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Buchvorstellung: Du Tarzan Ich Jane – Gender Codes im Design

Das Thema Gender Design als solches ist zwar nicht ganz so neu, aber Bücher zu diesem Thema scheint es bisher nicht viele zu geben. Auch ist das Fach »Gender Design« nur an wenigen Design-Hochschulen Bestandteil des Stundenplans, eine ist z.B. die KISD in Köln, eine andere die FH Hannover. Letztere hat jetzt unter der Leitung der Professorin Birgit Weller zusammen mit der HTW Berlin ein Buch zum Thema heraus geben mit dem Titel »Du Tarzan Ich Jane – Gender Codes im Design«, das Forschungsergebnisse zum Thema Gender Design präsentiert.

Dominique Esser, die mit ihrem Artikel Gender Calling im Dmig-Magazin für einiges an Aufsehen sorgte, hat sich das Buch näher angesehen und stellt uns das Buch ein wenig näher vor.

Du Tarzan Ich Jane – Gender Codes im Design

Das Cover des Buches dreht das bekannte Filmzitat »Ich Tarzan Du Jane« fast unbemerkt um und trennt typografisch beide Begriffe, »Du Tarzan« wirkt massiv, »Ich Jane« ist eher zart in Italics gesetzt. Den Kontrast verstärken die Bildmotive zusätzlich: Zwei Revolver stehen sich gegenüber, der eine aus Metall dunkel und bedrohlich, der andere in rosa Plastik wirkt wenig furchteinflößend, weil irgendwie funktionsuntüchtig.

So stehen sie auch im ersten Bildteil »Codierte Schätze« eindrucksvoll nebeneinander, die »Fundstücke«, wie die beiden Autorinnen sie nennen. Produkte, die dasselbe sind und tun und doch so anders daherkommen. Anders in Form und Farbe, anders in Bezeichnung und Verpackung. Das helle Nivea Deo pearl & beauty mit rosa glänzender Perlenillustration neben dem dunklen, blauen DRY IMPAKT Deo in roten Großbuchstaben. Der Gillette MACH 3 Turbo in schwarz und silber neben dem runden, violetten Venus Breeze der gleichen Marke. Die reine Gegenüberstellung verfehlt ihre Wirkung nicht. Es wird deutlich, dass die Herstellerin oder der Hersteller eine sehr klare Vorstellung davon hat, wer welche Produkte kaufen soll und wer eben nicht.

Im zweiten Teil »Uncodierte Schätze« gibt es keine Gegenüberstellung und keine eindeutige Kaufzuweisung. Beim Betrachten der Objekte, die jeweils auf einer Doppelseite dargestellt werden, schießt mir der Begriff »funktionell« in den Kopf. Denn fehlen diese eindeutigen Zuordnungsaspekte, so scheint es, dass ein Gegenstand erstmals das sein kann, was er doch vielleicht öfters sein sollte: ein Gebrauchsgegenstand. Nicht beschränkt, aber doch fokussiert auf eben diesen Gebrauch. Der Bosch Schraubenzieher oder die WMF Kaffeepadmaschine sind hier wirksam aufgezeigte Beispiele.

Die »Gender Codes«, wie sie von den beiden Autorinnen Prof. Birgit Weller und Katharina Krämer von der Hochschule Hannover genannt werden, sind offensichtlich und überall und doch sind wir schon so sehr daran gewöhnt, dass wir sie im Alltag nicht mehr wahrnehmen. So greifen wir brav nach den für uns pink eingefärbten Einwegrasierern statt das vielleicht baugleiche (oder sogar bessere?) Modell in schwarz oder blau in den Einkaufskorb zu stecken. Wir wissen, das ist nichts für uns, das ist nur für Männer. Die Sammlung, die im Rahmen eines Forschungsprojektes an der Hochschule Hannover und der Hochschule für Technik und Wirtschaft Berlin zusammengetragen wurde beweist: wir müssen uns in vielen Fällen entscheiden auf welcher Seite wir stehen. Sind wir Tarzan? Oder sind wir Jane?

Der reinen Darstellung folgt eine Beschreibung der vorangehenden Bildteile. Hier erfährt die Leserin und der Leser, dass die Käuferin des schon erwähnten Gillette Venus Breeze auf der Internetseite des Produktes »Schönheitstipps und Stilberatung« bekommt, die sie dazu animieren sollen »ihrem Partner als betörendes und immer perfekt rasiertes Wesen gegenüberzutreten.« Wohingegen es auf der Internetseite des MACH 3 Turbo wissenschaftlich wird: »Ein umfangreiches Rasurlexikon (…) führt von Aftershave bis Zwirbelbart durch die Welt des Rasierens.«

Auch wird erklärt, dass Boschs Schraubenzieher mit seiner »handliche(n) kompakte(n) Form, [dem] geringe(m) Gewicht, [und der] einfache(n) Bedienbarkeit« eben auch die Zielgruppe Frauen erreichen will. Beim Betrachten des Produktes beschleicht mich der leise Verdacht, dass sich eine Gestaltung, welche für Frauen und Männer gleichermaßen gut funktionieren soll, eventuell vorteilhaft auf den Gebrauch insgesamt ausübt. Und so lese ich dann auch im Nachwort von Prof. Katrin Hinz von der HTW Berlin sehr treffend formuliert: »Ganze Branchen beschneiden sich selbst in ihrer Marktfähigkeit, indem sie den Klischees folgen und die Geschlechter simplifizieren.«
So gibt dieses Buch einen wirklich sehr guten Einstieg in die Thematik Gender und Design, stereotype Gestaltung und die Vorteile, die sich ergeben können, wenn Unternehmen sich einmal ernsthafte Gedanken über Ihre Zielgruppe machen. Ein Glossar mit genderrelevanten Begriffen und Literaturempfehlungen am Ende, komplettiert diesen Eindruck.

Weller und Krämer sind nicht die ersten, die sich mit gendercodierten Produkten beschäftigen. Prof. Uta Brandes, Professorin für Gender und Design an der Köln International School of Design, hatte es sich bereits 2003 in Ihrer Studie »Gendered Products« zur Aufgabe gemacht, »die Vielfältigkeit und Häufigkeit der unbewußten Vergeschlechtlichung von Produkten aufzuzeigen.«

Worum es hierbei eigentlich geht und warum eine stereotype Gestaltungsweise zumindest hinterfragt werden sollte, beantwortet Prof. Hinz ebenfalls im Nachwort: »Es geht nicht um Gleichmacherei. Es geht um die Mühe, das andere Geschlecht ernst zu nehmen, ohne nicht auch über uns gegenseitig lachen zu können. Lachen und nicht Auslachen, das ist der kleine Unterschied.« Und sie schlägt vor: »Wagen wir in Zukunft auch ein »Nein« zu zuviel dümmlicher Kategorisierung, ohne dabei unseren Humor zu verlieren.«
Dem stimme ich zu, denn auch mir wird bei der Betrachtung dieser wirklich guten Sammlung einmal mehr bewusst, dass auch ich mir etwas weniger Tarzan oder Jane wünschen würde und dafür vielleicht, wie es Prof. Brandes formuliert, ein bisschen mehr »Dazwischen«.

Du Tarzan Ich Jane – Gender Codes im Design
Birgit Weller, Katharina Krämer
36 Euro
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Weitere Literaturempfehlungen:

Uta Brandes: Dazwischen. Design und Geschlecht (In Between: Design and Gender). In: Das undisziplinierte Geschlecht (The Undisciplined Sex) Opladen (Leske+Budrich) 2000

Uta Brandes: Gendered Products. In: Zeitschrift für Frauenforschung & Geschlechterstudien (Periodical for Women and Gender Studies), Bielefeld (Kleine) 2003.

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