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Freie Benutzung im Urheberrecht – auch zustimmungsfrei?

Abgrenzung zwischen zustimmungsfreier Nutzung nach § 24 UrhG und zustimmungspflichtiger Bearbeitung nach § 23 UrhG.

Designrecht-Serie von Jens O. Brelle (Art Lawyer)

Wie weit kann man sich von einem Werk inspirieren lassen, ohne dass man die Rechte des Urhebers verletzt? Eine Frage, die sich Kreative sicher schon häufiger gestellt haben, bzw. die, deren Werk als Vorlage für eine Verfremdung oder Bearbeitung diente. Bearbeitungen und Umgestaltungen von Werken werden hierzulande durch die Paragrafen 23 und 24 des Urheberrechtsgesetzes (UrhG) geschützt. Bei einer Bearbeitungen oder Umgestaltungen handelt es sich nach herrschender Meinung um persönliche geistige Schöpfungen, die gem. § 23 UrhG immer die Einwilligung des Urhebers des bearbeiteten oder umgestalteten Werkes erfordern. Handelt es sich um eine freie Benutzung, dann ist nach § 24 UrhG die Zustimmung des Urhebers des benutzten Werkes nicht erforderlich. Doch was ist eine Bearbeitung, eine Umgestaltung oder eine freie Benutzung?

Um eine Bearbeitung handelt es sich, wenn eine persönliche geistige Schöpfung vorliegt und diese dem Originalwerk dient. So zum Beispiel bei einer Übersetzung eines deutschen Romans ins Italienische. In diesem Fall werden die Verwertungsmöglichkeiten des Originalwerks erweitert. Weitere Voraussetzung ist, dass bei der Bearbeitung die Individualität des Übersetzers erkennbar ist. Unabdingbar ist bei einer Bearbeitung die Einwilligung des Urhebers. Nur er kann über die Verwertung des Originalwerks bestimmen. Liegt diese Einwilligung nicht vor, handelt es sich um eine Urheberrechtsverletzung, die für den Bearbeiter teure Konsequenzen haben kann. Die Einwilligung kann stillschweigend oder ausdrücklich erteilt werden. Auch eine nachträgliche Einwilligung ist möglich.

Bei einer Umgestaltung handelt es sich ebenfalls um eine persönliche geistige Schöpfung, bei denen der Schöpfer jedoch sein eigenes Werk zur Geltung bringen will. Dieses erweitert damit auch nicht die Verwertungsmöglichkeiten des Originalurhebers. Vielmehr machen die Umgestaltungen dem Originalwerk Konkurrenz. Deutlich wird das vor allem am Beispiel des Plagiats, das den guten Ruf des Originals ausbeutet. Wer also ein Originalwerk umgestalten will, benötigt auch für diesen Fall die Einwilligung des Urhebers.

Die Zustimmung des Urhebers ist nur dann nicht erforderlich, wenn es sich um eine freie Benutzung gem. § 24 UrhG handelt. In diesem Fall wird ein neues selbstständiges Werk geschaffen, das veröffentlicht und verwertet werden darf. § 24 stellt im Grunde eine Schranke zu § 2 Abs. 2 UrhG (Werke im Sinne dieses Gesetzes sind nur persönliche geistige Schöpfungen) dar. § 24 UrhG lässt das Urheberrecht enden. Ein Grund dafür ist das Interesse der Allgemeinheit am wissenschaftlichen und künstlerischen Fortschritt.

Urheberrechtlicher Schutz an einem Werk besteht bis 70 Jahre, bzw. bei Lichtbildwerken 50 Jahre nach dem Tod des Urhebers. Das Urheberrecht verbleibt immer beim Urheber, es ist nicht abtretbar oder verkäuflich. Allerdings kann der Urheber Nutzungsrechte für sein Werk vergeben. Hier unterscheidet man das einfache und das exklusive Nutzungsrecht. Das einfache Nutzungsrecht kann vom Urheber mehrmals an Dritte vergeben werden, das exklusive Nutzungsrecht nur einmal an einen Dritten. Wer ein Nutzungsrecht an einem Werk erwirbt, kann dem Vertrag entsprechend mit dem Werk des Urhebers umgehen. Insofern stellt die Vergabe eines Nutzungsrechts die Einwilligung des Urhebers für den vereinbarten Umfang dar.

Probleme bereitet jedoch die Frage, wann nach § 24 UrhG ein neues Werk entsteht. Voraussetzung ist zunächst, dass auch durch die freie Benutzung ein selbstständiges Werk entsteht, das die Kriterien des § 2 UrhG erfüllt. Also eine persönliche geistige Schöpfung in einer wahrnehmbaren Form mit schöpferischer Individualität. Die bloße Idee ist nicht schützbar. Das in einer freien Benutzung geschaffene Werk muss einen Abstand zum Original einhalten, der stärker ist als eine Bearbeitung oder andere Umgestaltung. Die Rechtsprechung hat dazu folgende Formel entwickelt:

»Der notwendige Abstand wird erreicht, wenn die entnommenen eigenpersönlichen Züge des älteren Werkes gegenüber der Eigenart des neu geschaffenen Werkes verblassen, so dass jenes nur noch als Anregung zu neuem, selbstständigem Werkschaffen erscheint (z.B. BGH, GRUR 1958,402, 404 – Lili Marlen).«

Das heißt, um ein hohes Maß an Individualität zu erreichen, sollte der Urheber des neuen Werkes während des Schöpfungsprozesses so viele eigene Entscheidungen wie möglich treffen. Man sagt auch, dass die Züge des Originals gegenüber den Zügen des neuen Werkes verblassen müssen.

Wann nun ein neues Werk entsteht, soll an diesem Beispiel deutlich werden:
Für die Gestaltung eines Buchcovers soll drei Bilder eines bekannten Künstlers detailgetreu abgezeichnet werden. In diesem Fall würde eindeutig eine Bearbeitung im Sinne des § 23 UrhG vorliegen, für die die Zustimmung des Urhebers einzuholen ist.

Würden die Bilder jedoch mit einem Bildbearbeitungsprogramm so bearbeitet werden, dass sie bspw. übereinandergelegt und in verschiedene Größenverhältnisse gesetzt werden, so das die drei ursprünglichen Werke nicht mehr zu erkennen sind, liegt eine freie Benutzung vor, für die keine Einwilligung erforderlich ist.

Wichtig bei einer freien Benutzung ist, dass das ursprüngliche Werk nur als Anregung für das eigene Werk gedient hat. Ein Gericht wird im Zweifel prüfen, wie viele Übereinstimmungen es zwischen den Werken gibt und nicht wie viele Unterschiede. Letztlich kommt es aber auch immer auf den Einzelfall an und somit auf die Entscheidung eines Gerichts. Da die Grenzen zwischen einer Bearbeitung und eine freien Benutzung fließend sind und die Konsequenzen einer Bearbeitung ohne Zustimmung des Urhebers gravierend sein können, sollte im Zweifelsfall die Einschätzung eines Anwalts eingeholt werden.

Artikel von Art Lawyer – Jens O. Brelle, Rechtsanwalt, Fachanwalt für Urheber- und Medienrecht

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