Portrait: Sigmar Polke, Ralph Ueltzhoeffer – Biographie als Kunst
Portrait: Sigmar Polke (2001) von Ralph Ueltzhoeffer, (Links: Joseph Beuys Textportrait 3-teilig).
Aus der Dunkelkammer direkt ins Internet und wieder zurück!
Vor wenigen Jahren als die Fotografie noch analog und das Internet gerade mal wenige Jahre im neuen Jahrtausend angekommen war, entstand das erste aus biographischem Text und einer Portraitfotografie vereinte, digital-analoge “Textportrait”. 2001 erstellt von dem Konzeptkünstler Ralph Ueltzhoeffer, mit Hilfe von Windows 98 sowie analoger Fotografie in der Dunkelkammer der Akademie der Bildenden Künste, Karlsruhe. Die ersten Portraits, wie z.B. vom Fußballstar David Beckham oder dem Künstlerkollegen Sigmar Polke sind noch echte Handarbeiten. Während seines Kunststudiums, das er bei dem renommierten Künstler und Professor Horst Antes absolvierte, experimentierte Ueltzhoeffer schon damals mit Schriften, Computern und dem Internet. Kunstprojekte wie das “Project Textportrait” (2003), das sich im Wesentlichen mit unserer digitalen und fragilen Identität im World-Wide-Web beschäftigte, waren und sind eines seiner wichtigsten, künstlerischen Arbeiten. Lange vor dem explosionsartigen Facebook-Hype war Ralph Ueltzhoeffer mit seinen künstlerischen Gedanken bei den vermeintlich zukünftigen Opfern. Es gelang Ueltzhoeffer mit seinen digitalen Textportraits während des US-Wahlkampfes von Barack Obama in den vordersten Rängen der Suchmaschine Google zu landen. Er konnte somit einen kleinen Interessensboom hinsichtlich der Portraits verzeichnen.
Das Begehren, ein Textportrait für Jedermann selbst zu erstellen, veranlasste dann die Software-Firma Adobe dazu, ein Plugin für ihr Bildbearbeitungsprogramm Photoshop zu entwickeln. Auf die Frage hin, ob jetzt die “Nachahmer” den Effekt für sich beanspruchen könnten äußerte sich Ueltzhoeffer sehr gelassen und mit den Worten “es mache ihn stolz, einen neuen Portrait-Stil geschaffen zu haben und es sei gemäß dem ursprünglichen Gedanken des Internets eine Freude, immer wieder neue Text-Portraits entdecken zu dürfen.”
Wie hat das Internet die Kunst als solche verändert? Es gibt die Portale, die Kunst verkaufen, aber es gibt ebenso noch die traditionellen Galerien in den großen Städten, für die das Internet wenig Veränderung brachte. Einige Galerien und Kunstkenner verdammen das Internet als Treiber des “Billigmarktes” und sehen somit ihre Existenz in Gefahr. Was bedeutet das für den einzelnen Künstler? Ralph Ueltzhoeffer erkannte das Internet als Chance und konnte mit dem Hype lange Jahre und selbst bis heute interessante Projekte dem Publikum näher bringen. Ein Teil seiner Arbeiten wurde als Editionen im Digitaldruck über große Galerien produziert und verkauft, das meiste seiner Arbeiten waren allerdings Raum- bzw. Lichtkunst-Installationen.
In welchem Zusammenhang stehen die Arbeiten der Biennale Venedig 2003 (Ausstellungsthema „Clandestine“, kuratiert von Francesco Bonami) zu den heutigen Textportraits? Ralph Ueltzhoeffer betont, es gäbe leider kaum einem Zusammenhang! Mit dem Werktitel Stuttgart-Stammheim (Stammheim Zyklus) konnte Ueltzhoeffer 1997 die letzten noch verbleibenden RAF Terroristen sowie die Vollzugsanstalt Stuttgart-Stammheim als historisches Gebäude portraitieren, einen direkten Zusammenhang zu den heutigen Portraits wäre konstruiert. Die Idee zu der Arbeit war zum einen die Ateliernähe zu Stuttgart-Stammheim und zum anderen das Interesse, wie fast jedes Kunststudenten damals wie heute, an Gerhard Richters Kunst. Ueltzhöffer findet, dass dies etwas überbewertet wird. Im Gegensatz dazu stehen Sigmar Polkes Arbeiten, die er sehr verehrt und wie man sieht, auch dem Künstler “Sigmar Polke” das zweite Text – Portrait seiner Biographie-Portraits widmete. Ueltzhoeffer beteuert: “Sigmar Polke hatte eine Leichtigkeit in seiner Arbeit, die ich immer gerne gehabt hätte!” Polke war außerdem immer kontinuierlich gut in seiner Kunst und ein angenehmer Mensch, wir hatten zusammen eine Ausstellung in Los Angeles in der damaligen Burnett Miller Gallery (Titel: The German Position I, Sigmar Polke, Ralph Ueltzhoeffer) bei der ich ihn näher kennen lernen durfte. Oft wurde Ueltzhoeffer vorgeworfen, seine Kunst wäre mehr im Design zu entdecken als in künstlerischen Bereichen, eben wegen den typographischen Elementen in seinen Textportraits. “Kunst und Design müssen sich nicht gegenseitig bekämpfen”, stellt Ueltzhoeffer klar. Es gibt viele Arbeiten, selbst im erotischen Akt, als Erotik in der Kunst wie z.B. Fotografien von dem deutschen Fotokünstler Thomas Ruff, bei denen man nicht automatisch nach Pornographie schreit. Ob mit dem Gedanken Kunst oder Design, Ralph Ueltzhoeffer stellt keine unüberwindbaren Anforderungen an ein Werk, das dieses innerhalb des Systems Kunst so oder so nicht halten könnte.
Unikate des Künstlers sind sehr selten warum? Ueltzhoeffer erklärt die versteckten Nachteile des Internets mit der traurigen Erfahrung eines verstorbenen Künstlerkollegen. Als Maler hatte er in den 1980 und 1990 Jahren einen ansehnlichen Erfolg mit vielen Ausstellungen in Galerien und Museen. Die Werke wurden zu relativ hohen Preisen verkauft und die Welt schien für ihn in Ordnung zu sein! Mit dem Internet und den Verkaufsportalen wurde es zusehend einfacher, Kunst selbst zu verkaufen. Dazu kam eine Erbengeneration, der die Werte in der Kunst mehr und mehr abhanden gekommen sind und die so die Kunstwerke über drittklassige Kunstportale zu unverschämten Preisen verschleuderten. Das kostete dem Kollegen wohl das Leben, deshalb hat das Internet auch gravierende Nachteile. Ralph Ueltzhoeffer entschloss sich, mit dieser Erkenntnis frühzeitig die meisten seiner Unikate über Galerien zurückzukaufen um somit einer solchen Situation zu entgehen. Natürlich hat man den Blick auch auf das Kapital gerichtet, meint Ueltzhoffer lapidar, und es ist eben kaum möglich, auf einer renommierten Kunstmesse wie in Basel (Art Basel) oder Miami, Editionen statt Unikate anzubieten.
Kann ein Künstler auch gleichzeitig Lehrer bzw. Professor sein? Wenn der Künstler tief in seinen Geldbeutel schaut wird er die Frage eher bejahen, wenn er allerdings aufrichtig zu sich selbst und den Studenten ist, kann er unmöglich beides sein! Meine Ausflüge zur Professur nach Stuttgart oder vor kurzem nach Valencia (CalArts, Kalifornien) waren sicherlich auch dem Geldbeutel geschuldet, da ich durch einige Installationen hohe Schulden angehäuft hatte. Welchen Rat würden Sie einem angehenden Künstler hinsichtlich des Internets geben? Natürlich wird das Medium überbewertet, dennoch sind unsere Gewohnheiten unmöglich zu ignorieren! Wir starren ununterbrochen auf unser Smartphone und suchen nicht selten im Internet nach Wahrheiten, die das Medium unmöglich liefern kann, und dennoch ist die Präsenz im Netz unabdingbar! Mit dem “Falschmachen” fängt jeder Künstler an, neue Kunstwerke zu erschaffen. Von Andrea Rosen, (Bildnachweise: Andrea Rosen, Sigmar Polke, Ralph Ueltzhoeffer, Burnett Miller Gallery, LA).