Typografie – Eine kurze Geschichte von Typen, die Sätze formen und damit Druck erzeugen
Früher zeigten Texte die Handschrift ihrer Verfasser, indem sie den Verlauf der Handbewegung abbildeten, die deren Schreibwerkzeug hinterließ.
Mit der Entwicklung der Drucktechnik beginnt die Geschichte der Typografie.
In einem Setzkasten sammelte der Drucker Lettern, die zuvor aus Holz oder Blei geschnitzt oder gegossen wurden und fügte diese Typen dann zu immer neuen Worten und einem vollständigen Text zusammen.
Mit der Entwicklung der Setzmaschinen wurden Texte dann zunehmend über Tastaturen statt über das manuelle Setzen von Druckstempeln gestaltet. Anfang der 1970er Jahre konnte sich der Fotosatz endgültig durchsetzen. Licht wurde durch Schablonen direkt auf das Trägermedium gelenkt und der Text so fototechnisch reprografiert oder per Lasertechnik in eine Druckvorlage übersetzt. Mit dem Foto- und Computersatz vervielfältigte sich die Zahl der Schriftarten zugleich enorm.
Eine individuelle Handschrift zeigt ein typografisch bearbeiteter Text heute aber immer noch. Selbst wenn die Typografie mittlerweile ein digitaler Prozess ist, setzt der Typograf in seinem modernen Studio wie der Kalligraf und die Graveure aus den Anfängen der Typografiegeschichte jeder Publikation einen individuellen Stempel auf.
Typografen und Schriftentwerfer – Vom Stempelschneider zum »Typberater«
Seit der Erfindung des Buchdrucks durch Johannes Gutenberg um 1450 bildeten sich mit der stetig wachsenden Zahl an Druckereien auch neue Berufsbilder heraus. Sogenannte Stempelschneider lösten aus Metall Druckformen, nach deren Vorlage die für den Satz benötigten Bleilettern gegossen wurden.
Der wohl bekannteste Stempelschneider war der Franzose Claude Garamond, dem es um 1600 gelang, eine nach ihm benannte, klar lesbare und harmonische Schriftart zu entwickeln, die bis heute weite Verwendung findet.
Je umfangreicher die technischen Möglichkeiten wurden, desto mehr Kontraste und scharfkantige Schriftlinien waren den Graveuren möglich.
Schriftentwerfer erweiterten die Drucktechnik um immer neue »Looks« und entwickelten Schriftdesigns, die sich deutlich von allen bisher bekannten Handschriftarten und Drucktypen abhoben. Die standardisierten Druckverfahren ermöglichten ihnen unter anderem die Ausgestaltung der Kursivschrift, bei der sich alle Buchstaben gleichmäßig zur Seite neigten. Linien an den Buchstabenausläufern, die Serifen, konnten immer feiner gedruckt werden und erfreuten sich schnell großer Beliebtheit.
Als 1799 die Truppen Napoleons in Ägypten den Stein von Rosetta entdeckten, entfachten sie damit weltweit Interesse an der Entzifferung und dem Vergleich von Hieroglyphen, Schriften und Symbolen. Parallel dazu entstand im Zuge der frühen Industrialisierung eine erste Werbebranche, die für ihre Zwecke nach auffälligen Schriftarten verlangte, die außerdem gut lesbar waren. Die Egyptienne-Schriften bilden diesen Trend zu augenfälligen, exotischen Schrifttypen ab.
Anfang des 20. Jahrhunderts war die Tendenz dann gegenläufig. Die Reaktion der Typografie war die Grotesk, eine einfache, serifenlose Schrift, die als besonders klar empfunden wurde und mit dem allgemeinen Verlangen nach einer »Neuen Sachlichkeit« einherging.
Der Bauhaus-Bewegung nahestehende Buchdrucker forderten 1929 sogar eine radikale kleinschrift. Die geltenden Normen stellten sie provokativ infrage: »warum großschreiben, wenn man nicht groß sprechen kann?«
Typografie bestimmt Geschmacksmuster und gestaltet Machtsymbole
Schrifttypen werden stets konnotiert mit anderen Vorerfahrungen gelesen. Schrift wird kontextuell erkannt, historisch eingeordnet und ist buchstäblich Ausdruck von Botschaften, die nur über die Typografie mitgelesen werden.
Im Mittelalter wurden die Buchstaben oft nach oben oder unten durch sogenannte Unziale verlängert. Wer einen Betrachter in das Mittelalter zurückversetzen will, wählt daher gerne eine Unzialschrift, die unmittelbar an historische Schriftstücke aus dieser Zeit erinnert. Zerlegen scharfe Richtungswechsel die runden Bögen der Buchstaben in kantig unterbrochene Buchstabenzüge, ergibt sich eine gebrochene Schrift. Diese wird beispielsweise gerne dann gewählt, wenn eine Zäsur mit geltenden Traditionen und Normen auch symbolisch demonstriert werden soll.
Ein bekanntes Beispiel für eine gebrochene Schrift ist die Fraktur, eine gotische Schrift, die durch den Nationalsozialismus wiederbelebt wurde. Sie planten daher zunächst, alle Schreibmaschinen Deutschlands in Fraktur tippen zu lassen. Ab 1941 entschied sich die Führung in Berlin dann aber doch für die »Normal-Schrift« Antiqua, eine Rundbogenschrift. Die Fraktur wäre im Ausland zu schwer zu lesen gewesen, behinderte damit die globalen Expansionspläne und wurde als offizielle Schrift wieder verworfen. Allerdings findet der Schrifttyp auch heute noch Verwendung – besonders dann, wenn der Eindruck langer Tradition oder althergebrachter Rustikalität hervorgerufen werden soll.
Weil die Schrift von jeher auch ein Symbol der Macht ist, verwenden viele Unternehmen im Rahmen ihres Corporate Design von Typografen konzeptionell genau auf ihre Ziele zugeschnittene Hausschriften. Damit geben sie sich ihre eigene, wiedererkennbare Signatur. Beispielsweise verwendet der Automobilhersteller Daimler mit Daimler CS genauso eine eigene Hausschrift wie die Telekom mit TeleGrotesk und die Deutsche Bahn mit DBTyp.
Die Wahl des richtigen Schriftbilds – effektiv kommunizieren durch leicht verzehrbaren Augenschmaus
Steve Jobs Faszination für Kalligrafie, ein Fach, zu dem er als Student am Reed College Kurse belegte, hat seit 1984 mit dem anbrechenden PC-Zeitalter über die ersten Macintosh-Computer und den darauf vorinstallierten Textverarbeitungsprogrammen eine nachhaltige Demokratisierung der Schriftkultur ausgelöst. Jobs hatte eine Typografin angeheuert, um eine Vielzahl von Fonts zur Auswahl anzubieten, die jedem, der einen Text geschrieben hatte, ermöglichen würde, diesen auch direkt individuell mit einem selbst modifizierten Schriftzug zu gestalten.
Die Auswahl an Schriftarten in einem herkömmlichen Textverarbeitungsprogramm ist heute riesengroß. Oft ist es nicht so sehr der Mangel der Möglichkeiten als die Auslese nach geeigneten Kriterien, die die Wahl des besten Schriftbilds schwer machen.
Bei der Wahl einer speziellen Schriftart sind unterschiedliche Aspekte zu berücksichtigen:
- Welche Wirkung soll hervorgerufen werden?
- Ist die gewählte Schrift gut lesbar?
- Sind die gewählten Fonts bei allen Adressaten, in allen Darstellungsformaten und bei jeder Auflösung technisch korrekt darstellbar?
- Sind die Serifen so gewählt, dass sie nicht verschwimmen, falls die Wiedergabequalität nicht ausreichend hoch ist?
Größer, Fetter, Weiter? – Durch Mikrotypografie und Layout erfolgreiche Schriftmuster entwickeln
Auch bei einer Publikation, die aus reinem Text besteht, kann die Typografie jedem Format ein profiliertes Image geben. Dabei sind die Gestaltungsmöglichkeiten der Typografie vielseitig.
- Die Absatzgliederung definiert Einzüge und Abstände, die dem Text ein harmonisches und einheitliches Erscheinungsbild geben und seine Lesbarkeit erhöhen
- Auszeichnungen heben Textelemente hervor und gewichten den Text
- Durch die Wahl geeigneter Schriftgrößen werden erkennbar Prioritäten und Hierarchien gesetzt und zugleich ein ausgewogenes Ganzes gestaltet
- Kontraste verstärken die Lesbarkeit
- Die Laufweite kann einen Text zusammenrücken lassen und eine Publikation ohne Verlust an Inhalt und Lesbarkeit im Gesamtumfang »schrumpfen« lassen
- Durch das Eliminieren von zu viel Weißraum kann über das Kerning das Lesen des Textes erleichtert werden
Ob rund, gebrochen, leise, gradlinig, opulent oder markant: Unsere Schrift komponiert ihre eigene Erzählung.
Bei einem Spaziergang durch Berlin lassen sich bei aufmerksamer Beobachtung im Stadtbild viele Epochen der Typografie wiedererkennen. So wie die Straßenzüge das Stadtbild topografisch strukturieren, zeichnen sich auch die an Gebäuden angebrachten Schriftzüge, Reklametafeln oder Schilder mit subtilen Spuren in unserer Wahrnehmung ein. Der Facettenreichtum der Beschriftungen an U-Bahn-Stationen, Läden, Leuchtreklamen, Aushängen und Flyern spiegeln den Charakter der Stadt und ihrer Gesellschaft.
Vielleicht haben Sie ja Lust, uns bei Ihrem nächsten Spaziergang in unserem Studio zu besuchen! Wir freuen uns auf Sie!