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Fragen an Illustratoren: Katharina Gschwendtner

Wie war dein Einstieg in die Branche und was war dein erster Job?

Mit meinem damaligen Freund spielte ich ein Spiel, es war eine Schreib- und Zeichenkorrespondenz. Täglich hatte ich einen seiner Texte, das waren Fragmente aus dem Alltag, Gedanken, Lebensfragen, auch Unsinn, zur Auswahl. Ich zeichnete meine Idee dazu und montierte Text und Bild anschliessend miteinander. So entstand ein Buch von Einbildgeschichten. Dieses Buch bekam einige Aufmerksamkeit, auch in der Fachpresse, und ich wurde als Illustratorin gebucht. Ich hatte während des Studiums nicht den Plan Illustratorin zu werden. Ich dachte mehr an Kunst. Einerseits eigneten sich meine sehr erzählerische Art der Darstellung, meine Vorliebe für das Psychologische, das Inhaltliche und andererseits das Unkomplizierte an der Tuschezeichnung einfach für die Illustration. Mein erster Job war eine längere Strecke für Geo Wissen, es ging um Essstörungen. Der Artdirektor hat meine Spezialität erkannt. Ich war glücklich, meinen Ideen und Übertreibungen eine Öffentlichkeit geben zu dürfen!

Arbeitest du hauptsächlich als Illustrator oder hast du noch andere Schwerpunkte und falls ja, welche?

Momentan arbeite ich hauptsächlich als Illustratorin. Je nach Auftragslage und verfügbarem Zeitpuffer arbeite ich entweder frei, bereite Ausstellungen vor, oder ich arbeite als Illustratorin. Beides ist mir sehr wichtig. Kunst, Experiment und Spiel dürfen bei aller Auftragsarbeit nicht zu kurz kommen. Ich bin Mitglied und Mitherausgeberin von Spring, einem Heft für Zeichnung. Der Austausch in der Gruppe ist für uns alle wichtig und inspirierend. Außerdem arbeite ich als Dozentin für Illustration. Das macht großen Spaß und ist für mich selbst eine Weiterbildung.

Auf welchen Themenbereich hast du dich spezialisiert? Wie würdest du deinen Stil beschreiben? Mit welchen Techniken arbeitest du?

Die Linie kann alles, sie ist meine Basis. Auch wenn ich Scherenschnitte herstelle, so beginne ich mit der Kontur auf Papier. Sie erzählt sehr pointiert das Wesentliche. Mir geht es weniger um Atmosphäre und Raum als um Beschreibung von Inhalten. Diese drücken sich durch Charaktere, Handlungsbeschreibungen, komischen Situationen, das Herstellen von Zusammenhängen aus. Meine Illustration lässt sich am besten anwenden, wenn es um klare Themen geht, also zeichne ich vor allem für Zeitungen, Zeitschriften, Plakate, Bücher und Werbung. Es geht oft um Psychologisches, Schräges, Komisches. Ich liebe das Ausufernlassen der Zeichnung, die sich als Wimmelbild durch Assoziationsketten in alle Richtungen fast von alleine weiterwebt.

Digital oder Analog?

Meine vorwiegend verwendete Zeichentechnik: Sehr analog mit Feder und Tusche. Für Illustrationen habe ich in der Regel ja nur wenige Tage Zeit. Ich muss außerdem die Möglichkeit, Korrekturen vorzunehmen einplanen. Insofern zeichne ich auf Papier, scanne die Zeichnung und koloriere sie. Somit habe ich eine Datei, die einfach zu bearbeiten ist. Anders gehe ich bei freien Arbeiten vor. Dort kann ich malerischer, dreidimensional und großformatig arbeiten. Meine großen Formate sind kaum als Foto darstellbar, da ich sehr detailiert arbeite und die Oberfläche stark spiegelt. Die Hinterglastechnik ermöglicht mir aber maximale Leuchtkraft in der Farbgestaltung meiner Zeichnung. Auch auf Glas zeichne ich mit Tusche und Feder. Später setze ich die Farbe dazu.

Gibt es ein Objekt, ein Thema, das für dich besonders schwer zu zeichnen ist?

Während des Studiums dachte ich, als Storyboardzeichnerin arbeiten zu können. In dem Bereich gibt es immer viel zu tun und es werden tatsächlich händeringend Storyboardzeichner gesucht. Ich wollte Geld verdienen, aber viel Geld wird eben in die Autoindustrie gesteckt. Somit war meine erste Aufgabe, Autos zu zeichnen. Und zwar solche, die der Hersteller verkaufen möchte! Ich weiß nun, dass ich keine Autos zeichnen kann. Sie sollen nämlich geschmeidig wie Seife aussehen, aus jeder Perspektive gleich, schnell, symmetrisch und funktional.

Wie ist dein Arbeitsprozess für eine Illustration?

Im Idealfall ist die Aufgabenstellung interessant und wird nicht in letzter Minute gestellt. Ich gehe mit dem Thema schwanger und sammle Ideen dazu. Je nach Thematik recherchiere ich in mir, in Nachschlagewerken, Internet, Büchern. Dann muss mein Tisch absolut aufgeräumt und frei sein. Der Kaffee steht neben mir, ich zeichne in Gedanken auf das weiße Blatt Papier. Die geliebte Tuscheflasche wird geöffnet und der Geruch schwarzer Tusche wird eingesogen. Eine neue Feder wird gesucht und gefunden. Manchmal skizziere ich den Bildaufbau grob. Ich zeichne aus der Vorstellung, nehme Abstand, überprüfe, beurteile, lasse es wieder fließen, bis ich finde, nun ist die Zeichnung fertig. Anschließend scanne ich sie und bearbeite evt. die Farbigkeit. Dann warte ich, wenn genug Zeit ist und ich nicht zu ungeduldig bin. Nach einer Nacht oder einigen Stunden sehe ich besser, ob Änderungen notwendig sind. Zuletzt genieße ich meinen Beruf und freue mich auf das Geld.

Was passiert, wenn einem Kunden deine Illustration überhaupt nicht gefällt?

Ich mache mich an die Arbeit, eine bessere Illustration zu machen, oder eine, die dem Kunden besser gefällt. Grundsätzlich werde ich ja deshalb gebucht, weil der Kunde genau meine Arbeit schätzt. Ich verschließe mich nicht und bin auch nicht beleidigt. Im Gegenteil, der Auftraggeber hat manchmal gute Verbesserungsvorschläge. Wenn allerdings der Eindruck entsteht, es wird etwas mir Artfremdes erwartet, dann wird es schwierig. Oder frustrierend. Leider gibt es auch Auftraggeber, die unsicher sind und es potentiell allen recht machen wollen. Sie verhindern dann, dass eine Illustration extrem werden kann. Doch gerade das ist das Potential der Illustration. Argumentieren bringt selten etwas. Wenn abzusehen ist, dass das Ergebnis öde wird, sollte man solche Aufträge vermeiden.

Welche Tipps kannst du jemandem geben der Illustrator werden möchte?

Das Wichtigste ist, gute Arbeiten zu machen und diese zu zeigen. Einerseits gibt es den klaren professionellen Weg in die Agenturen und Verlage, mit Portfolio unter dem Arm zu den Bildredakteuren und Artbuyern. Mit Interesse wird man sich die Mappen ansehen. Aber ich empfehle zusätzlich die Möglichkeit von Ausstellungen, eigenen Publikationen, Wettbewerben, Stipendienangeboten zu nutzen. Eigene Vorlieben, eigene Interessen, die Lust hinzusehen sind der wichtigste Motor, der Stil kommt hinterher. Der ergibt sich bei ehrlicher Arbeit. Ich weiß, Ehrlichkeit ist ein schwieriger und belächelter Begriff. Ehrlich ist, wer sich wirklich auf sich und seine Wahrnehmung der Welt konzentriert. Der wird zu der ihm entsprechenden Bildsprache finden. Wenn diese einzigartig und originell ist, wird man sich dafür interessieren. Nicht zuletzt: Zusammenarbeit ist sehr wichtig! Jeder trägt jeden in die Öffentlichkeit, man gibt sich gegenseitig Stoßkraft.

Wie gewinnt man als Illustrator Kunden?

Durch herausragende Arbeit und Präsenz. Man behält sie durch Qualität und Zuverlässigkeit.

Wie siehst du den Stand der Illustration in Deutschland?

Auf der einen Seite wachsen die Anwendungsgebiete der Illustration mit Game und Animation, Typedesign, Schnickschnack überall, Comic etc. Ich vermisse in vielen Bereichen aber die künstlerische Qualität. Das illustrierte Buch für Erwachsene spielt leider kaum eine Rolle.

Oft genug passiert Folgendes: Ehrgeizige Werber schlagen den Kunden Illustrationen vor. Es werden schlecht bezahlte Probeillustrationen angefertigt, doch wird meistens die Entscheidung zugunsten einer Foto-Kampagne gefällt. Selbst wenn der Auftrag zustande kommt, ist das Timing viel zu knapp für bestmögliche Arbeit. Das ist schade.

Wo ist für dich der Unterschied zwischen Kunst und Illustration?

Illustration ist das Herstellen von Inhalten, sei es Information, Dekoration oder Stimmung, in einem einmaligen Kontext: für einen bestimmten Auftraggeber, für eine bestimmte Zielgruppe, in einem bestimmten gewünschten Stil, in einer bestimmten Zeit, in einer bestimmten Anwendung. Ändert sich einer der Eckpfeiler, ändert sich das gesamte Konzept der Illustration. Ein Illustrator muss sich aber nicht in jede Richtung biegen können. Er sollte die zu ihm passenden Aufträge annehmen oder eigene Projekte in die Hand nehmen.

Anders ist das bei der Kunst. Sie muss nicht so konkret funktionieren, kann mehr offen lassen. In der Entstehung muss der Künstler kein definiertes Ziel ansteuern. Ein Kunstwerk kann sich verweigern und unverständlich bleiben.
Beide Bereiche haben natürlich Parallelen und sind auf ihre Weise höchst anspruchsvoll.

Katharina Gschwendtner
http://gschwendtner.info

Interviewserie mit Fragen von Nadine Roßa und Patrick Marc Sommer

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