, sondern eben auch eine Möglichkeit der Weltsicht zeigt. Gutes Design ist so unaufdringlich wie eine gute Story. Und so wirkungsvoll.

Wie wird aus einer Story eine gute Story?

Eine gute Story im Sinne von überzeugend rührt vor allem von einem tiefen Verständnis der Zuhörer oder Leser. Es ist elementar für jeden Storyteller, sein Publikum genau zu kennen. Eine Geschichte erzählen heißt, Gehirne auf eine Wellenlänge bringen und das geht nur, wenn ich in der Sprache meines Publikums erzähle, wenn ich dessen Weltsicht aufnehme, wenn ich eine emotionale Nähe zu ihm habe. Um also erfolgreich erzählen zu können, muss ich vor allem ein guter Zuhörer sein und einen hohen Grad emotionaler Intelligenz mitbringen. Siehe auch: https://www.youtube.com/watch?v=TPKgC8KPBMg

Grafik: Die narrative Struktur von Change-Prozessen, nach Nancy Duarte und Patti Sanchez: Illuminate. Ignite change through speeches, stories, ceremonies, and symbols. Great Britain: 2016. S. 11 und S. 14.

Welche Elemente müssen bei einem guten Storytelling bedacht werden?

Es gibt eine sehr schöne Definition von Storytelling bei Pixar. Die sagen: “A story is a series of events. It begins, something happens, and it ends.“ Wer so vorgeht, hat schon mal eine klare Struktur vor Augen, eine Idee von Anfang, Mitte, Ende. Was passiert da? Grundsätzlich folgendes: Ein Held möchte ein Ziel erreichen und je mehr er sich anstrengt, desto größer der Widerstand. Man denke an Star Wars, welchen Teil auch immer: Kurze Einführung, knappes Ende, dazwischen 100 Minuten Stress. Dieser Stress darf niemals unter den Tisch gekehrt werden. Also: Wir haben uns ein hohes Ziel gesetzt und es erreicht, ist keine Story. Das will niemand hören. Der US-Schriftsteller Kurt Vonnegut hat verschiedene Storystrukturen designt, sie in Infografiken übersetzt. Ein großartiger Ansatz, der sich leicht nachvollziehen lässt. Diese einfachen Vorlagen für Storytelling finden Sie in meinem Blog: https://www.strategisches-storytelling.de/einfache-vorlagen-fuer-storytelling/

Quelle: Die Story von Airbnb als Heldenreise, einem der zentralen Storytelling Tools

Facebook etc. geht von der Reichweite eher zurück. Wie erzählt man auf Facebook, Instagram etc. am Besten überzeugende Geschichten?

Facebook funktioniert eigentlich nur über Bilder oder Videos. Ich zeige in meinem Buch, was ein gutes Bild ausmacht, eins das um die Welt geht. Ich mache das am Beispiel eines Fotos von Lady Diana mit HIV-positiven Kindern. Das Bild ist von 1991, damals war die Angst vor Aids groß. Man ging auf Distanz. Diana zeigt in einer klassischen Mutterpose eine andere Haltung, Mut, Menschlichkeit. So ein Bild geht um die Welt. Es braucht allerdings eine Bildunterschrift oder eine Überschrift, die erläutert, was es mit den Kindern auf sich hat. Bild und Text gehören zusammen. Entscheidend, damit so ein Bild funktioniert ist Authentizität – echte Menschen. Hinzu kommt eine sinnliche Qualität, ich muss etwas spüren. Und schließlich ist es klug, sich auch bei Bildern oder Videos an klassischen erzählerischen Archetypen zu orientieren. Der Held, der Magier, der Entdecker – oder wie bei Diana, die Mutter. Die Lehre daraus: Fotos funktionieren, aber keine stereotypen Bilder, sondern Bilder, die eine Geschichte erzählen. Das Thema Video wurde gut erforscht. Da geht es vor allem darum, eine Achterbahnfahrt der Gefühle zu inszenieren und zugleich eine vollständige Geschichte mit Anfang, Mitte und Ende zu erzählen, auch wenn der Clip nur eine Minute dauert. Das ergaben Analysen der erfolgreichsten Superbowl Clips.

Wie entstand die Idee zu dem Buch?

Ich wollte gern meine Erfahrungen aus 25 Jahren Storytelling als Journalist, Chefredakteur, Medienmanager und Romanautor zusammenfassen. Das war die Grundidee. Ich dachte, vielleicht lässt sich daraus lernen. Im März 2016 habe ich angefangen einen Blog zu schreiben (http://www.strategisches-storytelling.de), Bücher und Aufsätze zum Thema gelesen, viele Gespräche mit klugen Menschen geführt. Ein halbes Jahr später begannen Verlagsgespräche. Die Idee war, ein erzählendes Buch über Storytelling zu schreiben, kein reines Sachbuch. Lesespaß war mir wichtig – und Schreibspaß. Davon erzählt auch schon das Cover mit dem Kaktus und dem Luftballon, wunderbar umgesetzt von Designerin Mai Loan Nguyen Duy beim Rheinwerk Verlag.

Wer sollte das Buch lesen?

Das Buch ist für alle gedacht, die überzeugend kommunizieren möchten. Storytelling ist meiner Meinung nach eine Schlüsselqualifikation in einer Arbeitswelt, die sich durch permanente Veränderung auszeichnet. Storys verbinden, stiften Sinn, infizieren und sorgen dafür, dass der Human Touch nicht verloren geht. Das gilt für Experten wie für Auszubildende, für Designer wie für Wissenschaftler, für Gründer wie für Angestellte. „The storyteller is the most powerful person in the world“, sagt Steve Jobs.

Edit