Gutes Etikettendesign – zwischen Funktion, Marke und Material
Warum Etiketten viel mehr sind als bedruckte Aufkleber – und was Designer:innen bei Gestaltung, Material und Botschaft beachten sollten.
1. Der erste Eindruck entscheidet – auch bei Etiketten
Etiketten gehören zu den unterschätzten Trägern von Designleistung. Sie sind oft das Erste, was Menschen von einem Produkt wahrnehmen – sei es auf dem Ladentisch, im Regal oder als Zoom-Ansicht im Onlineshop. Und sie erfüllen gleich mehrere Rollen: Sie informieren, identifizieren, überzeugen – und sie sind Ausdruck der Marke.
Ein gutes Etikett macht sichtbar, was ein Produkt ist – und was es sein möchte. Es verleiht Verpackung Charakter, differenziert gegenüber Mitbewerbern und schafft Wiedererkennung. Gleichzeitig muss es Informationen klar lesbar transportieren, oft auf kleinstem Raum.
Gutes Etikettendesign ist also immer eine Synthese aus Ästhetik, Funktion und Strategie.
2. Was ein Etikett alles können muss
Während das Etikett für die Kund:innen oft nur ein kleiner Aufkleber ist, steckt für Gestalter:innen ein ganzes Anforderungsprofil dahinter. Es geht um weit mehr als um die Platzierung eines Logos:
- Produktinformationen korrekt und rechtssicher unterbringen
(z. B. Inhaltsstoffe, Gewicht, Hersteller, Haltbarkeit) - Visuelle Kommunikation der Marke
(Farben, Typografie, Logo, Bildwelt, Stilistik) - Materialeigenschaften berücksichtigen
(Klebekraft, Umweltbedingungen, Untergrund) - Technische Umsetzbarkeit beim Druck sicherstellen
(Beschnitt, Farbprofile, Skalierbarkeit, Spezialeffekte) - Digitale Lesbarkeit im E-Commerce
(Etikett muss auch in 400×400 Pixel funktionieren)
Das bedeutet: Designer:innen arbeiten an der Schnittstelle zwischen Grafikdesign, Produktmanagement, rechtlichen Vorgaben, Drucktechnik und Markenführung.
3. Designstrategie: Welche Botschaft soll das Etikett senden?
Bevor der erste Entwurf entsteht, lohnt sich ein Blick auf die strategischen Fragen:
- Welche Zielgruppe soll angesprochen werden?
- Was unterscheidet das Produkt von Wettbewerbern?
- Wie soll sich das Produkt im Regal oder im Web abheben?
- Welche Materialien und Formen passen zur Marke?
- Wie nachhaltig muss das Design sein – in Optik und Produktion?
Beispiel: Ein Clean Beauty Produkt setzt auf reduzierte Gestaltung mit sanften Farben, viel Weißraum und klarer Typo. Ein Craft-Bier hingegen darf illustrativ, verspielt oder sogar provokant auftreten.
Die Strategie leitet die Designentscheidungen – nicht umgekehrt.
4. Typografie & Lesbarkeit: Der unterschätzte Erfolgsfaktor
Schriften auf Etiketten müssen viel leisten: Sie sollen Informationen transportieren, Markencharakter zeigen und auch noch lesbar sein – auf einem möglicherweise gebogenen oder kleinen Träger.
Best Practices für Typografie auf Etiketten:
- Mindestens 6 pt Schriftgröße für Pflichttexte
- Kontraste zwischen Schrift und Hintergrund klar halten
- Für Markenname & Slogan: individuelle Schrift oder Logo-Schriftzug
- Bei viel Text: mit Hierarchie (H1/H2/H3) und Absätzen arbeiten
- Keine zu verspielten Schriften bei Pflichtangaben
Designer:innen sollten unbedingt einen Druckproof machen – denn was am Bildschirm wirkt, ist nicht automatisch im Druck lesbar.
5. Material ist Teil des Designs
Papier oder Kunststoff? Matt oder glänzend? Transparent oder opak? Die Materialauswahl beeinflusst Wirkung, Haptik, Nachhaltigkeit und Funktionalität.
| Materialtyp | Wirkung | Einsatzbeispiele |
| Naturpapier | handgemacht, authentisch | Manufakturen, Wein, Bio-Produkte |
| PP-Folie glänzend | hygienisch, modern, clean | Kosmetik, Drogerie, E-Liquids |
| Transparente Folie | leicht, reduziert, subtil | Kosmetik, Getränke, Premiumprodukte |
Metallic / Effektfolie edel, auffällig, limitiert Spirituosen, Luxusartikel, Editionen
Ein guter Etikettendrucker kann verschiedene Materialien bereitstellen – doch der Impuls für das Material sollte vom Design kommen.
6. Etikett = Brandingfläche = Storytellingfläche
Ein Etikett erzählt eine Geschichte. Es ist die Bühne, auf der ein Produkt seine Werte, seine Herkunft und seine Besonderheit zeigt. Besonders im Craft- & Start-up-Bereich ist das Storytelling auf dem Etikett heute ein Muss.
Beispielhafte Elemente:
- Mini-Story auf der Rückseite („Wir sind drei Brüder, die…“)
- Herkunftsangaben („aus dem Spessart“, „mit Lavendel aus der Provence“)
- Icons für vegane, ökologische, klimaneutrale Produktion
- QR-Codes, die zu Videos oder Hintergrundinfos führen
So wird aus einem funktionalen Etikett ein emotionales Kommunikationsmittel.
7. Etikett im digitalen Raum – was verändert sich?
Immer mehr Produkte werden ausschließlich online verkauft – oft als Direktvertrieb ohne stationären Handel. Das Etikett muss also auch auf Screens wirken. Wichtige Aspekte:
- Produktfoto als Ersatz für physisches Anfassen
- Zoombarkeit der Texte und Details
- Lesbarkeit auf Smartphones und Tablets
Designer:innen sollten die Etikettenansicht in verschiedenen Größen testen – idealerweise mit echten Mockups und Screenshots aus Shopsystemen.
8. Nachhaltigkeit als Gestaltungsvorgabe
Nachhaltigkeit ist kein Nischenthema mehr – sondern Standard. Etiketten, die ökologisch sein sollen, müssen das auch gestalterisch kommunizieren.
Tipps für nachhaltige Gestaltung:
- Verzicht auf Hochglanzlacke und Laminate, die Recycling erschweren
- Bewusst eingesetzte Weißräume für Reduktion und Klarheit
- Icons oder Hinweise zu Umweltaspekten integriert ins Design
- Gedruckte Farben reduzieren, weniger ist mehr
Das Ziel: glaubwürdige, ehrliche Designs – statt oberflächlichem „Green Look“.
9. Von der Idee zur Umsetzung: Zusammenarbeit mit Etikettendruckern
Gerade wenn Veredelungen, Sonderformen oder neue Materialien gewünscht sind, ist die enge Abstimmung mit dem Druckdienstleister entscheidend.
Checkliste für den Design-to-Print-Prozess:
- Beschnitt & Sicherheitsabstand sauber einhalten
- Farbprofil CMYK anlegen, keine RGB-Farben
- Schriften in Pfade umwandeln
- Lack- oder Prägebereiche separat anlegen
- Abstimmung zur Stanze: Freiform oder Standard?
Ein professioneller Etikettendrucker bringt dabei nicht nur die Technik mit – sondern auch Beratung und Erfahrung. Wer individuelle Etiketten für Produkte gestalten möchte, sollte daher auf Qualität, Partnerschaft und Präzision achten.
Etikettendesign ist mehr als Gestaltung – es ist Markenarbeit
Etiketten gehören zu den kompaktesten, aber wirkungsvollsten Designmedien überhaupt. Sie kombinieren Funktion, Material, Text, Strategie und Form auf wenigen Quadratzentimetern – und müssen trotzdem auffallen, informieren und überzeugen.
Für Designer:innen liegt hier eine große gestalterische Verantwortung – aber auch eine spannende Chance. Denn wer Etiketten gut gestaltet, hilft Marken dabei, im richtigen Moment sichtbar zu sein – und im Gedächtnis zu bleiben.
